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Manica rubida - Todesursache?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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jkiefer
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#1 Manica rubida - Todesursache?

Beitrag von jkiefer » 20. Juni 2009, 14:08

Hallo,
wie ihr wisst habe ich ein paar gerettete Jungköniginnen von Manica rubida in Haltung genommen, allerdings sind 3 dieser 5 Gynen mittlerweile mit selben Symptomen gestorben. 1 davon schon nach etwa 5 Tagen, 1 nach etwa 2 Wochen und 1 hat immerhin 3 Wochen geschafft.

Alle 3 verhielten sich Anfangs durchweg normal, Futter wurde gut angenommen, Nest wurde ohne Probleme schnell angenommen und sie hatten teilweise sogar einiges an Eiern gelegt!

Alle 5 wurden unter gleichen Bedingungen gehalten, den 2 überlebenden geht es durchweg gut und sie verhalten sich immer noch normal (Eier wurden schon fleißig gelegt)!

Die Art des Todes lief immer nach selbem Muster ab: Gaster vergrößert sich innerhalb von 2 Tagen extrem, Königin läuft etwa 5 Stunden vor dem Tod unkoordiniert durch die Gegend und kann einzelne Beine nicht mehr Bewegen, dann rapide Verschlechterung bis zum Tod innerhalb der letzten Stunde!
Das auffälligste ist die stark angeschwollene Gaster wie hier zu sehen:
BildBildBild
Wie man sieht ist bei den 2 abgebildeten Gynen die Gaster unnatürlich groß und unförmig!

Zuerst dachte ich das es sich vielleicht um Verletzungen beim Kampf handeln könnte, doch sind die Symptome vollkommen gleich bei den Verstorbenen! Ausserdem haben 2 einen überaus gesunden Eindruck gemacht und ganz normal Eier gelegt bis sie dann innerhalb kurzer Zeit verstorben sind.

Daher ist meine Vermutung nun das es vielleicht Nematoden sein könnten! Die Symptome scheinen zu passen!
Wäre das möglich? Oder gibt es noch andere Krankheiten/Parasiten die ähnliche Symptome hervorrufen?

Vielleicht fällt hier jemanden etwas ein, oder jemand kann genaueres zu Nematoden sagen?

Ich hoffe nur das die beiden verbliebenen Königinnen gesund bleiben und nicht auch noch die Symptome zeigen!

MFG



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Dunpeal
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#2 AW: Manica rubida - Todesursache?

Beitrag von Dunpeal » 20. Juni 2009, 17:35

Versuch dochmal den Gaster leicht zu öffnen, diese Würmer scheinen ja nicht gerade klein zu sein vielleicht findest du einen.


Ich halte: Pheidole pallidula ~ 400 Arb.; Formica (Raptiformica) sanguinea ~ 30 "Sklaven"; Lasius cf. flavus (Gründung)

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Boro
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#3 AW: Manica rubida - Todesursache?

Beitrag von Boro » 20. Juni 2009, 19:00

Hallo jkiefer!
Sehr interessante Beobachtungen und gute Bilder! Das schaut mir auch nach einem Parasitenbefall aus.
Vielleicht hatten wir es hier in den vergangenen 2 Jahren mit diesem od. einem ähnlichem Krankheitsbild zu tun, worüber ich auch berichtet habe:Bedrohtes (Ameisen) Paradies - Ameisenforum.de
Das waren allerdings Beobachtungen in der Natur mit leeren Nestern und toten Arbeiterinnen. Die Sache war damals unklar, weil ich keine Königinnen oder verwertbare Belegexemplare gefunden habe.
L.G. Boro



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jkiefer
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#4 AW: Manica rubida - Todesursache?

Beitrag von jkiefer » 23. Juni 2009, 15:57

Hallo,

ich habe eine der verstorbenen Gynen nun mit Skalpell unter einem Mikroskop geöffnet und konnte nichts wurmähnliches erkennen (was aber nichts heißen muss), allerdings war die Gaster zur Hälfte komplett leer (vielleicht hat der Wurm seinen Wirt verlassen und ihn so getötet?). Woran es also gelegen hat weiß ich nicht, Nematodenbefall bleibt aber wahrscheinlich!
Vorallem da Manica rubida vorzugsweise in für Nematoden günstigen Habitaten anzutreffen ist (sehr feucht). Und die Gynen stammen aus einem Gebiet das sogar für Blutegel feucht genug ist!

Die letzten Tage habe ich nun genutzt mich ein wenig näher mit Nematoden, insbesondere Fadenwürmer der Familie Mermithidae, zu beschäftigen!
Und leider scheint die Bedrohung durch diese Parasiten bzw. die Menge des Befalls wahrlich erschreckend zu sein.

Es gibt zwar auch Nematoden die selbst bei stärkstem Befall der Ameisen nicht mehr wie unliebsame Mitesser sind wie z.b. die Arten Caenorhabditis dolichura, Diploscapter lycostoma, Pristionchus lheritieri und Eudiplogaster histophorus, aber auch Arten die im Stande sind ganze Völker zu vernichten.
Die 4 oben genannten Arten parasitieren während ihres Larvenstadiums bei fast allen einheimischen Arten und leben dort in den Pharynxdrüsen im Kopf der Ameisen. Diese Nematodenlarven werden durch die Nahrung aufgenommen und wandern dann in die Pharynxdrüsen. Nach einiger Zeit wird der Wirt dann auch wieder über den Mund vor der Weiterentwicklung (in adulte Fadenwürmer) verlassen. Erschreckend ist aber die Häufigkeit des Befalls, bei Camponotinae über 40% der Nester und über 20% der Individuen! Bei diesen Arten ist aber selbst bei schwerstem Befall keinerlei Schädigung des Wirtes festzustellen. (Quelle: Untersuchungen über Nematoden in den Drüsen des Kopfes der Ameisen) Wäre auch mal interessant zu wissen wie viele der in Haltung befindlichen Kolonien befallen sind.

Die für Ameisen gefährlichsten Nematoden sind eindeutig Vertreter der Familie Mermithidae. Diese können für die Veränderungen, wie bei den Bildern im Ameisenwiki zu sehen, verantwortlich sein und können auch zu Zwergwachstum von Gynen bzw. zu Flügelverkürzungen führen, meistens sieht man rein äusserlich allerdings keinerlei Veränderungen.
Während des Larvenstadiums suchen diese Fadenwürmer sich einen Wirt, in dem sie heranwachsen um dann als adulte Fadenwürmer ihren Wirt wieder zu verlassen. Wie sie in den Wirt gelangen ist wohl noch nicht geklärt, es gibt zwar Vermutungen (z.b. über verseuchtes Wasser oder das sie sich in Ameisenlarven bohren) aber konkretes konnte ich nicht finden.
Das Verlassen des Wirtes ist dagegen wohl weitestgehend bekannt, manche Arten veranlassen wohl sogar ihre Wirte dazu sich ins Wasser zu stürzen, dort zu ertrinken und der Nematode sprengt dann die Gaster. Im Wasser wird sich dann vermehrt und die nächste Generation befällt die Ameisen.
Diese können sich dann wohl auch wie eine Epedemie ausbreiten und ganze Populationen auslöschen.

Nematoden sind wohl weitaus gefährlicher als viele Halter denken, gefährlicher wie parasitäre Milben auf alle Fälle. Denn sie sind nunmal Endoparasiten und deshalb nicht zu erkennen.
Hier bietet sich eindeutig mal wieder ein Verweiß zum Infektionsthread an!

Wie gesagt, Manica rubida erscheint mir eine der gefährdetsten einheimischen Arten zu sein in Bezug auf tödlichen Nematodenbefall, und daher wäre es tatsächlich eine mögliche Ursache für den unerklärlichen Rückgang der Population die Boro geschildert hat.

Wer weiß wieviele Gynen während der Gründung an Nematoden verstorben sind und wieviele Kolonien befallen sind! (Vorsicht, gleich kommt ein Shopbetreiber und sagt, ihre Kolonien sind ganz sicher nicht befallen da sie von 2 Personen kontrolliert werden :baeh:)
PS: da hab ich doch tatsächlich was gefunden: KLICK!

Tja Nematoden werden wohl oft unterschätzt, die meisten Halter wissen wohl nichtmal das von Fadenwürmern eine Gefahr ausgehen kann!
Wer irgendetwas hinzufügen will, Fragen hat, weitergehende Informationen hat, oder falls ihr irgendwelche Falschinformationen findet so zögert nicht zu antworten, mich zu korrigieren...

MFG



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#5 AW: Manica rubida - Todesursache?

Beitrag von Gast » 23. Juni 2009, 18:11

@ jkiefer,

Vielen Dank für die Arbeit, die Du Dir in der Angelegenheit gemacht hast! (Ich kann Dich leider nicht „schon wieder“ bewerten, wie mir der Lobzettelnautomat vorhält :) ).
Ich habe ein paar Kommentare und Ergänzungen zu Deinem Beitrag:

Die Veröffentlichung von Ahmed Wahab ist von 1962, also ziemlich betagt. Später hat man anscheinend nie wieder davon gehört. Aber das zeigt vielleicht auch, wie wenig über Parasiten von Ameisen geforscht wird?
Hölldobler & Wilson 1990 „The Ants“ erwähnen Wahab nicht. Sie zitieren aber die noch ältere Untersuchung von Werner J. Kloft 1949, der Mermithidenbefall untersucht hat (übrigens auch in Franken):
http://www.springerlink.com/content/n47530650j2661w6/
Einsehbar ist auch ein kurzes Literaturverzeichnis.

Im Ameisenforum gibt es einen kurzen Hinweis:
http://ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-archiv/ameisengaeste-und-parasiten-t20258.html
Der Einfachheit halber kopiere ich die wesentliche Passage:
Von Mermis parasitierten Ameisen bin ich nicht oft begegnet. So waren in rund 170 Völkern der einheimischen Myrmecina graminicola gerade mal in einem Volk zwei Arbeiterinnen infiziert, die Würmer krochen eines Tages von selbst aus den Ameisen heraus.
Häufiger scheinen sie bei einheimischen Lasius und Myrmica vorzukommen. Eine Untersuchung liegt aus der Umgebung von Würzburg vor (Kloft, W. 1949: Über den Einfluß von Mermisparasitismus auf den Stoffwechsel und die Organbildung bei Ameisen. Z. Parasitenkd. 14, 390-422.). Der Verf. hat mir berichtet, dass er eine rasche Methode zur Überprüfung eines Volkes entwickelt habe: Wenn auf der Unterseite eines flachen Steines zahlreiche Lasius -Arbeiterinnen saßen, konnte er mit einem raschen Schlag der Handfläche eine größere Zahl davon zerdrücken. Die freigesetzten Würmer waren dann leicht zu erkennen. Die Untersuchungen ergaben u.a., dass befallene Geschlechtstiere oft einen verkümmerten Thorax und nur kurze Flügelstummel besitzen.
Der Lebenszyklus der Würmer sieht so aus, dass die erwachsenen Tiere im Boden leben und dort ihre Eier ablegen. Die Wurm“larven“ kriechen dann offenbar in Ameisenlarven hinein und wachsen in deren Leibeshöhle heran, während die Ameisenlarve weiter frißt, wächst und sich schließlich
verpuppt. In der adulten Ameise wird auch der Fadenwurm erwachsen.

In dem Text von A. Wahab sind zwei Namen erwähnt, die man für sich korrigieren muss:
- Camponotinae: Ein veralteter Name für Formicinae!
- Myrmica laevinodis ist heute Myrmica rubra.

Die von A. Wahab erwähnten winzigen Nematoden leben in den Pharynxdrüsen der Ameisen in großer Zahl, sollen aber für ihre Wirte nicht schädlich sein. – Das ist durchaus denkbar!
Es gibt zahllose „Parasiten“, die sich im Laufe der Evolution mit ihren Wirten so arrangiert haben, dass beide miteinander leben können. Ich will nur daran erinnern, dass wir Menschen, alle (!), Haarbalgmilben in unserer Haut haben. Sie sind winzig, man sieht sie nicht, man spürt sie nicht, aber sie sind da, fressen Talg aus den Drüsen der Haarbälge und vermehren sich, allen Desinfektions- und Deo-Mittelchen zum Trotz :) .

Natürlich, und das will der berüchtigte Infektionsthread ja vermitteln, kann niemand sagen, ob vielleicht Atta sp. oder Myrmecia sp. oder eine vietnamesische Camponotus sp. in ihren Pharynxdrüsen solche Nematodenarten haben, die in einer europäischen Ameise dann doch virulent werden und die neuen Wirte schädigen. Who knows?

MfG
Merkur



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jkiefer
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#6 AW: Manica rubida - Todesursache?

Beitrag von jkiefer » 2. Juli 2009, 10:53

Hallo,

vielen Dank für die Ergänzungen und Kommentare Merkur!
Paratismus bei Ameisen ist ein wirklich interessantes und vielschichtiges Thema, worüber leider wohl viel zu wenig geforscht wird und das bei den Ameisenhaltern leider viel zu wenig berücksichtigt wird!
Umso mehr ein Grund mich tiefergehend mit der Materie zu beschäftigen...

Die Todesursache der letzt verstorbenen Gyne hat sich mittlerweile geklärt. Nach längerer Suche (im überbrühten und danach eingetrockneten) Bodengrund habe ich tatsächlich einen etwa 5cm langen Fadenwurm gefunden! Dieser kann nur aus der Königin stammen, da (ganz entgegen meiner Art) die Haltung überaus steril war.
Meine Vermutung hat sich also zumindest in diesem Fall bestätigt, Schuld war Nematodenbefall!

Den beiden verbliebenen Gynen geht es (noch?) gut, verhalten sich normal und haben bereits die ersten Larven! Beide werden jetzt erstmal ein wenig gepusht und dann wahrscheinlich spätestens nächstes Frühjahr wieder in die Freiheit entlassen!

MFG



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#7

Beitrag von jkiefer » 18. Oktober 2009, 17:24

Hallo,

als kleine Ergänzung (und kleine Erinnerung an die Thematik der Parasiten) ein Fund einer von Nematoden befallenen Wolfsspinne (Pardosa amentata):
BildBild

Wirklich erstaunlich ist die Tatsache das sich im wirklich nicht besonders großen Abdomen dieses Spinnenweibchens unglaubliche 5 Nematoden mit einer Länge von jeweils 5-7cm befanden.
Trotzdem war rein äusserlich keine aussergewöhnliche Vergrößerung des Abdomes zu erkennen.
Unglaublich auch das diese Spinne überhaupt noch gelebt hat und eine ganz normale Beweglichkeit an den Tag legte.

Abschließend kann ich nur noch einmal jedem Ameisenhalter raten, die Thematik der Krankheiten und Parasiten ernstzunehmen. (Nochmal der Link zum Infektionsthread!)

MFG



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