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Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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PhilippF.
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#1 Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Beitrag von PhilippF. » 20. Mai 2024, 19:36

Hallo, gleichgesinnte Ameisenentusiasten

Sollte der Beitrag an falscher Stelle sein einfach bitte verschieben.

Durch das Lesen mehrerer Beiträge kam mir die Frage auf, ob in unserer Haltung die Nesttemperatur nicht durch das beheizen deutlich zu hoch ist.
Denn in der Natur sind Nester teilweise durch Berichte oder Erfahrungen. Zwischen ein paar Zentimeter und mehreren Metern tief. Dadurch müsste sich die Nesttemperatur zumindest dort, wo die Königin sitzt, relativ gleichbleibend niedrig bzw. hoch (auch im Winter) sein.

Mir ist bewusst für die Entwicklung der Eier. Larven und Puppen wird eine bestimmte Temperatur benötigt, aber könnte es für exotische Arten bedeuten, dass diese nicht, bis Eier gelegt wurden, entsprechend beheizt werden müssten oder ein Nest in anderer Form angeboten werden sollte.
Und nur die Arena, als Außenbereich gewisse Temperaturen benötigt.

Wie denkt ihr darüber, ist mein Gedankenspiel ein kompletter Holzweg oder könnte es in die richtige Richtung gehen?
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antics
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#2 Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Beitrag von antics » 20. Mai 2024, 21:15

Spannende Frage!

So eine ähnliche Frage hatte ich mir auch schon gestellt und habe mich durch verschiedene Paper durchgearbeitet. Ein relativ umfangreiches zu den Strategien bzgl. Nesttemperatur findest du z.B. hier:

Klick

Hier ein paar Gedanken zu dem Thema:

Ich verstehe daraus, dass die Temperaturen im Nest nicht gleichmäßig sind und Ameisen verschiedene Strategien entwickelt haben, um dem zu begegnen. Dabei kommt es meines Erachtens auch weniger auf die Königin an, als viel mehr auf die Brut bzw. das "Gesamtnest".

Beispielsweise gibt es folgende Möglichkeiten, die mir aus der Erinnerung noch einfallen:
- Nestbau und Struktur (verschiedene Tiefen, Hügel, Isolation, Belüftung)
- Thermische Migration (Verlagerung der Brut oder des ganzen Nestes)
- Änderung der Aktivität (Stoffwechselwärme, Ansammlungen)

Daneben gibt es auch rein praktische Gründe als Halter. Normalerweise wollen wir möglichst schnell eine gewisse Entwicklung und eine niedrigere Temperatur hat auch auf den Stoffwechsel der Königin einen Einfluss, sprich Eiablage. Evtl. kommen auch noch Stressreaktionen bei wirklich ungünstigen Bedingungen hinzu.

Unwissenschaftlich zusammengefasst würde ich daher vermuten, dass Ameisen sich bei einer korrekten Beheizung (verschiedene Temperaturzonen) den richtigen Platz "suchen" und im Falle der Königin die Temperatur zumindest für ihren Stoffwechsel Bedeutung hat. Des weiteren gibt es in den meisten Fällen ein breites Spektrum, was eine Königin so aushalten kann. Als Gegenprobe bietet sich die Frage an, was der Nachteil einer zu hohen Beheizung der Königin sein könnte, wenn deren Optimaltemperatur nicht deutlich abweichen sollte. Bei Insekten findet sich zudem auch das Gegenteil, dass deutlich niedrigere Temperaturen zum Leben und zur Brutentwicklung reichen, für die eigentliche Reproduktion aber etwas höhere Temperaturen benötigt werden.

Ohne Temperaturen ist es aber schwer darüber zu diskutieren, da unbeheizt in meinem Fall z.B. 24°C (RG) und beheizt 25-26°C (Arena + Nestbereich) heißt. Also vernachlässigbar.
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Harry4ANT

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#3 Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Beitrag von Harry4ANT » 20. Mai 2024, 21:18

Prinzipiell legen (meines Wissens) Ameisen ihre Nester so an, dass diese kurzfristige Temperaturspitzen (nach oben und nach unten) erstmal ausgeglichen werden und innerhalb vom Nest verschiedene Zonen (wärmere / kühlere & trockenere / feuchtere Bereiche) entstehen.


Aus meiner persönlichen Erfahrung in der Haltung würde ich sagen:

- die Temperatur in der Arena spielt nur einer sehr untergeordnete Rolle. Selbst afrikanische Arten scheinen keine Probleme oder ein Meid-Verhalten zu entwickeln bei unbeheizten Arenen und eher kühlen Raumtemperaturen.

- die Ameisen (egal ob einheimisch o. exotisch) bevorzugen beheizte Nester, die Brut wird an den wärmsten Stellen gelagert (exakte Position in Abhängigkeit vom Brutstadium), solange die Beheizung ein gewisses Level nicht überschreitet. Grob 30 Grad am HotSpot bzw. der wärmsten Stelle im Nest passt wohl recht gut für viele div. Ameisenarten unterschiedlicher Herkunft - diese punktuell mit einem Temperaturgefäll innerhalb des Nestes.

- auch ohne Beheizung entwickeln sich exotische Arten in aller Regel problemlos solange es ein bestimmtes Temperaturlevel nicht unterschritten wird - nur dauert es erheblich länger als in entsprechend beheizten Nestern.
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A.octospinosus_ 4) _C.cosmicus_ 4) _T.nylanderi_ 4) _C.nicobarensis_ 4) _P.megacephala_ 4) _A.gracilipes_ 4) _M. barbarus_ 4) _C.japonicus_ 4) _C.fellah

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#4 Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Beitrag von Erne » 21. Mai 2024, 09:21

Die hohen Nesttemperaturen haben möglicherweise ihre Ursache in Verallgemeinerungen.
Zudem hat sich die Ansicht verbreitet, je höher die Temperatur umso schneller die Entwicklung.
Sicherlich verkürzen sich bei einigen Arten die Zeiten vom Ei bis zum Ameisenschlupf, ist nur die Frage wie weit lässt sich das durch höhere Temperaturen fördern, ab wann führt es zu Schäden.
Ameisenarten reagieren mitunter recht unterschiedlich.

Weitere Irrtümer leiten sich aus technischen Gründen ab, Temperaturmessungen sind ungenau oder nicht in allen Nestbereichen machbar oder werden an falscher Stelle durchgeführt.
Temperaturveränderungen im Nest führen oftmals auch zu Feuchtigkeitsveränderungen, das macht es schwierig herauszufinden ob Ameisen bestimmte Temperaturbereiche annehmen oder meiden.
Ob sie nicht der fehlenden Feuchtigkeit wegen umziehen.

Wie weit in der Natur bestimmte Temperaturbereiche aufgesucht werden, sicherlich schwierig abzuklären und ob Ameisen, beeinflusst durch höhere Temperaturen in tiefere Erdschichten ziehen, bzw. ab welchen Temperaturen sie tiefer ziehen, wohl kaum messbar.
Dazu kommt noch die Trockenheit mit steigenden Temperaturen, die auch mit dazu führt, dass Ameisen tiefer ziehen.

In der Haltung erscheinen mir oftmals angegebene Nesttemperaturen als überhöht.
Stellt sich die Frage ob das immer hilfreich für die Entwicklung und die Lebenszeit ist?

Wie vorab schon angesprochen, eine sehr interessante Thematik.

Grüße Wolfgang
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Serafine

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#5 Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Beitrag von Serafine » 21. Mai 2024, 17:21

PhilippF. hat geschrieben: ↑
20. Mai 2024, 19:36
Hallo, gleichgesinnte Ameisenentusiasten

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Durch das Lesen mehrerer Beiträge kam mir die Frage auf, ob in unserer Haltung die Nesttemperatur nicht durch das beheizen deutlich zu hoch ist.
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Mir ist bewusst für die Entwicklung der Eier. Larven und Puppen wird eine bestimmte Temperatur benötigt, aber könnte es für exotische Arten bedeuten, dass diese nicht, bis Eier gelegt wurden, entsprechend beheizt werden müssten oder ein Nest in anderer Form angeboten werden sollte.
Und nur die Arena, als Außenbereich gewisse Temperaturen benötigt.

Wie denkt ihr darüber, ist mein Gedankenspiel ein kompletter Holzweg oder könnte es in die richtige Richtung gehen?
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Deine Ãœberlegung macht Sinn und ist auch der Grund, warum in der Regel empfohlen wird einen Temperaturgradienten im Nest zu haben (also sprich nur eine Seite oder nur ein Viertel des Nests zu beheizen).

Die Temperatur der Arena/des Außenbeckens spielt in der Regel keine so große Rolle, sofern sich nicht gerade das Nest darin befindet oder man echte Wüstenameisen (oder Winterameisen) hat.
In der Natur müssen die Ameisen auch mit groben Schwankungen zurechtkommen und die Arbeiterinnen sind da normalweise ziemlich resistent.

Zu berücksichtigen ist bei solchen Überlegungen aber auch, dass nur weil die Ameisen in der Natur bestimmte Temperaturen zur Verfügung haben, es nicht unbedingt bedeuten muss, dass diese Temperaturen ideal sind.
Es spielen ja auch noch andere Gründe bei der Standortwahl eine Rolle (Schutz vor Räubern, verfügbares Futter, Nestfeuchtigkeit, etc.), da ist es garnicht mal so unwahrscheinlich, dass man in der Haltung mehr perfekte Parameter zusammenbekommt als in der Natur an einem Ort realistisch verfügbar sind.
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PhilippF.
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#6 Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Beitrag von PhilippF. » 26. Mai 2024, 22:06

Vielen Dank erstmal für die Antworten, der extern geteilte Beitrag von antics ist sehr teifgreifend und interessant zu lesen.
Mir ging es genau darum ob nicht, das dauerhafte beheizen bzw. die zu "hohen" Temperaturen, zu daurhaften Schäden / langzeitschäden führt. Könnte es nicht auch die Lebensdauer der Königin verlängern (hohe Temperatur = Stress) wenn diese in kühleren Bereichen sitzt und auch das beim Hochzeitsflug erhaltene Spermium schützen?

Bei einheimichen Arten mache ich mir weniger Gedanken, obwohl in meiner überlegung es schon sein kann das der Bereich zwischen 15 und 18°C der Königin vorbehalten ist. Denn Mist man Bodentemperaturen ab etwa 30 / 40 cm, gibt es schon einen deutlichen unterschied zu oben. Auch im Sommer.

Bei den exoten ist mir dieser Gedanke eher gekommen, vorallem solchen die in dauerhaften, ganzjährig warmen Gebieten heimisch sind. Ja der Boden wärmt sich auch bis in gewisse Schichten auf aber auch dort wird die Temperatur deutlich nach unten abnehmen.
Wenn man liest das zu ihnen dauerhaft 23- teils 30°C im Nest empfohlen wird. Das halte ich eher möglich als außen, sprich Temperatur ín der Arena für denkbar. Könnte man also hier bis zu den ersten Eiern, eine Gyne nicht bei etwa 18-22°C, oder sogar etwas niedriger, gründen lassen?


Es geht mir rein um Gründung und Temperatur die der Gyne dauerhaft guttun würden.
Den Rest übernehmen später Pygmäen / Arbeiterinnen und verteilen diese in perfekten Zonen des Nests.



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Serafine

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#7 Nesttemperatur (wirkliche Bodentemperatur)

Beitrag von Serafine » 26. Mai 2024, 23:44

Also bei meinen eigenen Camponotus barbaricus (Ameisen aus Südspanien, direkt an der Grenze zu Afrika - also einer eher sehr warme Gegend), kann ich folgendes beobachten.

- Die Königin hielt sich immer in der Mitte der Nester auf (es wird nur eine Seite beheizt), mittlerweile ist sie in das dem Nest angenzende Glasbecken ausgezogen und hat sich in einer Kunstwurzel aus Ton niedergelassen.
- Die meisten Larven befinden sich stets in der Mitte der Nester, direkt am Wärmekabel und in den Wasserreagenzgläsern auf der gegenüberliegenden Seite sind aber auch immer welche (die werden auch immer durchrotiert). Mittlerweile liegen auch welche in der Tonwurzel und sogar auf dem Boden des (meist abgedunkelten) Hauptbeckens.
- Eier sind entweder in den Wasser-RGs oder in der Nähe des Heizkabels, selten in der Mitte.
- Puppen sind fast alle in den Kammern der warmen Seite. Einige largern sie auch in dem Schlauch der in das zweite Becken führt, direkt dort wo darunter die Wärmekabel der Nester sind.
- Die Männchen drängen sich geradezu an den warmen Wänden.
- Wo sich Jungköniginnen bevorzugt aufhalten kann ich nicht sagen, da ich noch keine in größeren Mengen hatte.



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