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Königinnen der Amazonen - Fotobericht

Berichte (z.B. Reiseberichte, Ameisenfotoalben, Ausflüge, Schnappschüsse, etc.) mit vielen Fotos von Ameisen und Natur.
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Boro
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#1 Königinnen der Amazonen - Fotobericht

Beitrag von Boro » 30. Juli 2008, 21:31

Mit Polyergus rufescens, der Amazonenameise, habe ich mich schon einige Male auseinandergesetzt, zuletzt hier:
http://www.ameisenforum.de/europaeische-arten/polyergus-rufescens-aufzucht-haltungserfahrungen-t29852.html
Kaum jemand bekommt diese seltene und in Mitteleuropa vom Aussterben bedrohte Art jemals zu Gesicht. Ich befasse mich jetzt schon über 10 Jahre mit dieser faszinierenden Art, die sozialparasitisch bei den Serviformica-Arten gründet und sich - im Gegensatz zu Raptiformica sanguinea - nicht einmal selbst ernähren kann.
Jetzt ist Schwärmzeit und ich kenne inzwischen eine Reihe von Nestern. Das Schwärmen geht unspektakulär vor sich: An heißen Tagen, nach dem Höchststand der Sonne, klettern einzelne Geschlechtstiere auf Gräsern in die Höhe und fliegen ab. Weit scheinen sie nicht zu kommen, weil man kurze Zeit später bereits entflügelte Gynen um ihr altes Nest laufen sieht. Sie leben jetzt gefährlich, denn sie werden auch von den ehemaligen eigenen Nestgenossen jetzt als Konkurrenz gesehen. Mit nichts verfährt Polyergus unerbittlicher als mit der Konkurrenz aus der eigenen Art.
Die Königinnen sehen sehr unterschiedlich aus:
1. Es gibt "normale" Jungköniginnen, die Flügel besitzen und ausschwärmen können. Ihre Farbe ist rotbraun/braunrot.
2. Die Ergatogyne ist eine intermorphe Sonderform, deren Funktion bis jetzt scheinbar nicht geklärt ist: Sie besitzen einen Thorax ähnlich wie die Arbeiterinnen, sind flügellos und von Anfang an von knallroter Farbe. Wenn überhaupt - kann es nur eine Begattung im Nest oder an der Oberfläche geben. Zumindest ein Teil dieser Tiere ist nicht begattet!
3. Alle Königinnen machen im Zuge der (erfolgreichen) Nestgründung einen Farbwechsel zu knallrot durch, so wie die Ergatogynen schon vorher gefärbt sind. In einem weisellosen Nest verfärben sich jene Arbeiterinnen, die physogastrisch werden und mit der Eiablage beginnen ebenfalls in auffallend knallrote Individuen. Mir ist nicht bekannt, dass es eine weitere mitteleur. Art gibt, bei welcher so eine Veränderung vor sich geht. Sie dürfte wohl mit der Aktivierung der Eierstöcke zusammenhängen.
1. Vollweibchen mit einem für eine Königin voll entwickelten Thorax
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2. Orangerote Ergatogyne (Intermorphe): Klar zu erkennen: Der schmale Thorax, das große Pronotum, das kleine Mesonotum und das dafür kugelförmig emporragende Propodeum. Kein Platz für eine ausgeprägte Flügelmuskulatur. In der Größe (Länge), in Bewegung und Verhalten sind sie übrigens den "Vollweibchen" ebenbürtig!
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3. Diese rote Ergatogyne stammt aus einem anderen Nest: Die gleichen arbeiterinnenähnlichen Thorax-Merkmale!
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4. Zum Vergleich: Eine Amazone, der Ausdruck "Arbeiterin" wäre falsch. Das ist übrigens die typische Farbe eines Alttieres. Bei jüngeren Tieren ist die Pigmentierung mitunter etwas deutlicher ins Rote gehend, die Gaster ist dann orangerot. Vereinzelt sieht man auch braun-rote Amazonen. Siehe z. B. hier:
http://www.ameisenforum.de/beobachtungen-im-freiland/21747-raubzuege-der-amazonen.html
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5. Die "Vollweibchen" können auch sehr dunkel werden, ändern ihre Farbe aber ebenso (wie oben geschildert!):
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6. Vollweibchen von der Seite gesehen:
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7. Orangerote Ergatogyne von der Seite gesehen:
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8. Rote Ergatogyne von der Seite gesehen:
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9. Die rote Ergatogyne krümmte sich plötzlich und was kam zum Vorschein: Ich glaube, das ist ein Ei! Ob befruchtet oder nicht, wer weiß?
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10. Mit diesen Mandibeln kann man weder eine Nahrung zerteilen, noch aufnehmen. Diese säbelförmigen Werkzeuge sind hervorragend zum Töten geeignet, bei den Arbeiterinnen auch zum Transport der geraubten Puppen.
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Beste Grüße von Boro



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MainMan
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#2 AW: Königinnen der Amazonen

Beitrag von MainMan » 30. Juli 2008, 21:42

Hallo Boro!

Sehr schöner Bericht! Ich habe diese Art bei einem meiner Urlaube in der Ukraine beobachten können. Darauf Aufmerksam geworden bin ich als ich eine riesige Straße gefunden hatte. Sie überquerte einen Ackerweg auf dem ich unterwegs war. Einige Tiere kehrten schon wieder mit Puppen zurück! Die Straße war ca. 8-10m lang und bis zu 30cm breit. Ich schätze es waren so um die tausend Amazonen die dort unterwegs waren! Sehr beeindruckend das zu sehen!

Damals hatte ich aber nur Männchen auf dem Nesthügel laufen sehen, keine Königinnen. Gibt es bei dieser Art auch Nester in denen nur Das eine oder das andere vor kommt (Männchen und Königinnen)?

Gruß MainMan



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#3 AW: Königinnen der Amazonen

Beitrag von Boro » 31. Juli 2008, 17:02

Hallo MainMain!
Bisher hatte ich eigentlich immer beide Geschlechter in den Nestern angetroffen, aber es kann schon sein, dass einmal ein Geschlecht stark vorherrschend ist. Da die Art sehr verstreut und selten auftritt- manchmal gibt es auch weit und breit nur ein Nest- wären eigentlich beide Geschlechter für die Erhaltung der Art vor Ort "notwendig"!
Beste Grüße v. Boro



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maruu
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#4 AW: Königinnen der Amazonen

Beitrag von maruu » 31. Juli 2008, 18:37

Krass, dann waren das Anmazonenameisen hier in west Dänemark, hab mich schon gewundert über solche knallroten meist geflügelten...



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Joachim

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#5 AW: Königinnen der Amazonen

Beitrag von Joachim » 31. Juli 2008, 19:13

Wunderschöne Bilder wie immer, Boro! Wirklich ein Traum, diese Amazonen. Schade nur, dass ihre Verbreitung so eingeschränkt ist.


vG Joschi

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Eaglesword
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#6 AW: Königinnen der Amazonen

Beitrag von Eaglesword » 12. Januar 2009, 11:13

Wer bietet gelegentlich Königinnen an? Wär ja intressant, solch ein Volk bei genug Stärke in geeigneter Umgebung anzusiedeln und zu betreun. Eventuell könnten wir der Art so zu weiterer Verbreitung und Überleben in Deutschland helfen.

Ich hab mal einen großen Zug beobachtet mit folgenden Merkmalen:
Sie sahn fast aus wie Formica rufa, hatten aber auffallend rote Köpfe.
Diese Art bzw. Variante sah ich nur das eine Mal, das war vor 20 (?) Jahren in der Nähe des Dorfes Anzhausen der Gemeinde Wilnsdorf, NRW.



Necturus
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#7 AW: Königinnen der Amazonen

Beitrag von Necturus » 12. Januar 2009, 13:34

Hallo Eaglesword,

Die Art ist so selten (in Deutschland sogar vom Aussterben bedroht), dass ich dringend von jedem Sammeln abrate! Von eigenen "Ansiedlungsversuchen" an nicht natürlichen Standorten mal ganz abgesehen! Um diese schöne Art zu beobachten, bleibt einem nur der Besuch einer Kolonie im Freien.

Was du genau beobachtet hast, könnte ich nur raten. Such mal Informationen zu Raptiformica sanguinea, ebenfalls eine Sklaven haltende Ameise.
Gruß,
Necturus



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Boro
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#8 AW: Königinnen der Amazonen

Beitrag von Boro » 12. Januar 2009, 15:35

Hallo Eaglesword!
Necturus hat Recht, diese Art ist in ganz Mitteleuropa in ihrem Bestand gefährdet. Ich mache genau das, was du hier angesprochen hast: Ich ziehe jedes Jahr mindestens 2 Jungnester heran und setze sie nach Erreichen einer gewissen Volkstärke in geeignete Habitate in der Nähe des Fundortes aus. Nach einigen Fehlschlägen am Anfang mache ich das inzwischen sehr erfolgreich. Aber es ist nicht einfach. Meine diesbezüglichen Absichten und die erforderliche Vorgangsweise habe ich in verschiedenen Berichten zu Polyergus rufescens im Forum deponiert.
Beste Grüße von Boro
P.S.:
Auch zu Formica (Raptiformica) sanguinea hab ich einige Artikel geschrieben:

Angriff von Raptiformica sanguinea - Ameisenforum.de
Raptiformica: Beobachten und erkennen! - Ameisenforum.de



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