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Einheimische Arten haben nichts drauf?

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Erne
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#1 Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von Erne » 25. März 2017, 00:01

Einheimische Arten haben nichts drauf?
Wenn das „Ego“ eines Ameisenhalters öffentlich glänzen soll, trift das wohl zu, jedenfalls wenn es nach um Beifall geht, den exotische Arten in den Foren einheimsen.
Für mich läuft da richtig was schief.

Ameisenhaltung, Ameisenbeobachtung ist nicht davon geprägt, wir groß, bunt oder Sonst was Ameisen sind.

Stelle die Behauptung auf, das Möchtegernhalter, die sich in den Foren profilieren wollen, viel Geld ausgeben, um mit ausgefallenen Arten zu glänzen, auch wenn sie sonst von Ameisenhaltung keine Ahnung haben.
Einsteiger die gerne über ihre Haltung berichten, keine Beachtung mehr finden?

Für mich besorglich, fast schon deprimierend, das Halter die Basisarbeit machen und mit einheimischen Arten, aufzeigen, wie Ameisenhaltung geht, unter gehen.

Halter die mit seltenen Arten in die Foren kommen, gleich besonders kompetent gewertet werden.
Für mich die Fragestellung, geht es in den Foren noch um Informationen zur Ameisenhaltung oder sind wir bei einem Schaulaufen angekommen, wer hat die angesagteste Art in der Haltung?

Sicherlich ist mein Text etwas provokativ, wie seht Ihr diese Entwicklung?
Bin ich auf dem falschen Gleis, ist das möglicherweise erforderlich um in den Foren zu punkten?

Grüße Wolfgang
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Serafine

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#2 Re: Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von Serafine » 25. März 2017, 01:02

Prinzipiell sehe ich da eine gewisse Tendenz, was wohl unserer Zeit und der Selbstdarstellung im Internet geschuldet ist. Der Altersdurchschnitt vor allem im englischsprachigen Raum ist mittlerweile auch ziemlich niedrig und da sind dann auch einige verwöhnte Rotzlöffel dabei für die Ameisen so eine Art sechsbeinige Chinpokomon sind (die meisten sind aber doch ziemlich vernünftig).

Anderseits sind auch bestimmte Arten außergewöhnlich beliebt, weil sie sehr praktische Eigenschaften vereinen - als Paradebeispiel ist mir da in letzter Zeit vor allem Camponotus nicobarensis aufgefallen, die alle Vorteile von Camponoti besitzen (recht groß, hübsch anzusehen, kann bei Raumtemperatur und -feuchtigkeit gut leben) aber die oft als Nachteil angesehenen Merkmale eben nicht (keine Winterruhe, Koloniewachstum nicht so ewig lahm wie bei anderen Camponoti).

Ich mag unsere einheimischen Arten, vor allem die Camponoti, und wäre ich nicht per Zufall meine C. barbaricus gekommen (jemand hatte eine Kolonie bestellt und im Päckchen waren dann zwei), wären es herculeanus, ligniperda oder vagus geworden.



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Harry4ANT

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#3 Re: Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von Harry4ANT » 25. März 2017, 02:00

Ein großes Problem der einheimischen Arten ist natürlich die Winterruhe.
Gerade in der kühlen Jahreszeit ist man tendenziell mehr zu Hause und könnte sich besonders kümmern, beobachten &/oder einen sorgfältigen HB verfassen und dann ist halt tote Hose ...

Die andere Geschichte bzgl. exotischer Arten und der Profilierung in den Foren liegt natürlich zum einen in der Natur des Menschen (man will zeigen was man hat) und zum anderen wohl in der Entwicklung der Präsens der Ameisenhaltung allgemein.
Vor 20 Jahren (oder noch weiter zurück) gab es nur wenige Halter, viele davon Forscher, Professoren, Zoologen ...einige wenige rein private Halter. Diese wohl zu 100% seriöse Liebhaber.

Heute ist Ameisenhaltung längst zum trendy Hobby für jedermann geworden, Tendenz weiter steigend (durch TV, Youtube, Foren, diverse Ameisenshops, Messen, usw.) mit allen Vor- und Nachteilen.



nortorn

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#4 Re: Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von nortorn » 25. März 2017, 09:11

Für mich ist die Winterruhe kein Argument sich eine exotische Ameisenart auszusuchen.

Meine Camponotus ligniperdus kommen jedes Jahr schon im Januar aus der Winterruhe, werden dafür natürlich früher kühl gestellt, so im August.
Sie ziehen jetzt shon die 2te Generation dieses Jahres auf.

Im Februar kommen dann die Myrmica und bleiben bis Oktober aktiv.

Streng genommen beläuft sich die Winterruhe bei mir also nur auf 3 Monate. Diese Zeit nutze ich um die neuen Anlagen für die gewachsenen Kolonien zu planen und zu bauen.
Weil ich immer daran interessiert bin, über meine gehaltenen Arten mehr zu lernen, mache ich nebenbei kleine Experimente um ihre Sinne und Verhaltensweisen zu testen.
Auch diese plane ich während der Winterruhe.

Manche Einsteiger neigen dazu, zu schnell zu viel zu wollen, wenig später liest man dann wieder von einem absterbenden Pilz oder Milben im feuchten Formicarium.
Es gibt sicher auch Einsteiger die alles sorgfältig überdenken und planen und schließlich mit einer exotischen Art viel Freude und Erfolg haben. Da darf man nicht pauschalisieren.

Vielleicht bin ich ein Romantiker, aber auch viele Formica sind polygyn, aggressiv, können gut sehen und sind sehr schnell bei der Brutaufzucht.
Die Klassiker wie die einheimischen Formica, Myrmica und Lasius haben genau so viele interessante Verhaltensweisen wie wohl jede andere Art auch.
Zwecks Haltungsberichten in Foren habe ich mich größtenteils in den englischen Raum verlagert, auch da gibt es Ausreißer, das Klima in der Community ist nach meinem Empfinden aber viel angenehmer und die User sind nicht so versteift auf ihre eigene Meinung und dadurch können beide Seiten viel mehr lernen als in den meisten deutschen Foren.

Die meisten deutschen Foren sind, in deutlichen Abstufungen, größtenteils kommerzialisiert und geistig gleichgeschaltet, auch hier gibt es aber einzelne Foren und User die leider die Ausnahme sind und die Regel bestätigen.

Einige Nutzer halten die deutschen Foren intellektuell am Laufen und bewahren sie vor dem völligen Abstumpfen und Schaulaufen und du, Erne, bist definitiv einer dieser Nutzer. Danke dafür!

Leider nimmt die Sensationsgeilheit überall immer mehr zu, hält man jetzt einheimische oder exotische Ameisen, kauft man einen "umweltfreundlichen" Kompaktwagen oder den protzigen Spritfresser, macht man Urlaub im In- oder Ausland?

Wie gesagt, ich bin wohl eher der Romantiker, für mich ist das alles nicht wichtig. Ich halte gerne einheimische Ameisen und mache gerne Urlaub in Deutschland, am Stammtisch käme eine Story von einer Safari in Afrika aber sicherlich besser an.

Gruß,
nortorn



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Diffeomorphismus
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#5 Re: Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von Diffeomorphismus » 25. März 2017, 09:41

Moin,

ich denke, dass sich die Thematik weitaus komplexer darstellt:

Ganz zu Anfang: Dass einheimische Arten "nichts drauf haben" behauptet wohl niemand, der etwas Ahnung von Ameisen hat. Man nehme zum Beispiel die Sklaven haltenden Formica-Arten - eine absolut faszinierende Lebensweise.

Allerdings ist auch die Ameisenhaltung ein Hobby, dass nicht auf der Stelle tritt, sondern sich weiterentwickelt. Früher, also in der Zeit vor dem Internet, gab es wohl eine weitaus geringere Anzahl von Ameisenhaltern, die eben auch kaum bis gar nicht vernetzt waren. Die Möglichkeiten an nicht-einheimische Arten zu gelangen, waren eigentlich nur auf den Urlaub beschränkt; heute sind sie nur ein paar Mausklicks entfernt. War somit früher eine Kolonie aus fernen Ländern etwas ganz Besonderes, so ist sie heute eher die Regel. Zu einem Zerrbild kann es nun aber kommen, da der Mensch, in nahezu allen Lebenslagen, einerseits zum "Höher, Schneller, Weiter" tendiert, andererseits aber gerne in Erinnerungen an "die gute alte Zeit" schwelgt; früher war eben scheinbar alles besser.

Auch gab/gibt es offensichtlich ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Halter mit einer einheimischen Art, idealerweise Lasius niger, beginnen sollte. Warum? Weil einheimische Arten angeblich einfacher zu halten wären? Jeder weiß, dass das Quatsch ist. Zum Glück sind wir so frei und können die Ameisen halten, die uns gefallen. Einem neuen Halter Geltungsdrang zu unterstellen, weil er nicht mit einer einheimischen Art beginnt, finde ich daher unangebracht. Allgemein präsentiert doch jeder von uns gerne seine Kolonien, toll gestalteten Becken usw. - eine urmenschliche Verhaltensweise.

Und was die Beachtung einheimischer Arten angeht, so muss man doch feststellen, dass es zu ihnen oftmals schon etliche Berichte gibt. Nicht jeder ist gewillt nach dem 10. Lasius niger-Haltungsbericht auch noch einen 11. zu lesen. Man bevorzugt dann wohl eher Berichte über Arten, zu denen es kaum bis gar keine Berichte gibt. Daraus ergibt sich aber auch, dass neue Halter das Gefühl haben könnten erst dann wahrgenommen zu werden, wenn sie eine seltene Art halten. Aber vielleicht kehrt sich das auch irgendwann wieder um: Denn wenn alle nur über exotische Arten berichten, sticht eben der aus der Masse hervor, der einheimische Ameisen hält. ;)

Auch finde ich nicht, dass jemand als erfahrener rüberkommt, weil er eine exotische Art hält. Man merkt doch sehr schnell wer Ahnung hat und wer nicht.

Allgemein fände ich es ziemlich befremdlich und oberflächlich Halter nach den gehaltenen Arten zu beurteilen. Einfach mal etwas Toleranz walten lassen: Jeder hält eben die Ameisen, die ihm gefallen und auf die Art und Weise, die ihm beliebt. Und wenn es eine ganz außergewöhnliche und seltene Art sein soll, gönne man sie dem jeweiligen Halter doch einfach und erfreue sich am Haltungsbericht oder ignoriere ihn einfach. ;) Hass und Hetze gab es hier in der Vergangenheit doch genug, überlassen wir das doch aber zukünftig einfach anderen Ameisenportalen.

Abschließend bleibt wohl zu konstatieren, dass Wolfgang nicht ganz Unrecht damit hat, dass man das Gefühl haben könnte, dass einheimische Arten etwas untergehen. Dafür gibt es aber eben auch Gründe, auf die Winterruhe bin ich erst gar nicht eingegangen. Langweilig oder uninteressant sind sie aber mitnichten. Und jeder, der die Ansicht vertritt, sie müssten wieder mehr in den Vordergrund treten, kann einfach dazu beitragen und einen Haltungsbericht verfassen. Aber lassen wir es doch nicht auf ein erneutes Gegeneinander hinauslaufen. Schließlich eint uns alle ein spannendes Hobby und es sollte daher um ein Miteinander gehen. Freuen wir uns doch einfach über die Vielfalt!

Liebe Grüße,
Diffeomorphismus
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Maddio

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#6 Re: Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von Maddio » 25. März 2017, 09:45

Interessante Fragestellung, die du auf den Tisch bringst, Wolfgang.

Ich habe dieses Empfinden i. A. nicht, was wohl daran liegt, dass ich noch nie Trends hinterher gelaufen bin. Ich bin z.B. auch nicht bei facebook, dies war eine Willensentscheidung, und ich habe es nie bereut diesen Schwachsinn nicht mitzumachen (no offence ;)). Dort soll es ja nochmal intensiver in die angesprochene Richtung gehen.

Bei mir ist es nach wie vor so, dass mich von Anfang an die Haltung einheimischer Arten gereizt hat. Ich wollte einfach unbedingt wissen, was diese faszinierenden Tiere, die ich überall draussen finden konnte, in ihren Nestern so treiben. Und ich wollte für sie einen Lebensraum gestalten, und sie immer um mich haben :D.

Als Teenager habe ich meine ersten Erfolge in der Ameisenhaltung gefeiert, und hatte zu dieser Zeit keinen Internetzugang zu Hause. Trotzdem habe ich für mich eine Art Logbuch geführt (ein wirkliches Buch zum anfassen :irre:), und dort meine Haltungsbeobachtungen und Fortschritte festgehalten.

Die Haltungsberichte die ich heute schreibe, sind für mich nichts anderes als ein digitales Logbuch. Wenn ich andere damit unterhalten kann oder Informationen bieten kann, ist das natürlich schön, aber die HBs schreibe ich in erster Linie für mich selbst (ich bin so ein Egoist :baeh:). Ich bin jetzt aber auch schon seit gut 15 Jahren Ameisenhalter, mit kleinen Pausen dazwischen und wenn man die ersten erfolglosen Versuche in der Kindheit nicht mitzählt. Bin also keiner, der nur mal reinschnuppert und dann wieder in der Versenkung verschwindet.

Erne hat geschrieben:Für mich die Fragestellung, geht es in den Foren noch um Informationen zur Ameisenhaltung oder sind wir bei einem Schaulaufen angekommen, wer hat die angesagteste Art in der Haltung?


Ich würde mich freuen, wenn es mehr langjährige Berichte über einheimische Arten gibt. Mehr Berichte darüber, wie Halter einen langen Weg mit ihren einheimischen Kolonien gehen, bis es hunderte Ameisen sind, der Platzbedarf immer mehr steigt und Erweiterungen nötig werden. Und mehr Geschichten über sozialparasitäre Gründungen, welche bei unseren einheimischen Arten so häufig sind.

Das sind für mich die Fälle die hinausstechen und die Anerkennung verdienen, und nicht wenn jemand bei einem Shop auf einen Button drückt und die neueste Exotenart vor die Haustür geliefert bekommt.



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#7 Re: Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von trailandstreet » 25. März 2017, 09:54

Durch den steigenden Trend werden natürlich Neulinge besonders auf die Exoten aufmerksam, die gerade wie die Ponerinen besonders groß werden und nebenbei recht aktiv jagen oder auch die meist nur massenhaft auftretenden Pheidole, die ihre Beute meist durch schlichtes Überrennen erlegen.
Viele lassen sich wohl oft mehr davon blenden als inspirieren und wollen dann auch recht schnell und recht viel mit zwar guter Ausstattung, weil ja heutzutage einfach verfügbar, aber leider nur wenig oder keiner Erfahrung.
So gehen auch viele Anfangshaltungsberichte dadurch zu Ende.

Mit der Biologie der Ameisen beschäftigen sich nur die wenigsten. Wenn man auf Facebook nachschaut wohl kaum. Diejenigen, die sich damit auskennnen, das sind eher die, die sich auch hier in den Foren bewegen.
Sonst wäre es kaum erklärbar, warum Unmengen an Futter gegeben werden, die Ameisen möglichst gleich und sofort in das viel zu große Nest umgesiedelt werden müssen usw usw.

Was die Winterruhe der heimischen Arten angeht, da fällt mir auf, dass gerade zum Ende des Winters die meisten drauf kommen, dass sie Ameisen halten wollen. Das kann man jetzt sehen, wie man will. Für den Schwarmflug ist es genauso zu spät wei zu früh. Das ist wohl auch der Grund, warum die Shops so boomen. Die haben nämlich jetzt kleine Gründervölker oder Gynen.
Ein weiterer Faktor ist wohl die Zeit. Die Leute werden immer ungeduldiger wie mir scheint. Da müssen schon erst mal die Ameisen sofort her, dann sollen sie auch gefälligst gleich nach Anreise richtig fressen und nebenbei auch gleich mal in das neue Nest umziehen.
Man liest eigentlich kaum Berichte, bei denen sich jemand tatsächlich eine Gyne fängt und ihre Gründung von Anfang an beschreibt, alle kaufen sich jetzt welche.

Wenn ich hier aber meine Lasius niger oder Formica cunicularia beobachte, kann ich da kaum einen Unterschied zu einer exotischen Art etwa gleicher Größe feststellen. Manchmal hab ich sogar den Eindruck, die gehen bei ihrer Rekrutierung noch aggressiver vor.
Bei den kleinen Temnothorax bin ich doch aber auch immer wieder erstaunt, dass sie bis zum Sommer ihre Koloniegröße scheinbar verdreifachen und hier Geschlechtstiere aufziehen. Nebenbei sieht man sie ja auch kaum furagieren, aber an einer Fliege sind dann schon mal eine handvoll Arbeiterinnen zu sehen.

Im Grunde ist es ja doch eher ein Hobby, das vom Minimalismus lebt und nicht das große Showbusiness.



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#8 Re: Einheimische Arten haben nichts drauf?

Beitrag von Serafine » 25. März 2017, 11:42

Diffeomorphismus hat geschrieben:Auch gab/gibt es offensichtlich ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Halter mit einer einheimischen Art, idealerweise Lasius niger, beginnen sollte. Warum? Weil einheimische Arten, angeblich einfacher zu halten wären? Jeder weiß, dass das Quatsch ist. Zum Glück sind wir so frei und können die Ameisen halten, die uns gefallen. Einem neuen Halter Geltungsdrang zu unterstellen, weil er nicht mit einer einheimischen Art beginnt, finde ich daher unangebracht. Allgemein präsentiert doch jeder von uns gerne seine Kolonien, toll gestalteten Becken usw. - eine urmenschliche Verhaltensweise.

Diese Fixierung auf Lasius niger halte ich auch für totalen Unfug. Die Art gilt nicht als ideale Starterspezies weil sie besonders einfach zu halten ist, sondern schlicht aufgrund ihrer überwältigenden Verbreitung und Verfügbarkeit. In Prä-Internet-Zeiten musste man Camponotus oder Messor erstmal finden, was je nach Wohnort fast unmöglich war, Lasius niger gibt es aber bei praktisch jedem im Garten und wenn die Schwarmflug haben ist es schwieriger die Jungköniginnen NICHT in die Wohnung zu bekommen als sie einzufangen.

Ich kenne viel mehr Leute die mit Lasius niger Probleme hatten, als Leute die z.B. mit Lasius flavus, Tetramorium sp, Camponotus sp oder Messor sp angefangen haben. Das kann natürlich auch daran liegen, dass die sich mehr Gedanken über die Artwahl und damit auch über die Haltung und Bedürfnisse ihrer Kolonie gemacht haben, aber nach allem was ich über Lasius niger gelesen habe (selbst noch keine gehalten) scheint auch diese Art ihre Tücken zu haben.

trailandstreet hat geschrieben:Sonst wäre es kaum erklärbar, warum Unmengen an Futter gegeben werden, die Ameisen möglichst gleich und sofort in das viel zu große Nest umgesiedelt werden müssen usw usw.

Also ich überfüttere meine Ameisen auch (leicht), aber wenn die nichts mehr wollen lassen sie es liegen daher ist das ja kein Problem. Ist besser als sie zu unterfüttern.

Ein Problem mit dem "muss schnell ins Nest" ist aber auch, dass jedem Anfänger empfohlen wird sich gleich Nest und Arena zuzulegen - gerade bei Camponotus und Messor kann man aber für das erste Jahr (evtl. sogar die ersten beiden Jahre) eigentlich komplett auf das Nest verzichten (oder nur ein Mininest kaufen und das einfach in einen Plastikcontainer stellen). 50 Camponotus passen auch in ein großes RG und bei denen hat man sogar noch den Vorteil dass sie das Nest ggf sogar selbst ausreichend befeuchten (bzw. bei Raumfeuchte leben) können.

trailandstreet hat geschrieben:Man liest eigentlich kaum Berichte, bei denen sich jemand tatsächlich eine Gyne fängt und ihre Gründung von Anfang an beschreibt, alle kaufen sich jetzt welche.

Also im englischsprachigen Raum kommt das sehr oft vor.
Das hat aber wohl auch was damit zu tun, dass wenn man im Shop ein kleines Volk kauft man sicher gehen kann dass die Königin befruchtet ist, in der Lage ist Nachkommen aufzuziehen und ein kleines Volk selbst mit 2 Arbeiterinnen auch allgemein einfach viel größere Überlebenschancen hat. Wenn ich mir die Sterblichkeitsrate z.B. bei Solenopsis invicta anschaue, dann müssen da selbst erfahrene Halter 10-12 Jungköniginnen fangen (nicht dass das bei S. spamvicta ein Problem wäre) damit sicher eine die Gründungsphase überlebt.

trailandstreet hat geschrieben:Im Grunde ist es ja doch eher ein Hobby, das vom Minimalismus lebt und nicht das große Showbusiness.

Vor allem auch von Geduld, gerade am Anfang und wenn man größere Ameisen hat (wobei sich wenn die Kolonie groß ist ja auch nichts mehr drastisch ändert, da ist die Gründungsphase eigentlich aufregender).
Bin nur froh dass ich jetzt ein definitiv ausbruchsicheres (und endgültiges) Setup hab, da ist das warten nochmal viel entspannter.



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