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Zum Verhalten von Arbeiterinnen verschiedener Arten.....

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Frank Mattheis
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#1 Zum Verhalten von Arbeiterinnen verschiedener Arten.....

Beitrag von Frank Mattheis » 3. Juli 2005, 17:37

Bei den Untersuchungen zum temp. Sozialparasitismus verschiedener Ameisenarten gilt das Hauptaugenmerk meist den Strategien und besonderen Fähigkeiten der entsprechenden Ameisenköniginnen. Es ist aber auch interessant, anhand verwandter Arten zu untersuchen, welche Anpassungen die sozialparasitische Lebensweise auf die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Kaste der Arbeiterinnen bewirkt. Besonders interessant ist der Vergleich der Verhaltensweisen von Arbeiterinnen temp. sozialp. Arten mit denen verwandter Arten, deren Königinnen ihre Kolonien selbstständig gründen.
Arbeiterinnen der Arten mit selbstst. Koloniegründung verfügen über wesentlich vielfältigere Möglichkeiten, Nahrungsquellen zu nutzen, ihr Vermögen, selbstständig und auf sich gestellt neue Gebiete zu erkunden ist ungleich größer als bei Arbeiterinnen temp. sozialp. Arten. Jedem interessierten Beobachter sind wohl schon einzeln operierende Kundschafter von Lasius niger aufgefallen, in der näheren und entfernteren Umgebung einer niger-Kolonie sind ständig einzelne Kundschafter weit jenseits der Duftstraßen unterwegs, die das Territorium nach neuen Nahrungsquellen und sicher auch nach etwaigen Bedrohungen absuchen.
Sehr junge niger-Kolonien im Freiland bringen anfangs extrem kleine Arbeiterinnen hervor. Die Kleinheit dieser ersten Arbeiterinnengenerationen lässt sich nicht nur mit Mangel und Nahrungsknappheit erklären, sie ist auch eine Anpassung an die Lebensweise junger niger-Kolonien. Meist befinden sich solche jungen Kolonien im Machtbereich großer, etablierter niger-Kolonien, und so ist für die jungen Kolonien die unauffällige Kleinheit und enorme Gewandheit ihrer Zwergarbeiterinnen ein überlebenswichtiger Vorteil. Tatsächlich beachten die großen Arbeiterinnen etablierter Kolonien diese Zwergarbeiterinnen kaum und diese treiben sich oft sogar in der Nähe der Nesteingänge der etablierten Kolonie herum, um dort die Abfälle der Kolonie nach Verwertbaren zu durchsuchen.
Die Arbeiterinnen jener selbstst. gründenden Lasius- Arten, die natürlich meist erst einmal durch ihre dicht belaufenen Duftstraßen und ihre relativ volkstarken Kolonien auffallen, verfügen also über größere individuelle Fähigkeiten, als dies der erste Blick vermuten läßt. Sie brauchen diese Fähigkeiten in den Notzeiten der Gründungsphasen ihrer Kolonien, in der wenige Arbeiterinnen das Überleben der Kolonie sichern müssen. In diesen Zeiten gibt es noch nicht den Schutz und die Schlagkraft einer großen Masse an Arbeiterinnen, in dieser Phase zählen Geschick, Gewandheit und wohl auch Lernvermögen der wenigen, noch unauffällig und einzeln operierenden Arbeiterinnen (die Arbeiterinnen der Anfangskolonien vieler Arten durchstöbern die Abfalldeponien etablierter Kolonien, um nach Fressbaren zu suchen. Haben sie einmal Erfolg gehabt, werden sie diese Stellen trotz des Risikos, ertappt zu werden, immer wieder aufsuchen. Sie haben also gelernt, eine Nahrungsquelle zu erschließen.).
Arbeiterinnen temp. sozialp. Ameisenarten haben einige dieser Fähigkeiten weitgehend oder völlig verloren. Wohl sind vereinzelt einzeln fouragierende Arbeiterinnen von Lasius fuliginosus oder Formica pratensis zu beobachten, doch vergleiche man ihre Gewandheit und Selbstständigkeit mit der ihrer Verwandten, Lasius niger oder Formica fusca bei solchen Unternehmungen. Während fusca fast ausschließlich einzeln, auf sich gestellt fouragiert, beläuft pratensis und andere Waldameisen der rufa-Gruppe wie auch fuliginosus überwiegend Duftstraßen und operiert in großen Trupps. Eine fusca-Arbeiterin agiert vorsichtig, kalkuliert offenbar vor einen evtl. Angriff auf ein mögliches Beutetier das Risiko, verletzt zu werden, eine Waldameise oder eine fuliginosus-Arbeiterin dagegen greift meist sofort ungestüm an, sich darauf verlassend, das Nestgenossen in der Nähe sind und zur Hilfe eilen.
Temp. sozialp. Ameisenarten durchleben nie die Notzeiten der Koloniegründung, sie übernehmen funktionierende Strukturen mit genügend Arbeiterinnen, gesicherten Nahrungsquellen, geeigneten Territorien usw. So müssen auch die Arbeiterinnen der ersten Generationen der Sozialparasiten keine neuen Quellen erschließen, erst später, wenn die Kolonie gewachsen ist und die Ressourcen knapp werden, müssen diese Kolonien neue Quellen erschließen, nun steht ihnen jedoch schon eine große Streitmacht an Arbeiterinnen zur Verfügung, mit der sie nun andere, artfremde Kolonien verdrängen. Dies ist auch die Stärke der temp. sozialp. Arten, sie vermögen schneller zu alarmieren und rekrutieren, geschlossener im großen Verband zu operieren als die meisten ihrer selbstst. gründenden Verwandten. Hinzu kommen sicher neue Waffen wie die Mandibelsekrete bei Dendrolasius und Chthonolasius, die unter den Gegnern Panik auslösen, diesen in die Flucht schlagen und so wie Fernwaffen wirken und unnötige Verluste in den eigenen Reihen verhindern.
Bei den sehr volkreichen Kolonien der temp. sozialp. Ameisenarten macht die ungestüme, kamikazeartige Kampfesweise bei Auseinandersetzungen mit anderen Konkurrenten auch Sinn, in diesen großen Kolonien mit ihrer hohen Reproduktionsfähigkeit ist der Verlust einiger tausend Arbeiterinnen kein wirklicher Verlust im Vergleich zum Gewinn neuer, lohnender Nahrungsquellen. Für eine fusca-Kolonie oder eine junge niger-Kolonie hingegen ist der Verlust jeder einzelnen Arbeiterin ein Rückschlag.
Es ist schwierig, zu bewerten, welche Strategie die wohl erfolgreichere ist. Eine solche Bewertung wäre eine Bewertung nach menschl. Maßstäben und deshalb unzulässig. Natürlich sind die Strategien der Sozialparasiten hochinteressant, beeindruckend und deshalb von besonderen Interesse. Jedoch haben die Sozialparasiten für ihre Fähigkeit, scheinbar mühelos ihre Kolonien zu gründen und dabei verwandte Arten auszubeuten, einen hohen Preis gezahlt. So sind sie ohne ihre Wirtsameisen nicht lebensfähig, sogar auf deren Existenz angewiesen. Mehr noch, diese Wirtsameisen müssen in größerer Dichte vorhanden sein, der Parasit kann sich ohne seinen temp. Wirt nicht fortpflanzen und kann ihn daher nicht überbeanspruchen.


Frank Mattheis



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