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Warum müssen Ameisen Winterruhe halten?

Wo braucht Ihr Hilfe, was an Fragen Eurer Ameisenhaltung möchtet Ihr diskutieren?
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Chrom
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#1 Warum müssen Ameisen Winterruhe halten?

Beitrag von Chrom » 13. April 2010, 20:37

Hallo

Weiss jemand was bei der Winterruhe bei Ameisen eigentlich genau passiert?

Ich stelle mir einfach folgende Frage:
Müssen Ameisen Winterruhe halten weil
(a) ... der Winter sie dazu zwingt?
(b) ... sie diese "Ruhephase" brauchen?


Es gibt ja durchaus viele exotische Ameisenarten die absolut keine Winterruhe halten (müssen), wieso sollten die mitteleuropäischen dann so extrem andere Bedürfnisse haben?


Vielleicht haben sie sich im Laufe der Evolution so entwickelt, dass sie Winterruhe halten können, um über den Winter zu kommen, allerdings gar nicht halten müssen?

Ich hab im Internet ein wenig schlau gemacht, und durchaus Meinungen & Experimente gefunden in denen Lasius niger Ants ohne Winterruhe gehalten wurden, und sich prächtig entwickelt haben.

Was ist eure Meinung dazu?



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christian
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#2 AW: Winterruhe : Ja, Nein?

Beitrag von christian » 13. April 2010, 20:48

Es gibt ja durchaus viele exotische Ameisenarten die absolut keine Winterruhe halten (müssen), wieso sollten die mitteleuropäischen dann so extrem andere Bedürfnisse haben?


Vielleicht haben sie sich im Laufe der Evolution so entwickelt, dass sie Winterruhe halten können, um über den Winter zu kommen, allerdings gar nicht halten müssen?


Das mit der Evelution stimmt Zweifellos- müssen tun sie es aber schon. Sie haben sich - wie du ja auch schon sagst- über Millionen von Jahren an die Winterruhe angepasst. Dabei haben sie eine "Nutzung" des Winters entwickelt- die Erhohlung der "ausgeleierten" Ovarien der Gyne. Hier gab es mal einen interessanten Thread dazu :cool::

http://ameisenforum.de/einsteigerfragen/fragen-zum-formica-winter-t38274.html

denen Lasius niger Ants ohne Winterruhe gehalten wurden, und sich prächtig entwickelt haben.


Das kann ich nicht bestätigen. Vielleicht könntest du mal einen Link reinstellen, wo von sowas berichtet wurde. Wenn das so ohne weieres ginge, würde das mit der Winterruhe mit Sicherheit kaum Jemand machen ;).

mfG
christian



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Maddio

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#3 AW: Winterruhe : Ja, Nein?

Beitrag von Maddio » 13. April 2010, 20:49

Meine Meinung dazu ist, dass sich die einheimischen Arten in jahrhundertelanger Evolution an die klimatischen Begebenheiten angepasst haben. Man sollte die Winterruhe in keinem Fall auslassen.

Sowohl a) als auch b) ist richtig. Der Winter zwingt die Ameisen und andere Insekten zur Winterruhe. Und das sie diese Pause brauchen ist auch offensichtlich. Bei Lasius niger ist es zwar rein technisch möglich die Winterruhe auszulassen, aber spätestens nach einigen Jahren wird es Auffälligkeiten geben. Eingeschränkte Eierproduktion seitens der Königin sind eine Sache, oder es kann zu erhöhten Sterberaten kommen.

Mal ganz von der Theorie abgesehen: Ich persönlich empfinde die Winterruhe als nicht besonders störend. Man hat die Möglichkeit Formicarien und Nester umzubauen bzw. neu zu bauen. Und im Winter kann man auch keine Fliegen etc. als Futter fangen.



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puhjii
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#4 AW: Winterruhe : Ja, Nein?

Beitrag von puhjii » 13. April 2010, 20:53

Hi Chrom,
hier kannst du es nachlesen:
http://ameisenwiki.de/index.php/Winterruhe

Hier nochmal genau ein Zitat aus dem Bericht:
Fast alle Arten verzichten jedoch (sehr zu ihrem Schaden) auf eine Winterruhe, wenn diese nicht durch Temperatursenkung von außen mit angezeigt wird.

Das Zitat soll die nur zeigen, dass sich die Tiere nicht "prächtig" entwickeln können.
Ich habe auch schon öfter gelesen, dass z.B. Lasius niger keine notwendige Winterruhe braucht, und sich auch das erste Jahr "prächtig" entwickelt hat. Aber auch bei denen kommt es nach mehreren Jahren zu Entwicklungseinbußen. Und in den meisten Fällen gehen die Kolonien ein.

Vielleicht kann dir noch jemand mehr darüber erzählen, wenn dir der Beitrag beim Ameisenwiki nicht reicht. (EDIT: haben sie ja schon über mir getan ;) )

gruß puhjii



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Chrom
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#5 AW: Winterruhe : Ja, Nein?

Beitrag von Chrom » 13. April 2010, 20:59

Hi

Hier mal ein Bericht.
http://www.eatenbyinsects.de/ants_Lasius_niger_Winterruhe.php

Nur eine Bitte: Objektiv lesen - und nicht nur das herauspicken was die Meinung bestätigt.

Hier noch etwas: (hier gefunden)

Anlässlich einer PN möchte ich das Thema Winterruhe noch etwas ausbreiten. Da wegen Abwandern der meisten erfahrenen Halter in den letzten zwei Jahren ein Wissensloch entstanden ist, haben sich teilweise übertriebene Vorstellungen eingebürgert.

Zu aller erst: Es ist nur natürlich und nie falsch, von Oktober bis März zu überwintern, und zwar jede deutsche Art.

Es geht aber auch anders. Myrmicinen (vor allem Myrmica) und Camponotus benötigen in jedem Fall Winterruhe. Diese bereiten sich auch von selbst darauf vor, indem im Herbst das Eierlegen und die Verpuppung ausbleibt, sowie die Außenaktivität abnimmt. Ein solches Nest, mit verminderter Aktivität und ausschließlich Larvenstadien, ist für die Winterruhe bereit und sollte auch überwintert werden.

Nun gibt es auch deutsche Ameisen, bei denen sieht es anders aus. Lasius beispielsweise ist eine Gattung, wo die meisten Arten (nicht alle) nicht derart scharf an die Überwinterung gebunden sind. Es gibt Halter, die es "gewagt" haben, ihr Volk nie zu überwintern, und die nach fünf Jahren eine kerngesunde Kolonie hatten, die durch die doppelte Wachstumszeit wesentlich größer waren, als ihre überwinterten Kollegen. Ein Beispiel wäre Kurt Kühne, einer der ersten Ameisenhalter und Lasius niger Halter der Community. Besonders zu Lasius niger existier(t)en viele Daten und Haltungsberichte, de deutlich zeigen, dass die meisten Völker zwölf warme Monate im Jahr dankend annehmen, und auch durchgehend normal Brut aufziehen. Auswirkungen schien es nur auf die Geschlechtstierbildung zu haben. Stark langfristige Folgen einer fehlenden Überwinterung sind natürlich nicht inbegriffen, aber wer schafft es schon, sein Volk über das fünfte Jahr zu bringen?

Ich persönlich bevorzuge bei der Untergattung Lasius s.str. den Mittelweg, also auch bei Lasius niger. Direkt nach der Gründung lasse ich die Überwinterung bleiben. Die Königin ist noch jung und frisch, und besonders mit ein paar zusätzlichen Puppen aus dem Freiland kann die Kolonie im warmen Zimmer durchwachsen, und hat im Frühjahr manchmal schon eine dreistellige Zahl Arbeiter.
Im zweiten Jahr folgt dann die Überwinterung. Und ab dann ebenfalls im zwei-Jahre-Rythmus. Hat sich bewährt, jemand mit gegenteiligen Erfahrungen möge mir gern widersprechen.

Überwinterung birgt in der Haltung viele Gefahren. Wie oft ertrinken oder vertrocknen Kolonien im Haltungsnest? Ich halte die Risiken einer Überwinterung besonders bei der Gattung Lasius und besonders bei noch kleinen Kolonien für ungleich höher, als die Risiken einer fehlenden Überwinterung.

Kleiner Nachtrag: Sollte sich das Lasius Volk vorbereiten, wie für die Myrmicinen oder Camponotus beschrieben, heißt also nur Larvenstadien, verminderte Aktivität, langsames Ausbleiben des Eierlegens, dann sollte man selbstverständlich die Zeichen deuten, und das Volk gemächlich in die Kälte schicken.
@puhjii - Danke - lese ich mir nacher in Ruhe durch.



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Streaker87
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#6 AW: Winterruhe : Ja, Nein?

Beitrag von Streaker87 » 13. April 2010, 22:39

Nabend!

Kurz vorweg: Gleich könnte etwas falsch verstanden werden ;)

Ich halte zur Zeit nur Lasius niger und bin in der aktiven, praktischen Haltung auch noch ein Neuling. Lasius niger laufen hier zu Hauf rum, da hätte ich kein Problem mit einer Kolonie den Versuch zu starten, die Winterruhe durchzumachen.

Allerdings sind mir andere Arten und das sind viele, wenn nicht sogar die meisten, "zu schade". Camponotus ligniperda z.B. ist eh ein Sonderfall wegen dem endogenen Rhythmus, wie bereits angesprochen. Das grenzt fast schon an Rassismus ;)

Außerdem muss man immer vom Betrachter ausgehen, jeder hat eine andere "Plage" vor seiner Haustür. Aber ich würde es dennoch nicht ausprobieren. Eventuell an der Uni, wenn es ein wissenschaftliches Projekt in der Arbeitsgruppe wäre (Stichwort: verfeuern), aber nicht als "einfacher Halter".

Ich weiß, die Warterei kann nerven, aber ich habe jetzt selbst 5 Monate ausgeharrt (die 4,5 Jahre nicht mitgezählt), bevor ich mir eine "einfache Kolonie Lasius niger" zugelegt habe; also mich kann die Winterruhe nicht schocken. Die Zeit hab ich mit Basteln verbracht, jeden Tag kommt man da ja auch nicht zu.

Wenn ich ehrlich sein soll, wer seine Kolonie ohne Winterruhe halten will, soll's tun, aber mich damit bitte in Ruhe lassen. Diskussionen rund um das Thema sind bekannt und einzelne Ergebnisse nicht repräsentativ, daher auch von meiner Seite keine Schlafentzug-Experimente. Das einzige was hier versucht wird, ist das Gewissen zu beruhigen, aber im Endeffekt hat man eh keinen Einfluss auf das Handeln anderer Leute.

gruß




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Boro
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#7 AW: Warum müssen Ameisen Winterruhe halten?

Beitrag von Boro » 14. April 2010, 09:36

Hallo Chrom!
Die Antwort auf deine Frage ist eigentlich einfach: Wenn du dich der artgerechten Tierhaltung annähern willst, wirst du jene Maßnahmen setzen, an welche sich Tiere jedenfalls seit der letzten Glazialzeit anpassen mussten und das ist immerhin ein Zeitrahmen von etwa 12000 Jahren. Da hatten unzählige Generationen von Arten Zeit, sich den Unbilden der mitteleuropäischen Klimaregionen durch Anpassung(Auslese) zu stellen.
So gesehen ist es nicht relevant, ob im Rahmen irgendwelcher Versuche nachgewiesen wurde, dass man diese oder jene Art doch völlig abgekoppelt von den natürlichen Verhältnissen aufziehen, halten und vielleicht züchten kann.
L.G.Boro



Imago
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#8 AW: Warum müssen Ameisen Winterruhe halten?

Beitrag von Imago » 14. April 2010, 13:34

Hallo!

@puhjii:
Ich habe auch schon öfter gelesen, dass z.B. Lasius niger keine notwendige Winterruhe braucht, und sich auch das erste Jahr "prächtig" entwickelt hat. Aber auch bei denen kommt es nach mehreren Jahren zu Entwicklungseinbußen. Und in den meisten Fällen gehen die Kolonien ein.
Das ist eine von den Forenlegenden, welche immer wieder von Neulingen und Einsteigern gerne verbreitet werden. Diese Sätze liest man oft, da sie gerne versuchen Kompetente Antworten zu geben. Letztendlich zeugen diese Antworten leider von reiner Inkompetenz, zumal dem Gegenüber völliger Quark vermittelt wird.

Wahrscheinlich hast Du es von jemandem gelesen, der es von jemandem gelesen hat... aber representative Berichte/Ergebnisse existieren nicht!

Heimische Ameisen sind an die Winterruhe gebunden, selbst die... in diesem Thread und gerne als: Ich lass die ohneWinterruhevorzeigeLasiusnigerameise diesen Winter warm ÜBERWINTERN! ...Lasius niger Ameise unterliegt zum Teil dem endogenen Rhythmus, da manche Völker dieser Art die Winterruhe endogen einleiten, verändern sich die exogenen Parameter dann im natürlichen Ablauf, wird die Winterruhe abgehalten.

Ich habe jedoch schon mehrere Lasius niger gründer Gynen warm überwintert bei ca. 18°C. Die Gynen gingen trotz allem in die Winterruhe mit der Brut im Larvenstadium.

Hier noch mal ein Link, um das gesamte Thema noch einmal zu unterstreichen:

<KLICK>

Und auch möchte ich noch einmal deutlich erwähnen:

Meinungen sind in Foren natürlich gerne gelesen. Meinungen sind aber nicht immer identisch mit der realistischen Ablauffolge und finden in fest gesetzten Abläufen wenig Spielraum und sorgen oft nur für Verwirrung.

Auch wenn es in der Welt der Ameisen noch vieles zu entdecken gibt, vieles noch unerforscht ist etc. macht es doch wenig Sinn Jahrtausende evt. Jahrmillionen alte bewehrte Technicken in Frage zu stellen. Experimentieren kann man nicht in diese Richtung im Sinne von fundierten Ergebnissen ohne hunderte Gynen einer Art über mehrere Winter aus verschiedenen Regionen zu begleiten.

Nicht nur heimische Arten legen eine Diapause ein, evtl. sogar alle Arten. Die meisten tun es aber sicher. Es gibt immer eine Hochproduktionsphase und eine Tiefproduktionsphase. Keine Kolonie läuft 365 Tager im Jahr auf 100% Produktion.

Ob diese Diapause nun eingelegt wird um Hitze, Kälte etc. zu überstehen, oder das sich der Organismus erholen kann, ist aus dem Standpunkt aus betrachtet relativ.

Heimische Arten halten Winterruhe um temporär Insektenfeindliche geographische Standpunkte erschließen zu können!

Es handelt sich um eine ausgeklügelte evolutionäre Entwicklung der Natur. Ohne die Winterruhe wäre es für viele Insekten nicht möglich diese Breitengrade zu bereichern.

LG Imago



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