Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
- christian
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#1 Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
Heyho,
nach langer Zeit nochmal ein Post von mir.
Mich frustriert beim Bestimmen von Ameisen irgendwie immer, dass es einen gewissen "Spielraum" gibt, man oft die taxonomischen Hinweise nicht absolut präzise einer Art zuordnen kann- es ist ja selten mal so, dass man wie bei der Unterscheidung Manica- Myrmica einfach nach dem Dorn schauen muss. Da ich im Zusammenhang mit meinem Studium in den letzten Jahren viele chemische Analyseverfahren kennen gelernt habe, habe ich mich gefragt, ob man eine taxonomische Untersuchung nicht vielleicht mit einer (Elementar-)Analyse der ganzen Ameise oder z.B. deren Panzer, Beine etc. vornehmen könnte. Dort könnten sich diverse Unterschiede durch zum Beispiel Ernährung oder bevorzugtem Bodenchemismus manifestieren, die so doch mit großer Wahrscheinlichkeit evolutiv verwurzelt hätten. Wegen der extrem präzisen und genauen Analysemethoden, die teilweise durchaus atomar auflösen können, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass man damit Ameisen sehr gut voneinander unterscheiden kann. Natürlich bräuchte man dafür ein Labor mit ner Ausrüstung für 10 Millionen aufwärts (:D), die es aber an meiner Uni gibt.
Ich habe dann mal recherchiert und das haben tatsächlich Leute gemacht- in diesem Fall mit einem Massenspektrometer. Dazu gab es einen Artikel von 2012 auf Sciencedirect, wo verschiedene Myrmica Arten so auseinander gehalten wurden (konkret sabuleti und scabrinodis). Auf Sciencedirect könnt ihr nur den abstract lesen, den ganzen Artikel könnt ihr auf scihub (illegal) herunterladen. In dem Artikel schreiben die, dass so eine Methode bis dahin noch nicht angewendet wurde. Ich komme eigentlich aus der anorganischen (Festkörper-)Chemie und kenne mich nicht so mit den Problemen aus, die man da bei der Analyse von organischen Proben haben könnte. Weiß da einer mehr? Könnte man da evtl. irgendwelche Späße mit Elektronen- oder Röntgenstrahlen machen? Weiß einer ob an ner Ameise irgendwas kristallines dran ist?
Der Link zum Artikel:
https://www.sciencedirect.com/science/a ... 0712000791
LG
christian
nach langer Zeit nochmal ein Post von mir.
Mich frustriert beim Bestimmen von Ameisen irgendwie immer, dass es einen gewissen "Spielraum" gibt, man oft die taxonomischen Hinweise nicht absolut präzise einer Art zuordnen kann- es ist ja selten mal so, dass man wie bei der Unterscheidung Manica- Myrmica einfach nach dem Dorn schauen muss. Da ich im Zusammenhang mit meinem Studium in den letzten Jahren viele chemische Analyseverfahren kennen gelernt habe, habe ich mich gefragt, ob man eine taxonomische Untersuchung nicht vielleicht mit einer (Elementar-)Analyse der ganzen Ameise oder z.B. deren Panzer, Beine etc. vornehmen könnte. Dort könnten sich diverse Unterschiede durch zum Beispiel Ernährung oder bevorzugtem Bodenchemismus manifestieren, die so doch mit großer Wahrscheinlichkeit evolutiv verwurzelt hätten. Wegen der extrem präzisen und genauen Analysemethoden, die teilweise durchaus atomar auflösen können, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass man damit Ameisen sehr gut voneinander unterscheiden kann. Natürlich bräuchte man dafür ein Labor mit ner Ausrüstung für 10 Millionen aufwärts (:D), die es aber an meiner Uni gibt.
Ich habe dann mal recherchiert und das haben tatsächlich Leute gemacht- in diesem Fall mit einem Massenspektrometer. Dazu gab es einen Artikel von 2012 auf Sciencedirect, wo verschiedene Myrmica Arten so auseinander gehalten wurden (konkret sabuleti und scabrinodis). Auf Sciencedirect könnt ihr nur den abstract lesen, den ganzen Artikel könnt ihr auf scihub (illegal) herunterladen. In dem Artikel schreiben die, dass so eine Methode bis dahin noch nicht angewendet wurde. Ich komme eigentlich aus der anorganischen (Festkörper-)Chemie und kenne mich nicht so mit den Problemen aus, die man da bei der Analyse von organischen Proben haben könnte. Weiß da einer mehr? Könnte man da evtl. irgendwelche Späße mit Elektronen- oder Röntgenstrahlen machen? Weiß einer ob an ner Ameise irgendwas kristallines dran ist?
Der Link zum Artikel:
https://www.sciencedirect.com/science/a ... 0712000791
LG
christian
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Frederick
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#2 Re: Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
Hi Christian,
ohne zu wissen, mit welchen Analyseverfahren Du dich auskennst, sind in der organischen Chemie sowohl Massenspektrometrie, Infrarot-, Ultraviolett- und vor allem - da in der org. Chemie per definitionem Kohlenstoff und dadurch auch quasi immer Wasserstoff vorhanden ist - HNMR und CNMR-Spektren (Proton bzw. Carbon nuclear magnetic resonance) üblich.
Dabei reichen die Spektren von "einfach" bis zu hochkomplex (z. B. bei großen Biomolekülen in sogenannten 2D-Spektren).
In dem von Dir verlinktem Paper (übrigens vielen Dank dafür, ist schon irre ) wurde ja lediglich die Massenspektrometrie angewendet; wahrscheinlich, weil die im Paper aufgeführten CHC (cuticular hydrocarbons) gut erforscht sind ("[CHC] are most widely analysed, since they are often distinct and stable over very large geographical areas (...)).
Mehr dazu z. B. hier: http://www.antwiki.org/wiki/Cuticular_Hydrocarbons
Sehr interessant und eine gute Antwort auf wahrscheinlich viele Deiner Fragen, diese CHC
Normalerweise werden bei unbekannten Verbindungen viele bis alle der oben genannten Analysemethoden verwendet, bei ausreichenden Datensammlungen (wie mutmaßlich auch bei CHC anzutreffen ist) kann aber durchaus auch ein Massenspektrometer ohne NMR, etc. ausreichen.
Ein weiteres, großes Problem bei jeglichen Analysen stellt die hohe Anzahl und Vielfalt an Molekülen dar, denen man bei einer (umfangreichen) Analyse ausgesetzt ist. Dem kann man zuvor kommen, indem man sich auf einen bestimmten Bereich von Analyten beschränkt, den man vorher isoliert. Dies kann z. B. gut über verschiedene Verfahren der Chromatographie geschehen.
Speziell bei den Ameisen hier wurden die CHC durch die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie ("high-performance liquid chromatography grade") sowohl mit Hexan isoliert als auch analysiert.
Dass diese Methode noch nie zuvor angewendet wurde, habe ich in dem Artikel nicht finden können - wohl aber, dass es das erste mal ist, dass diese Methode angewendet wurde, die der Erhaltung einer bedrohten Art (Phengaris arion) dient sowie mit 100%-iger Sicherheit auch Nicht-Spezialisten die Unterscheidung der beiden Arten erlaubt:
Alles in allem ein echt interessanter Artikel, v. a. da mir ein solches Thema persönlich sehr zusagt und einen tollen Einblick in die Methodik der Chemotaxonomie bei Tieren gibt.
Um einen kleinen Einblick zu geben habe ich den Lesern die für die organische Chemie so wichtigen NMR-Spektren zu 5-Methylpentacosan mittels eines Programms prognostiziert, also einem der essenziellen CHC, mit denen sich M. sabuleti und M. scabrinodis unterscheiden lassen (Tabellennummer 13, bei letzterer Art kaum vorhanden):
1HNMR-Spektrum:
13CNMR:
Bei HNMR werden die Wasserstoffe (chemisches Symbol H, engl. Hydrogen oder oft, nicht gänzlich korrekt, Proton genannt) magnetisch angeregt, was letztlich zu den im Bild erkennbaren "Peaks" führt, bildlich vergleichbar mit dem Ausschlagen der Nadel eines Seismographen.
Bei CNMR geschieht dasselbe mit Kohlenstoff (engl. Carbon, chemisches Symbol C, genau genommen bei CNMR mit dem natürlich vorkommenden, aber seltenen Isotop 13C).
Die Kunst des Analytikers ist es nun, aus den ihm gegebenen Daten eine Struktur des Moleküls zu erstellen, um dadurch Rückschlüsse auf Chemie, Biologie, Biochemie,... oder, wie speziell hier, auch Taxonomie schließen zu können.
Zum Schluss noch:
Wenn du damit anorganisch-kristalline Substanzen meinst: Nein, tut mir leid ;(
Vielleicht kann sich diesbezüglich ja ein erfahrener User äußern
Lieben Gruß, Frederick
ohne zu wissen, mit welchen Analyseverfahren Du dich auskennst, sind in der organischen Chemie sowohl Massenspektrometrie, Infrarot-, Ultraviolett- und vor allem - da in der org. Chemie per definitionem Kohlenstoff und dadurch auch quasi immer Wasserstoff vorhanden ist - HNMR und CNMR-Spektren (Proton bzw. Carbon nuclear magnetic resonance) üblich.
Dabei reichen die Spektren von "einfach" bis zu hochkomplex (z. B. bei großen Biomolekülen in sogenannten 2D-Spektren).
In dem von Dir verlinktem Paper (übrigens vielen Dank dafür, ist schon irre ) wurde ja lediglich die Massenspektrometrie angewendet; wahrscheinlich, weil die im Paper aufgeführten CHC (cuticular hydrocarbons) gut erforscht sind ("[CHC] are most widely analysed, since they are often distinct and stable over very large geographical areas (...)).
Mehr dazu z. B. hier: http://www.antwiki.org/wiki/Cuticular_Hydrocarbons
Sehr interessant und eine gute Antwort auf wahrscheinlich viele Deiner Fragen, diese CHC
Normalerweise werden bei unbekannten Verbindungen viele bis alle der oben genannten Analysemethoden verwendet, bei ausreichenden Datensammlungen (wie mutmaßlich auch bei CHC anzutreffen ist) kann aber durchaus auch ein Massenspektrometer ohne NMR, etc. ausreichen.
Ein weiteres, großes Problem bei jeglichen Analysen stellt die hohe Anzahl und Vielfalt an Molekülen dar, denen man bei einer (umfangreichen) Analyse ausgesetzt ist. Dem kann man zuvor kommen, indem man sich auf einen bestimmten Bereich von Analyten beschränkt, den man vorher isoliert. Dies kann z. B. gut über verschiedene Verfahren der Chromatographie geschehen.
Speziell bei den Ameisen hier wurden die CHC durch die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie ("high-performance liquid chromatography grade") sowohl mit Hexan isoliert als auch analysiert.
In dem Artikel schreiben die, dass so eine Methode bis dahin noch nicht angewendet wurde.
Dass diese Methode noch nie zuvor angewendet wurde, habe ich in dem Artikel nicht finden können - wohl aber, dass es das erste mal ist, dass diese Methode angewendet wurde, die der Erhaltung einer bedrohten Art (Phengaris arion) dient sowie mit 100%-iger Sicherheit auch Nicht-Spezialisten die Unterscheidung der beiden Arten erlaubt:
To our knowledge, this is the first time that chemo-taxonomy has been applied specifically to aid the conservation of an endangered species, which is important (...)
This method allows non-specialists for the first time to determine with 100% accuracy between M. sabuleti and M. scabrinodis.
Alles in allem ein echt interessanter Artikel, v. a. da mir ein solches Thema persönlich sehr zusagt und einen tollen Einblick in die Methodik der Chemotaxonomie bei Tieren gibt.
Um einen kleinen Einblick zu geben habe ich den Lesern die für die organische Chemie so wichtigen NMR-Spektren zu 5-Methylpentacosan mittels eines Programms prognostiziert, also einem der essenziellen CHC, mit denen sich M. sabuleti und M. scabrinodis unterscheiden lassen (Tabellennummer 13, bei letzterer Art kaum vorhanden):
1HNMR-Spektrum:
13CNMR:
Bei HNMR werden die Wasserstoffe (chemisches Symbol H, engl. Hydrogen oder oft, nicht gänzlich korrekt, Proton genannt) magnetisch angeregt, was letztlich zu den im Bild erkennbaren "Peaks" führt, bildlich vergleichbar mit dem Ausschlagen der Nadel eines Seismographen.
Bei CNMR geschieht dasselbe mit Kohlenstoff (engl. Carbon, chemisches Symbol C, genau genommen bei CNMR mit dem natürlich vorkommenden, aber seltenen Isotop 13C).
Die Kunst des Analytikers ist es nun, aus den ihm gegebenen Daten eine Struktur des Moleküls zu erstellen, um dadurch Rückschlüsse auf Chemie, Biologie, Biochemie,... oder, wie speziell hier, auch Taxonomie schließen zu können.
Zum Schluss noch:
Weiß einer ob an ner Ameise irgendwas kristallines dran ist?
Wenn du damit anorganisch-kristalline Substanzen meinst: Nein, tut mir leid ;(
Vielleicht kann sich diesbezüglich ja ein erfahrener User äußern
Lieben Gruß, Frederick
- Oleg
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#3 Re: Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
Hallo
Sicher ist die Analytik organischer Verbindungen eine ganz tolle Sache :-) Allerdings denke ich nicht, dass es sehr hilfreich sein wird. Eine bestimmte Menge Ameisen (wie viele? Eine wird sicher nicht reichen!) müssen zum Bestimmen eingefangen werden und vor allem, man muss die Verfahren ja einfahren, sprich zur ersten Analytik brauchst du Ameisen (welche Verbindungen liegen vor?), zum Quantifizieren brauchst du mehr Ameisen und zum Verifizieren brauchst du noch mehr Ameisen...
Schon die Vorschrift, die du da erstellen müsstest... Man nehme hundert Ameisen und extrahiere unter Rückfluss mit 200 ml Ether p.A. 5 Stunden...
Bis du auf diese Art und Weise Formica clara von Formica rufibarbis sicher unterscheiden kannst, hast du wohl schon alle Vertreter dieser Gattungen ins Jenseits befördert. Schöner Erfolg! Oder du züchtest sie selbst nach wie Prof. Musso seine Fliegenpilze und bist bis dahin steinalt - und Vater vieler nutzloser Dissertationen.
Mit Methoden der Festkörchemie sehe ich genauso schwarz - aber wenn wir schon dabei sind, warum nimmst du nicht ein Elektronenmikroskop und legst ein (1) der Kerlchen darunter? Hübsch mit Gold bedampft kannst du sie drehen und wenden wie du möchtest, alle Härchen zählen, alle Eigenschaften ausmessen? Dafür brauchst du nicht so viel Geld - ein Termin am Raster hin und wieder sollte reichen.
Oleg
Sicher ist die Analytik organischer Verbindungen eine ganz tolle Sache :-) Allerdings denke ich nicht, dass es sehr hilfreich sein wird. Eine bestimmte Menge Ameisen (wie viele? Eine wird sicher nicht reichen!) müssen zum Bestimmen eingefangen werden und vor allem, man muss die Verfahren ja einfahren, sprich zur ersten Analytik brauchst du Ameisen (welche Verbindungen liegen vor?), zum Quantifizieren brauchst du mehr Ameisen und zum Verifizieren brauchst du noch mehr Ameisen...
Schon die Vorschrift, die du da erstellen müsstest... Man nehme hundert Ameisen und extrahiere unter Rückfluss mit 200 ml Ether p.A. 5 Stunden...
Bis du auf diese Art und Weise Formica clara von Formica rufibarbis sicher unterscheiden kannst, hast du wohl schon alle Vertreter dieser Gattungen ins Jenseits befördert. Schöner Erfolg! Oder du züchtest sie selbst nach wie Prof. Musso seine Fliegenpilze und bist bis dahin steinalt - und Vater vieler nutzloser Dissertationen.
Mit Methoden der Festkörchemie sehe ich genauso schwarz - aber wenn wir schon dabei sind, warum nimmst du nicht ein Elektronenmikroskop und legst ein (1) der Kerlchen darunter? Hübsch mit Gold bedampft kannst du sie drehen und wenden wie du möchtest, alle Härchen zählen, alle Eigenschaften ausmessen? Dafür brauchst du nicht so viel Geld - ein Termin am Raster hin und wieder sollte reichen.
Oleg
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Safiriel
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#4 Re: Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
Schon die Vorschrift, die du da erstellen müsstest... Man nehme hundert Ameisen und extrahiere unter Rückfluss mit 200 ml Ether p.A. 5 Stunden...
Bis du auf diese Art und Weise Formica clara von Formica rufibarbis sicher unterscheiden kannst, hast du wohl schon alle Vertreter dieser Gattungen ins Jenseits befördert. Schöner Erfolg! Oder du züchtest sie selbst nach wie Prof. Musso seine Fliegenpilze und bist bis dahin steinalt - und Vater vieler nutzloser Dissertationen.
Hach was für eine wunderschöne Vorstellung! Eine Monographie im PhEur zur Extraktion von Ameisen.... Ach Moment... In der Homöopathie gibt es das ja schon! Mit Formica rufa.
Ich denke hier wird sehr schön gezeigt, was technisch alles möglich ist oder sein könnte, und wie praktikabel oder massentauglich es dann im Endeffekt ist.
-
Frederick
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#5 Re: Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
Hi Safiriel und Oleg,
dass die Methodik nicht massentauglich oder gar günstig ist, das hat Christian in seinem ersten Post ja schon angedeutet. Die Frage war ja erstmal: Ist es überhaupt möglich und wenn ja, wie könnte ein solches Verfahren überhaupt aussehen?
Es wird definitiv seine Gründe haben, warum nicht immer alle Analyseverfahren angewendet werden, die prinzipiell auch anwendbar sind - für eine Unterscheidung zwischen zwei Gattungen, meist auch zwischen zwei Arten, reichen oftmals ja auch morphologische Unterschiede. Wenn diese schnell und sicher zu einem Ergebnis kommen, dann brauche ich kein Massenspektrometer.
Nichtsdestotrotz scheint es ja offensichtlich taxonomische Grenzfälle zu geben, bei denen auch ein zweiter Blick nicht zwangsläufig aussagekräftig sein muss. Um Forschungen zu untermauern oder den nächsten, praktischen Schritt planen zu können (Ist es nun die Art, die sich hier ansiedeln soll oder ist sie es nicht?), sind solche Analyseverfahren m. E. sehr nützlich, liefern sie doch stichhaltige Indizien.
Ganz so viele braucht es dann doch nicht, das ist ja gerade der Vorteil einer Elementaranalyse: Pro Analyse wurden fünf Ameisen verwendet. Selbst wenn 5 h Ether kochen gefordert wäre, kann dies an einem (1) Tag ohne großen apparativen Aufwand locker betrieben werden, da werden ganz andere Gerätschaften für Extraktionen verwendet als ein Kolben und ein Kühler.
Leider finde ich in der Arbeit keine Angaben zur Gesamtzeit - die Chromatographie in 50 Mikroliter (!) Hexan (mit anschließenden 30 Mikroliter für die Analyse) dauerte jedenfalls 10 Minuten.
Was das "Einfahren" des Verfahrens angeht: Hier bedarf es tatsächlich einer großen Menge Ameisen aus vielen verschiedenen Kolonien, bestenfalls von mehreren, weit auseinander liegenden Standorten, um einen Überblick über signifikante, chemische Differenzen zu erhalten. Insofern muss ich Euch Recht geben; ein sehr aufwendiges Projekt. Auf der anderen Seite: Einmal in der Datensammlung drin, immer in der Datensammlung drin. Außerdem scheinen die angesprochenen CHC auch kein allzu neues Feld mehr zu sein.
Chemotaxonomie kann einen guten Beitrag leisten, allen voran, da das aktuelle, taxonomische System ein wahrer Graus sein kann. Es wird sich ja auch schon länger nicht mehr auf ausschließlich morphologische Befunde gestützt
Dass wir Privatmenschen im Garten solche Verfahren bei der Lasius nie anwenden werden, um sie von einer Myrmica zu unterscheiden, dürfte klar sein. Aufgrund der hohen ökologischen Potenz von Ameisen allerdings sehe ich keinen Grund, das Rasterelektronenmikroskop und andere Analyseverfahren außen vor zu lassen
Lieben Gruß,
Frederick
dass die Methodik nicht massentauglich oder gar günstig ist, das hat Christian in seinem ersten Post ja schon angedeutet. Die Frage war ja erstmal: Ist es überhaupt möglich und wenn ja, wie könnte ein solches Verfahren überhaupt aussehen?
Es wird definitiv seine Gründe haben, warum nicht immer alle Analyseverfahren angewendet werden, die prinzipiell auch anwendbar sind - für eine Unterscheidung zwischen zwei Gattungen, meist auch zwischen zwei Arten, reichen oftmals ja auch morphologische Unterschiede. Wenn diese schnell und sicher zu einem Ergebnis kommen, dann brauche ich kein Massenspektrometer.
Nichtsdestotrotz scheint es ja offensichtlich taxonomische Grenzfälle zu geben, bei denen auch ein zweiter Blick nicht zwangsläufig aussagekräftig sein muss. Um Forschungen zu untermauern oder den nächsten, praktischen Schritt planen zu können (Ist es nun die Art, die sich hier ansiedeln soll oder ist sie es nicht?), sind solche Analyseverfahren m. E. sehr nützlich, liefern sie doch stichhaltige Indizien.
Man nehme hundert Ameisen und extrahiere unter Rückfluss mit 200 mL Ether p.A. 5 Stunden
Ganz so viele braucht es dann doch nicht, das ist ja gerade der Vorteil einer Elementaranalyse: Pro Analyse wurden fünf Ameisen verwendet. Selbst wenn 5 h Ether kochen gefordert wäre, kann dies an einem (1) Tag ohne großen apparativen Aufwand locker betrieben werden, da werden ganz andere Gerätschaften für Extraktionen verwendet als ein Kolben und ein Kühler.
Leider finde ich in der Arbeit keine Angaben zur Gesamtzeit - die Chromatographie in 50 Mikroliter (!) Hexan (mit anschließenden 30 Mikroliter für die Analyse) dauerte jedenfalls 10 Minuten.
Was das "Einfahren" des Verfahrens angeht: Hier bedarf es tatsächlich einer großen Menge Ameisen aus vielen verschiedenen Kolonien, bestenfalls von mehreren, weit auseinander liegenden Standorten, um einen Überblick über signifikante, chemische Differenzen zu erhalten. Insofern muss ich Euch Recht geben; ein sehr aufwendiges Projekt. Auf der anderen Seite: Einmal in der Datensammlung drin, immer in der Datensammlung drin. Außerdem scheinen die angesprochenen CHC auch kein allzu neues Feld mehr zu sein.
Chemotaxonomie kann einen guten Beitrag leisten, allen voran, da das aktuelle, taxonomische System ein wahrer Graus sein kann. Es wird sich ja auch schon länger nicht mehr auf ausschließlich morphologische Befunde gestützt
Dass wir Privatmenschen im Garten solche Verfahren bei der Lasius nie anwenden werden, um sie von einer Myrmica zu unterscheiden, dürfte klar sein. Aufgrund der hohen ökologischen Potenz von Ameisen allerdings sehe ich keinen Grund, das Rasterelektronenmikroskop und andere Analyseverfahren außen vor zu lassen
Lieben Gruß,
Frederick
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#6 Re: Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
Hallo
Noch eine mehr oder weniger sinnvolle Bemerkung anbei: Ich würde wetten, dass die bereits angesprochenen Formica rufibarbis und F. clara (wenn man sie denn chemisch unterscheiden kann) anschließend ein "x" statt des und setzen werden - und sich fröhlich als neue Art etablieren. Mother nature is a bitch, sagt doch Murphy's law.
Oleg
Noch eine mehr oder weniger sinnvolle Bemerkung anbei: Ich würde wetten, dass die bereits angesprochenen Formica rufibarbis und F. clara (wenn man sie denn chemisch unterscheiden kann) anschließend ein "x" statt des und setzen werden - und sich fröhlich als neue Art etablieren. Mother nature is a bitch, sagt doch Murphy's law.
Oleg
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#7 Re: Taxonomie mit Hilfe von chemischer Analyse!?
Hey, ich habe gar nicht gesehen, dass hier tatsächlich noch eine Diskussion entstanden ist und freut mich, dass du, Frederik, da etwas Freude mit hattest . Bin leider in den letzten Jahren nicht mehr so oft online. Warum seid ihr anderen Fieslinge denn so negativ, es ist natürlich nur nerdige Spielerei ohne eine breite Anwendungsmöglichkeit ;(
Die von dir, Frederik, verlinkte Internetseite über die CHC's klang wirklich interessant- genau sowas meinte ich. Ich könnte mir allerdings denken, dass es da noch einige andere Dinge dieser Art gibt.
NMR ist natürlich eine feine Methode, um eine Idee von den Molekülstrukturen zu kriegen, ohne dass man dazu einen Kristall bräuchte. Ich habe die leider nicht so detailliert gelernt, um deren volle Mächtigkeit verstehen zu können.
@Oleg und Safiriel
Grundsätzlich kann man natürlich am Raster alles Relevante von den Tieren sehen, aber Morphologie ist ja, wie Frederik schon sagte, nicht immer eindeutig. Geht man ins Detail wie weit welcher Haarwuchs reicht oder wie lang die Haare im Mittel gewachsen sind, wird es nicht besser. Bei Formica s.str. oder Tetramoriumsp . geht man deshalb ja auch zu DNS-Analysen über. SEM wäre ja auch eine meiner favorisierten Methoden, eben weil man da auch noch manches zusätzlich machen kann wie Elementaranalysen mit EDX. Ich weiß nicht, wie wichtig ultraleichte, nicht EDX-sensible Elemente für Lebewesen sind. Bis einschließlich Bor habe ich höchstpersönlich, wenn auch mit gewissen Fehlern, mit der Mikrosonde (REM bzw. SEM etwas erweitert) messen können.
Es wäre für mich halt sehr cool, wenn man sagen könnte, dass da irgendwelche tollen Kristalle entstanden wären, die man mit Röntgen- oder Elektronenbeugung strukturell relativ leicht lösen könnte. Die entsprechenden Geräte gibt es zumindest in primitiver Ausführung in jeder Uni. Wir haben beispielsweise gleich zwei TEM's, die beide kaum einer verwendet (woanders fehlt natürlich Geld, wie kommt das nur... )
Die Massenspektrometrie wurde ja in der Untersuchung explizit als geeignete Methode genannt, wenn man- zum Beispiel weil man keine Ahnung hat- die Morphologie nicht verwenden will. Sprich komplett falsch war mein Gedanke nicht. Die Frage wäre halt für mich gewesen, ob ich da mit den anderen klassischen Analysegeräten auch noch weiter komme. Explizit ginge es mir um die diversen Kristallstrukturanalytik-Methoden, weil ich eben mit denen den lieben langen Tag arbeite. Raman, IR usw. sind aber vermutlich leider nützlicher und billiger, nur halt nicht so cool m.M.n. .
Bei der ganzen Haarezählerei, Glanzabschätzerei und Dornenlängenmesserei habe ich mir einfach nur gewünscht, die Tierchen zu einem Diagramm zu verwursten, wo mit einem Klick alles klar ist; Versteht es als Hilfeschrei nach Messwerten, an denen man Fehlerrechnungen und Signifikanztests machen kann^^
Chemotaxonomie ist halt die Krone. Finde ich .
Liebe Grüße
christian
Die von dir, Frederik, verlinkte Internetseite über die CHC's klang wirklich interessant- genau sowas meinte ich. Ich könnte mir allerdings denken, dass es da noch einige andere Dinge dieser Art gibt.
NMR ist natürlich eine feine Methode, um eine Idee von den Molekülstrukturen zu kriegen, ohne dass man dazu einen Kristall bräuchte. Ich habe die leider nicht so detailliert gelernt, um deren volle Mächtigkeit verstehen zu können.
@Oleg und Safiriel
Grundsätzlich kann man natürlich am Raster alles Relevante von den Tieren sehen, aber Morphologie ist ja, wie Frederik schon sagte, nicht immer eindeutig. Geht man ins Detail wie weit welcher Haarwuchs reicht oder wie lang die Haare im Mittel gewachsen sind, wird es nicht besser. Bei Formica s.str. oder Tetramorium
Es wäre für mich halt sehr cool, wenn man sagen könnte, dass da irgendwelche tollen Kristalle entstanden wären, die man mit Röntgen- oder Elektronenbeugung strukturell relativ leicht lösen könnte. Die entsprechenden Geräte gibt es zumindest in primitiver Ausführung in jeder Uni. Wir haben beispielsweise gleich zwei TEM's, die beide kaum einer verwendet (woanders fehlt natürlich Geld, wie kommt das nur... )
Die Massenspektrometrie wurde ja in der Untersuchung explizit als geeignete Methode genannt, wenn man- zum Beispiel weil man keine Ahnung hat- die Morphologie nicht verwenden will. Sprich komplett falsch war mein Gedanke nicht. Die Frage wäre halt für mich gewesen, ob ich da mit den anderen klassischen Analysegeräten auch noch weiter komme. Explizit ginge es mir um die diversen Kristallstrukturanalytik-Methoden, weil ich eben mit denen den lieben langen Tag arbeite. Raman, IR usw. sind aber vermutlich leider nützlicher und billiger, nur halt nicht so cool m.M.n. .
Bei der ganzen Haarezählerei, Glanzabschätzerei und Dornenlängenmesserei habe ich mir einfach nur gewünscht, die Tierchen zu einem Diagramm zu verwursten, wo mit einem Klick alles klar ist; Versteht es als Hilfeschrei nach Messwerten, an denen man Fehlerrechnungen und Signifikanztests machen kann^^
Chemotaxonomie ist halt die Krone. Finde ich .
Liebe Grüße
christian