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Leistungsdruck in der Gründung

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
DermitderMeise
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#1 Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von DermitderMeise » 19. Februar 2012, 16:46

Hallo alle,
seit einiger Zeit fällt mir auf, dass sich eine Schein-Sicherheit breit macht, was eine Königin/Kolonie bei der Gründung zu leisten hat, beispielhaft
- Lasius niger hat noch im selben Jahr zu gründen, und zwar mit mindestens xy Arbeiterinnen.
- Wenn Formica fusca nicht noch im gleichen Jahr Eier legt muss man sie beim Shop reklamieren. (was wohl Quark ist, denn F. f. scheinen zumindest überwiegend erst im nächsten Jahr mit der Gründung zu beginnen)
- verzweifelte Messor-Halter, die schon alles versucht haben, ihre Königin noch unbedingt vor der Winterpause zur Eiablage zu bringen, was ebenfalls unsinnig ist.
und an einem konkreten Beispiel festgemacht (geht nicht gegen dich, Gaster, der Beitrag war nur gerade zur Hand):
Gaster hat geschrieben:Hallo Kryolan,

ein Shop, der jetzt Lasius niger mit 3-5 Arbeiterinnen anbietet, verkauft Schrott. Gründende Königinnen aus dem letzten Jahr haben deutlich mehr Arbeiterinnen. Du solltest also mindestens eine Kolonie mit 11-25 Arbeiterinnen nehmen, falls du nicht bis zum Schwarmflug warten möchtest.


Es mag sein, dass das bei vielen der Fall ist, aber eben lange nicht bei allen. In meinem Gründungsversuch mit >60 Königinnen hat keine einzige mehr als 10 Arbeiterinnen vor der Winterruhe gehabt. Mehr als die Hälfte der gründenden Kolonien hatte keine Arbeiterinnen, nur Larven. Das ist auch nicht weiter problematisch, denn von Lasius n. ist bekannt, dass die Gründung auch ganz regelhaft im nächsten Jahr stattfinden kann.

Dass Gründung ein hochvariabler Vorgang ist und von sehr vielen unvorhersehbaren Dingen (Wetter, genetische & physiologische Ausstattung der Königin...) abhängt brauche ich hier niemandem zu sagen. Mir erschließt sich nur nicht wirklich, warum dann dabei so handfeste Zahlen im Sinne von "Leistungsvorgaben" genannt werden, ohne dass diese eine solide Basis haben. Ich würde mich daher freuen, wenn wir diesen Punkt in Zukunft etwas differenzierter angehen können.
Was meint ihr?



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NIPIAN
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#2 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von NIPIAN » 19. Februar 2012, 17:00

Während des Lasius niger-Experiments sind bei 12 Gynen zwischen 8 und 19 Pygmäen mit dem ersten Gelege geschlüpft. Gynen ohne Entwicklung von Ergaten sind bei mir nicht vorgekommen. 1 Gyne ist während des Experiments verstorben.



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#3 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von DermitderMeise » 19. Februar 2012, 17:12

Das ist schön, sagt mir in Bezug auf meinen Wunsch/Vorschlag aber recht wenig. :)



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NIPIAN
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#4 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von NIPIAN » 19. Februar 2012, 17:28

Die Aussage von Gaster ist im Falle der vorliegenden Zahlen für Lasius niger nicht ganz von der Hand zu weisen. 12 Gynen als Beweisgrundlage sind nicht die Welt, allerdings fallen 3 - 5, bzw. gar keine Pygmäen im Gegensatz zu 8 - 19 durchaus auf.

Von meiner Seite her sollte die Aussage eher lauten, dass die angebotenen Völker zumindest Pygmäen hervorgebracht haben sollten, bevor man zuschlägt.



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#5 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von DermitderMeise » 19. Februar 2012, 18:25

Danke, damit kann ich schon deutlich mehr anfangen! :)

NIPIAN hat geschrieben:nicht ganz von der Hand zu weisen

scheint mir eine Wusel-Formulierung zu sein, Nipian. ;) Sie sind von der Hand zu weisen, weil sie nicht auf die Gesamtheit der gründenden Gynen zutreffen; und zwar nicht nur auf einen verschwindend geringen Teil nicht, sondern auf einen erheblichen (wahrscheinlich stark abhängig vom Ort des Vorkommens). Ich habe gerade keine Lust zu gucken was Seifert zu L. n. schreibt, doch vor ihm haben andere Forscher (Eidmann & weitere um die vorletzte Jahrhunderwende meine ich) mehrfach Gynen gemeldet, die ganz regulär erst im nächsten Jahr gründeten; sowohl in Haltung als auch draußen gefunden. Mein Verdacht ist, dass diese interessanten und wichtigen Ergebnisse in Vergessenheit geraten sind, denn das ist eben ein Thema von verschwindend geringer/m Forschungsintensität und -interesse. Was die Ergebnisse der "Alten" aber nicht unwahrer macht. In Frage stellen möchte ich auch gar nicht, dass eine Kolonie von z. B. Lasius niger im Mai definitiv Arbeiterinnen haben sollte; doch warum muss sie es vor dem Wintereinbruch? Warum darf die natureigene Variabilität da nicht sein?

Von meiner Seite her sollte die Aussage eher lauten, dass die angebotenen Völker zumindest Pygmäen hervorgebracht haben sollten, bevor man zuschlägt.

Auch das nicht; in meinem Versuch haben grob 2/3 der Gynen (40 Stück an der Zahl) im Herbst nur Larven gehabt. Diesen Herbst habe ich zum ersten Mal eine gründende Lasius-Königin draußen gefunden; die hatte auch nur überwinterungsfähige Larven vorzuweisen. So könnte man es wahrscheinlich für Tiere aus einer definierten Region sagen, aber nicht pauschal für alle.

Dass sich innerhalb einer Art breit gestreute "Verhaltensweisen" (Reaktionsnormen, gleich ob geno- oder phänotypischer Natur) finden können ist kein Geheimnis. Ich weiß nur nicht, warum es als solches behandelt wird; ich denke ich werde mir dazu eine Verschwörungstheorie ausdenken, damit dieses Thema endlich die nötige Beachtung bekommt, jawoll! :D



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NIPIAN
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#6 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von NIPIAN » 19. Februar 2012, 18:44

Wir schreiben bislang nur über Lasius niger.

scheint mir eine Wusel-Formulierung zu sein, Nipian.
Ich habe die Stimmigkeit deiner Argumentation mit einbezogen. Ansonsten hätte ich dich mit der Formulierung klar ausgegrenzt. Ich bin bislang noch immer der Meinung, dass 3-5 Pygmäen zu wenig sind und kann andere Zahlen vorweisen. Die Formulierung soll deine Behauptung mit einbeziehen. So kommt es zur verbalen Relativierung.

Auch das nicht; in meinem Versuch haben grob 2/3 der Gynen (40 Stück an der Zahl) im Herbst nur Larven gehabt.
Was für ein Versuch ist das gewesen? Den habe ich nicht mitbekommen.

Laut Seifert 2007 schwärmen Lasius niger ein bis zwei Mal pro Jahr. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass diese Art ebenfalls im Gründungsjahr lediglich mit Gyne und Larven überwintert.
Damit stellt sich dennoch die Frage, wie es in zu einer Diskrepanz von 3-5 zu 8-19 Pygmäen kommen kann. Da passt etwas zahlenmäßig nicht. Die Entwicklung zur Pygmäe/Ergate erfordert Puppen - diese überwintern nicht. Also müssten sich entweder mehrere Larven nicht weiterentwickelt haben, demnach eine klare Trennung erfolgt sein, oder die "Spätzünder des Schwarmfluges" haben generell ein anderes Entwicklungsschema bezüglich der Anzahl an Pygmäen oder der Brut allgemein (Überwinterung nur mit Larven). Wir benötigen die Schwarmflugdaten der Gynen, die lediglich 3-5 Pygmäen hervorgebracht haben.

Schwierig ist dein aufgezählter Einzelfall zu beurteilen. Wie kannst Du sicher sein, dass sie begattet ist, oder keine anderen "Probleme natürlicher Art" hatte?



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Ossein
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#7 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von Ossein » 19. Februar 2012, 19:13

Es gibt doch zwei Dinge, die bei dieser Fragestellung von Dir, DmdM, eine Rolle spielen:

Zum Einen bin ich Deiner Meinung, dass hier der Variabilität der Gründungen von Lasius niger nicht genügend Rechnung getragen wird. Es ist immer wieder von dem Verhalten berichtet worden, dass sie erst nach der Überwinterung Pygmäen hatten, zum Teil, ich meine bei Eidmann, ist mit dem Eierlegen erst nach der Überwinterung begonnen worden. Lasius niger wird sich in den 80 Jahren nicht verändert haben, wobei evtl. auch klimatische Veränderungen, veränderte Ökologie aus anderen Gründen, eine Tendenz zur früheren Gründung beförderten.
Wie dem auch sei - was wissen wir über den Gesundheitszustand der Gynen, die es so taten, und was über ihre Überlebenschancen - immerhin scheint mir eine so späte Gründung im Frühjahr ein paar eindeutige Nachteile zu haben.

Andererseits finde ich es sehr ehrlich, wenn Shops eben das verkaufen, was sie anbieten - und dann ist es auch unsererseits wieder vollkommen in Ordnung zu empfehlen, eine Kolonie mit mehr Pygmäen zu nehmen, da diese eher annehmen lässt, dass die Gyne gesund und putzmunter ist.

Denn, wie gesagt, dass so eine späte Gründung vorkam ist, die alte Literatur hinzuziehend, kaum im Zweifel, aber wofür diese Gründungen Anzeichen waren, bzw. welchen Zweck sie haben, ist noch vollkommen unklar.

Bei den 19 Lasius niger Gynen die ich 2011 gründen ließ, gehe ich von einem Durchschnitt von ca.12 überwinternden Pygmäen aus - aber auch eine war darunter, die es nur auf 5 gebracht hat und deutlich später Eier gelegt hat, als alle anderen.

LG, Ossein.



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#8 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von DermitderMeise » 19. Februar 2012, 19:56

Guten Vorabend!
NIPIAN hat geschrieben:Wir schreiben bislang nur über Lasius niger.
Was bedeutet diese Aussage?
Ich beziehe die Aussage, dass sich Lebewesen nicht an Zahlenvorgaben halten durchaus auf alle, wo so eine Variabilität auftritt; seien sie nun normal- oder sonst irgendwie verteilt.
und kann andere Zahlen vorweisen.
Was spricht dann dagegen die verschiedenen Daten unter einen Hut zu bringen? Es kann ja sowohl so als auch so gehen.
Was für ein Versuch ist das gewesen? Den habe ich nicht mitbekommen.
Huch?!? klick! Verlinkt in der Diskussion und wahrscheinlich auch an anderen Orten; fand statt Sommer bis Herbst 2007.
Laut Seifert 2007 schwärmen Lasius niger ein bis zwei Mal pro Jahr. Damit ist die Möglichkeit gegeben, dass diese Art ebenfalls im Gründungsjahr lediglich mit Gyne und Larven überwintert.
Die Möglichkeit ist auch unabhängig von der Schwärmhäufigkeit gegeben, wenn die Bedingungen einfach so nicht reichen. Ich vermute stark, dass das je nördlicher desto normaler ist.
Damit stellt sich dennoch die Frage, wie es in zu einer Diskrepanz von 3-5 zu 8-19 Pygmäen kommen kann.

Die stellt sich, ist aber ohne vernünftige Datengrundlage nicht zu beantworten. Sie berührt auch nicht das Faktum, dass solche Schwankungen natürlichermaßen regelhaft auftreten (um das es mir hier im Wesentlichen geht).
oder die "Spätzünder des Schwarmfluges" haben generell ein anderes Entwicklungsschema bezüglich der Anzahl an Pygmäen oder der Brut allgemein (Überwinterung nur mit Larven).
In die Richtung gehen meine Vermutungen. Wobei es eben nicht unbedingt zwei oder x verschiedene Entwicklungsschemen geben muss, sondern vielleicht "nur" eine breite Variabilität.
Schwierig ist dein aufgezählter Einzelfall zu beurteilen. Wie kannst Du sicher sein, dass sie begattet ist, oder keine anderen "Probleme natürlicher Art" hatte?
Sicher kann ich insofern sein wie dies bei anekdotischen Einzelbeobachtungen möglich ist, nämlich im Rahmen aller Unsicherheiten; damit erübrigt sich diese Frage eigentlich. ;) Das kann ich hoffentlich im späten Frühjahr sagen, dann wenn die Arbeiterinnen geschlüpft sind - ich habe sie mitgenommen um zu gucken wie sich das weiterentwickelt, z. Zt. liegt sie noch in der Überwinterungsbox. Der letzte Spätsommer & Herbst war hier relativ kühl, soweit miene Empfindung mich nicht betrügt.

edit: @Ossein
Ossein hat geschrieben:Andererseits finde ich es sehr ehrlich, wenn Shops eben das verkaufen, was sie anbieten - und dann ist es auch unsererseits wieder vollkommen in Ordnung zu empfehlen, eine Kolonie mit mehr Pygmäen zu nehmen, da diese eher annehmen lässt, dass die Gyne gesund und putzmunter ist.
Da stimme ich dir zu. (mit der Ausnahme des Pushens, was aber nichts mit der eigentlichen Diskussion zu tun hat)
Bei den 19 Lasius niger Gynen die ich 2011 gründen ließ
Interessant! Bei mir waren es wie gesagt 2/3 nur mit Larven, knapp 1/3 hatte Arbeiterinnen, derer 1-9 an der Zahl.



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