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Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

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Boro
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#9 AW: Polyergus rufescens Koloniegründungen freisetzen?

Beitrag von Boro » 2. August 2011, 09:56

Hallo Sahal!
Eine berechtigte Frage, wenn man an die Angriffstaktik d. Amazonen und ihre eingesetzten Propagandapheromone wd. der Invasion denkt.
Ich habe in den letzten etwa 12 Jahren ca. 250 Raubzüge d. Amazonen (ich weiß: total verrückt!!) auf alle heimischen Serviformica-Arten beobachten können und kann aus dieser reichen Erfahrung folgende Schlüsse ziehen:
1. Es gibt eine Reihenfolge der Abwehrmechanismen: von totaler Duldung über panische Flucht, steigende Abwehrbereitschaft mit Andauer des Angriffs, heftige Abwehrschlachten bis zur totalen Niederlage u. Flucht der Angreifer [bisher in der Literatur nicht erwähnt]. Hier teilw. beschrieben: http://ameisenforum.de/beobachtungen-im ... 21747.html
2. Es gibt eine Abfolge der Wirtsarten betr. ihrer Abwehrfähigkeit. Von der Stufe geringen Widerstande bis bis zu lange andauernden Schlachten (die können eine halbe Stunde dauern!) : F. fusca, F. cunicularia, F. cinerea (einzelne Nester), F. rufibarbis, F. clara.
3. Die Volksstärke ist mitunter sehr entscheidend: Ein sehr starkes Volk v. F. fusca kann auch Polyergus und sogar Raptiformica zunehmenden bzw. länger anhaltenden Widerstand leisten. Mehr darüber ist hier zu lesen:http://ameisenforum.de/beobachtungen-im ... 29831.html
Daraus ergibt sich, dass starke Populationen insbesondere von F. rufibarbis u. noch mehr F. clara in jedem Fall ernst zu nehmende Gegner sind [die Superkolonien v. F. fuscocinerea/F. cinerea sind für Sozialparasiten (auch Formica s. str./Raptiformica sang.) sicher tabu]. Hierbei konnte ich regelrechte Schlachten in und um das Nest, sowie Niederlagen der Angreifer miterleben.
Auch SEIFERT erwähnt die höhere Resistenz v. F. rufibarbis/clara geg. Sozialparasiten. Formica pratensis etwa soll bei F. rufibarbis wenig Erfolgschancen haben. Dazu Bericht III:http://www.ameisenforum.de/fotoberichte ... 40553.html
Da gibt es wieder einige Faktoren, die Erwähnung finden sollen:
a) F. rufibarbis/clara sind oft in Körpergröße und Kraft den Amazonen ebenbürtig. Der überlegenen "Bewaffnung" d. Amazonen (Mandibeln, chem. Substanzen) stehen immer sehr rasche Rekrutierung, die hervorragende Teamarbeit und auch die hohe Zahl der Verteidiger gegenüber.
b) Gerade bei den genannten Arten, aber auch bei den Superkolonien d. cinerea-Arten sind stets - auch bei hohen Bodentemperaturen - ständig viele Arbeiterinnen im Bereich d. Nestoberfläche präsent. Der v. den Amazonen bevorzugt zur Anwendung kommende Überraschungseffekt fällt damit weg; über rasche Rekrutierung erscheint eine enorme Anzahl v. Verteidigern auf der Bildfläche, die zu allem entschossen sind.
c) Daraus folgt, dass die Amazonen ihr Propagandapheromon nicht im Nestinneren absetzten können. Panik u. Verwirrung d. Verteidiger bleiben damit aus.

So gesehen ist der Angriff v. ein paar Dutzend Angreifern schon ein Wagnis, das ich bisher eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Das Wirtsnest war in diesem Fall ein kleineres F. fusca-Nest. Da ich die Polyergus-Gyne bei F. fusca gründen ließ, habe ich das Nest schließlich dort freigesetzt, wo es zahlreiche Nester d. gleichen Wirtsart gab. Das garantiert am ehesten den Erfolg.
L.G.Boro



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