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Cataglyphis im Freiland.

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Frank Mattheis
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#1 Cataglyphis im Freiland.

Beitrag von Frank Mattheis » 17. August 2005, 15:23

In den letzten Jahren habe ich immer wieder in den MittelmeerlĂ€ndern Urlaub gemacht, nicht nur wegen ihrer landschaftlichen Schönheit, sondern vor allem um die Arten der Cataglyphis beobachten zu können. Erste Begegnungen mit ihnen hatte ich im Norden Spaniens, hier mit den Cataglyphis aenescens. Ich war sofort von der Gewandheit und Geschicklichkeit der Tiere beeindruckt. Mehrmals versuchte ich im harten Lehmboden eine Kolonie auszugraben, immer scheiterte das nach wenigen Zentimetern an der HĂ€rte des von der Sonne getrockneten Bodens. Ein Weitergraben hĂ€tte bedeutet, viele Tiere zu töten, dieser Preis erschien mir zu hoch. NatĂŒrlich versuchte ich anfangs immer, die bereits ausgegrabenen Tiere einzufangen. Dies war aber immer schwierig, die Cataglyphis mit ihren hervorragenden optischen FĂ€higkeiten wichen immer geschickt und schnell aus. Oft flohen sie einige Zentimeter, drehten sich dann um und beobachteten mein Vorgehen. Einige erkletterten sogar erhöhte Punkte wie Grashalme und Steine, um mich zu beobachten. Nur wenige der ausgegrabenen Ameisen griffen meine HĂ€nde an, meist flohen sie in die Umgebung des Nestes und nur wenige versteckten sich dann, die meisten versuchten bald, zurĂŒckzukehren und mich zu beobachten. Angesichts dieser Aufgewecktheit der Tiere hielt ich also solche Grabungen nie lange durch, immer hoffend, vieleicht an anderer Stelle das Überraschungsmoment auf meiner Seite zu haben und eine Königin in den oberen Nestbereichen zu finden.
Eine Jungkönigin der C. aenescens fiel mir ein Jahr spÀter in die HÀnde, die Art schwÀrmte zu dieser Zeit, Ende April.
Im SĂŒden Spaniens bei Murcia und in Portugal an der Algarve fand ich weitere Arten der Cataglyphis, die ich jedoch nicht bestimmen konnte.
In weiteren Jahren suchte ich immer wieder mal die tunesische KĂŒste auf. Hier war die Artenvielfalt und die Besiedlungsdichte durch Arten der Cataglyphis viel grösser. Die hĂ€ufigste und auffallendste Art bei Monastir und auf Djerba war die C. viaticus. Neben ihr im gleichen Lebensraum gab es einige weitere kleinere Arten, auf Djerba ausserdem die dort seltene C. bombycina. Dort, wo viaticus lebte, bestimmte diese Art das Leben am Boden, alle anderen Arten fristeten ein Schattendasein und wichen durch Kleinheit und Behendigkeit den grossen viaticus aus. Eine weitere interessante und grosse, glĂ€nzendschwarze Art der Cataglyphis lebte ausschliesslich in den Deichen der Salinen, sie nistete hier im sehr feuchten und salzhaltigen Lehmböden. Die Ameisen ernĂ€hrten sich durch das Sammeln der toten Eintagsfliegen und Salzfliegen, die stets in Mengen am SpĂŒlsaum der Salinen zu finden waren. In diesem Biotop waren diese Ameisen fast konkurrenzlos, es gab kaum andere Arten.
Andere grosse Ameisenarten wie Camponotus maculatus leben nachtaktiv und weichen so den tagsĂŒber stĂ€ndig und ĂŒberall umherstreifenden viaticus aus.
Einige Male musste ich Kolonien der maculatus öffnen, um an Brutstadien der Art heranzukommen. Ich hatte grĂŒndende Jungköniginnen der Art gefunden und wollte diesen einen guten Start ermöglichen. Obwohl zu Beginn der Grabarbeiten weit und breit keine umherstreunenden viaticus auszumachen waren, erschienen doch immer sehr bald viaticus nach Beginn der Grabungen. Die stĂ€ndig das Gebiet durchstreifenden und immer neugierigen Tiere schienen einen ganz besonderen Instinkt fĂŒr das "Malheur" anderer Ameisenarten zu haben. Sofort wurde der "Tatort" untersucht, mit grosser Scheu und gleichzeitig grosser Neugier observierten die Cataglyphis kurze Zeit das Geschehen. Merkten sie, dass was zu holen war, wurden sie regelrecht frech und versuchten, Brutstadien und Imagines der maculatus zu rauben. Nie aber benahmen sie sich wie lebensmĂŒde Hasardeure, immer zeigten sie einen gewissen Respekt und Rest an Vorsicht, begaben sich flink und nach allen Seiten sichernd in die NĂ€he des offenen maculatus-Nestes, dabei immer flucht- und sprungbereit. Immer hatte ich den Eindruck, dass die Cataglyphis nicht nur die maculatus, sondern eher mich als Bedrohung einkalkulierten. WĂ€hrend die maculatus meine HĂ€nde angriffen und sich in ihnen verbissen, beobachteten die Cataglyphis mein gesamtes Tun und bemerkten auch, wenn ich mich fĂŒr kurze Zeit zurĂŒckzog, denn dann hatte sie es nur noch mit den maculatus zu tun. Mit den maculatus konnten sie leicht fertig werden, selbst die grossen Majorarbeiterinnen der maculatus konnten den flinken und agressiven Cataglyphis wenig entgegensetzen. Mit Erstaunen beobachtete ich, wie grosse Majorarbeiterinnen der maculatus durch Nackenbiss kurzerhand enthauptet wurden.
Waren erste Cataglyphis bei diesen Raubzug erfolgreich, erschienen bald weitere auf der BildflĂ€che. Das Nest der Cataglyphis befand sich etwa in einer Entfernung von 50 Metern, in kĂŒrzester Zeit legten die Tiere diese Entfernung zurĂŒck. FĂŒr diese teilweise dicht bewachsene Strecke benötigten sie etwa vier Minuten. Obwohl anfangs nur wenige Arbeiterinnen den Ort meines Tuns am Nest der maculatus fanden, wurden es sehr bald viele mehr. Alle Cataglyphis schienen dem gleichen Nest zu entstammen, denn sie zeigten keine Agression untereinander. Es wurden so schnell mehr, dass nicht davon auszugehen war, dass alle diesen Ort meine schĂ€ndlichen Tuns zufĂ€llig beim Umherstreifen gefunden hatten. Andererseits habe ich nicht beobachtet, dass die Cataglyphis ĂŒber Spurpheromone rekrutierten, sie können dies aber durchaus, ich habe es aber bisher nur bei eiligen KolonieumzĂŒgen beobachtet.
Ich habe spĂ€ter das Nest der maculatus wieder verschlossen, die Cataglyphis durchstöberten noch eine Zeitlang die Umgebung des maculatus-Nestes, Versprengte suchend. Einige begannen lustlos zu graben, hielten dies aber nicht lange durch. Überhaupt hatten die Cataglyphis nie versucht, ins Nestinnere durch die GĂ€nge der maculatus zu gelangen, hier hĂ€tten sie ihren Vorteil der Gewandheit und Schnelligkeit eingebĂŒĂŸt und wĂ€ren den maculatus unterlegen gewesen.
Ich habe Arten der Cataglyphis auch in anderen LĂ€ndern beobachtet und einige :rolleyes: von ihnen im Terrarium gehalten. Leider kann man im Terrarium nur bedingt die VerhĂ€ltnisse schaffen, unter denen die Cataglyphis ihr gesamtes "Können" zeigen. Das beginnt beim Licht, Luftfeuchtigkeit, Temperaturen usw... Viele Arten der Cataglyphis besuchen im Winter und FrĂŒhjahr die BlĂŒten niedrigwachsender Pflanzen.
Wer die Tiere einmal im Freiland bei hochsommerlichen Temperaturen auf heissen Asphalt sah, wird wissen, was ich meine. Trotzdem kann man viele dieser Arten gut und erfolgreich pflegen und beobachten.
Dies soll kein wissenschaftlicher Bericht sein, es handelt sich lediglich um Erfahrungen, die ich mit diesen interessanten Arten im Freiland gemacht habe. NatĂŒrlich habe ich mit ihnen viel mehr erlebt, in der TĂŒrkei, auf Zypern, in Ungarn und anderswo. Wenn ich einen Ameisenkrieg, hervorgerufen durch mein Zutun geschildert habe, heisst das um Gottes Willen nicht, dass ich solche Dinge stĂ€ndig inszeniere. Auch dieser war nicht beabsichtigt. Jeder, der von Zeit zu Zeit Ameisenkolonien öffnet, weiss, dass sich solche ZwischenfĂ€lle nicht immer vermeiden lassen. Kommt es nun mal dazu, kann man die Gelegenheit nutzen und interessante Beobachtungen 8o machen. Wenn es möglich ist wie es in diesem Falle war, sollte man die Sache beenden, bevor die Dinge eskalieren und eine Kolonie irreparablen Schaden nimmt.
GrĂŒsse, Frank.

Berichtigung: Bei den von mir fĂŒr den spanischen Raum beschriebenen C. aenescens handelte es sich mit Sicherheit um andere Tiere, um Cataglyphis aus der albicans-Gruppe. Diesen Hinweis gab mir Andreas Schulz :-). Vielen Dank, Andreas.



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