Anatomie einer KöniginIch denke, es kann nicht schaden, sich zwischendurch einmal wieder mit dem
Körperbau von Ameisen zu beschäftigen. Ich wähle dazu meine Lieblingsart, die seltene u. vom Aussterben bedrohte Amazonenameise (
Polyergus rufescens) aus und will versuchen, euch den Körperbau einer
Gyne und einer Intermorphe näher zu bringen.
Bei Polyergus rufescens gibt es prinzipiell
1. das geflügelte Vollweibchen und in etlichen Nestern auch eine Zwischenform zwischen
Königin und Arbeiterin,
2. die Intermorphe od. Ergatogyne. Letztere besitzt einen
Thorax, der jenem der Arbeiterin ähnlich ist und keinen Platz für die Flugmuskulatur aufweist. Diese Morphen sind also immer flügellos. Vom Geschlechtsapparat her gesehen, müssten sie auch
begattet werden und schließlich befruchtete Eier legen können, weil auch ein entsprechenes Receptaculum seminis (Samentasche) vorhanden ist.
Tatsächlich ist die Funktion dieser Morphe bis heute nicht geklärt. Zuletzt wurde die These aufgestellt, es handle sich nur um vergängliche Zwischenformen, die unbefruchtete Eier als Nahrungsreserve legen würden.
1. Ein Vollweibchen in lateraler (seitlicher) Ansicht:Hier sehen wir einen voll entwickelten
Thorax. Das auffallend stark entwickelte Propodeum gehört mit dem ungewöhnlich dicken, fleischigen Petiolus bereits zum "Hinterleib" (
Abdomen). Ob der mächtige Petiolus eine besondere Funktion hat, ist nicht geklärt. Bemerkenswert ist auch die auffallend schmächtige
Gaster, oft ein Merkmal sozialparasitischer Arten.
2. Eine typische Ergatogyne: Diese grellrote Farbe besitzen diese Morphen gleich nach der Aushärtung des Chitinpanzers. Die Vollweibchen (und auch
physogastrische Arbeiterinnen in weisellosen Nestern!) nehmen eine sehr ähnliche Färbung im Zuge der Aktivierung der Eierstöcke an. Warum es diese bei Ameisen sicher sehr seltene
Farbänderung gibt, ist bisher nicht untersucht worden.
Sofort erkennt man, dass der
Thorax anders gebaut ist: Einem breiten und weit nach hinten reichenden Pronotum schließt sich ein kleines Mesonotum an. Dort wo man bei einer
Gyne Scutellum und Metanotum erwarten würde, ist in der starken Einbuchtung nur ein kleines Metanotum zu sehen, das rudimentäre Scutellum ist nicht sichtbar. Das Propodeum tritt durch diese starke Einschnürung als ein mächtiger, beinahe isolierter Klotz in Erscheinung. Der dicke Petiolus ist hier ebenfalls gut erkennbar.
Als Vergleich zum Vollweibchen will ich hier noch die
Gyne einer recht bekannten Art vorstellen:
Serviformica rufibarbis, übrigens trotz aller sichtbaren Unterschiede in der Morphologie zu
Bild 1 doch eine
nahe verwandte Art (!). Eine wichtige Wirtsameise für
Polyergus r. Neben den völlig verschieden gebauten
Mandibeln fällt sofort auch die viel größere
Gaster auf, ein typisches Merkmal einer selbständig gründenden Art. Das Größenverhältnis von Pronotum (schmaler als bei P. rufescens) und Mesonotum scheint hier besser "ausgewogen" zu sein. Scutellum und Metanotum sind den entsprechenden Bereichen von
Polyergus ähnlich. Deutlich tiefer angesetzt, kleiner und besser an den
Thorax "angeschweißt" sehen wir das Propodeum. Der Petiolus ist hier völlig anders aufgebaut und entspricht jenem der Formica-Verwandtschaft.
Abschließend wäre noch zu bemerken, dass die 2 Vollweibchen (1+3) unmittelbar nach dem Schwärmen vor einer Nestgründung kurz in die Box ausgeliehen wurden. Die Ergatogyne wurde auf einem Polyergus-Nest eingesammelt.
L.G.Boro