Ein kleiner Osterspaziergang...

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Ossein
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#1 Ein kleiner Osterspaziergang...

Beitrag von Ossein » 24. April 2011, 12:53

"Kommt, Kinder, wir gehen mal um den Block* und schauen mal was die Ameisenkolonien unternehmen heute Morgen!"

Papa möchte den Tag, nachdem ein wenig Bobby McFerrin und sogar Judy Garland den Tag eingeläutet haben, mit ein wenig frischer Luft und heller Sonne beginnen. Merkwürdiger Weise sind beide Kinder sofort einverstanden.

Kaum waren wir die Straße 'runter gegangen, es läuteten die Osterglocken Sturm, sahen wir ein Kinderhandteller großen Haufen sich knäulender Ameisen.
Zunächst dachten mein Sohn und ich, die Ameisen hätten sich über einen fetten Regenwurm hergemacht.
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Doch dann wird deutlich, dass nicht der Löwenzahn, noch ein Regenwurm, die Ameisen (vermutlich Tetramorium sp., Danke DmdM & Merkur!) wild gemacht hat, sondern, dass sie sich im Krieg befinden.
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Wie erklärt man so ein Massaker einer Dreijährigen? Werden alle kleinen heldenhaften Ameisendamen dereinst auch auferstehen? Hat eine der Seiten "Recht", die andere "Unrecht"?
Da ist man dann froh, wenn manche Fragen nicht gestellt werden.

Entschuldigt die schlechte Bildquali, ich habe versucht alles aus dem Handy zu holen, was geht - dummerweise habe ich die "richtige" Kamera nicht mit gehabt. Trotzdem, für die Unbeirrten, folgende Eindrücke vom Schlachtfeld:
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So, nach etlichen Minuten - eine Zeiteinheit die, auch mit einem Ameisenkrieg zu den Füßen, Kindern wohl wie Jahre vorzukommen scheint, manchmal - gingen wir weiter und besuchten die (wahrscheinlich) Formica (serviformica) rufibarbis** (danke Boro!) Kolonie Nr.1, gerade erwachend:
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Immer wachsam!

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Der Haupteingang in das Nest.
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Immer emsig.

Und dann gingen wir den gleichen Weg zurück, um zu sehen, wie die Schlacht verlaufen war. Mein Sohn ging von entweder abflauenden Kämpfen aus oder meinte, es könnten vielleicht Hilfstruppen hinzu gezogen worden sein - Libyien ist überall - aber wir konnten uns darauf verständigen, dass letzteres unwahrscheinlich war.
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Das ganze Schlachtfeld, ungefähr 30cm in der Länge (von Nesteingang, bis "Friedhof"). Links unten sieht man einen Nesteingang, dann langsam nach rechts, das umkämpfte, strategisch wichtige Ästchen, dann das eigentliche Löwenzahnschlachtfeld und dahinter die Gefallenen, denen von vereinzelten Kämpferinnen endgültig der Garaus gemacht wird.
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Andere Perspektive.
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Die epische Schlacht vom Löwenzahnblatt.

Und dann trennten wir uns und warteten nicht das Ende der Metzelei ab, nur, um kurz vor der Haustür Lasius cf. niger anzutreffen, wie sie frühstückten:
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So hoffe ich, Euch hat es auch so gut gefallen wie mir und den Kindern.

Ich gehe davon aus, dass die ein oder andere Bezeichnung der betroffenen Ameisenspezies, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, doch eine andere ist, und ich wäre über Hinweise dementsprechend dankbar. Ebenso wie über andere Interpretationen des Gesehenen.

Ansonsten aber wünsche ich Euch schöne Ostertage,

LG, Ossein.

* Düsseldorf, Gerresheim, Hardenbergstrasse/Heyestrasse, 10:00h, ca. 18°C
** Ich werde morgen mal genauer hinschauen, auch mikroskopisch...



DermitderMeise
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#2 AW: Ein kleiner Osterspaziergang...

Beitrag von DermitderMeise » 24. April 2011, 13:19

Hi,
starke Sache! Hat denen denn keiner gesagt, dass Ostern ein friedliches Fest ist? :D

Bei den kämpfenden Legionen würde ich eher auf eine Knotenameise - und zwar Tetramorium - tippen, die haben einen "Quadratschädel".



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Boro
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#3 AW: Ein kleiner Osterspaziergang...

Beitrag von Boro » 24. April 2011, 15:33

Ja, da muss man DermitderMeise wohl Recht geben: Bei dem Kampfgetümmel kann man eindeutig Tetramorium sp. erkennen. Im Frühjahr werden die Territorialgrenzen neu abgesteckt. Das ist bei hoher Nestdichte v. Tetramorium sp. häufig der Fall; nach meinen Beobachtungen handelt es sich aber meist um Kommentkämpfe, also quasi Turniere, da wird gezogen, gezerrt u. mitunter auch einmal zugestochen. Trotzdem gibt es selten Tote.
Die Bilder deiner Formica sanguinea sind leider sehr undeutlich, aber ich würde eher auf Serviformica rufibarbis schließen!
L.G.Boro



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#4 AW: Ein kleiner Osterspaziergang...

Beitrag von Gast » 24. April 2011, 15:49

Hallo Ossein,

Das ist Tetramorium sp., eine aus der T. caespitum-/T. impurum-Gruppe.
Es ist für die „Art“ charakteristisch, dass sie im Frühjahr solche Massenschlachten durchführt. Bei uns sieht man es seltener, aber in Japan und in den USA, wo sie aus Europa eingeschleppt wurden, tritt es sehr regelmäßig auf. Häufig finden Kämpfe da im Rinnstein statt: man kann gelegentlich über 50 – 100 m hinweg alle 2-3 m so einen Knäuel beobachten!
Außer der allgemeinen Annahme, dass es sich um Territorialkämpfe handelt, gibt es kaum Erklärungen dafür, dass das Verhalten gerade bei diesen Arten, und zu dieser Jahreszeit, so auffällig wird.

Frohes Fest weiterhin,
Merkur



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Ossein
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#5 AW: Ein kleiner Osterspaziergang...

Beitrag von Ossein » 24. April 2011, 22:08

Vielen Dank an Euch drei! Ihr habt mir sehr geholfen bei der Bestimmung - da sind bei mir wohl ein paar Schnellschüsse zu viel gefallen...

@Boro: An diesen Kämpfen war nichts turnierhaftes oder einander imponierendes. Sobald eine losgelassen wurde, waren zig andere da um weiter zu machen. Und das, bis sich die Reihen langsam zu lichten schienen.
Wie gesagt, noch im Bereich der zusammengekrümmten Leiber toter Kämpferinnen gingen sie durch und bissen noch auf die zuckenden Verletzten. Es schien hier wirklich um Leben und Tod zu gehen, um alles oder nichts, Kampfunfähigkeit alleine reichte scheinbar nicht.

Doch die Indianerin würde sagen: "Heute ist ein guter Tag zu sterben!" (Sioux)

Das sehen die Christen bekanntlich heute (und chronisch ;) ) anders - wohin gehen die Ameisen, wenn sie tot sind, Papi?

LG, Ossein.



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