Ich kenne beide Arten aus Felduntersuchungen recht gut, und kann die Angaben von Seifert bestätigen:

F. cinerea ist eine typische Pionierart, man findet sie auf frisch aufgerissenen, noch nicht wieder bewachsenen Rohböden unter meist extremtrockenen Bedingungen. Dementsprechend fouragiert sie hauptsächlich an verhältnismäßig großer tierischer Beute und zeigt deutliche Reaktionen auf optische Reize (wie im Thread schon beschrieben).

F. fusca ist ein "Allrounder", man findet sie fast überall, von lichten trockengeprägten Eichenhainbuchenwäldern bis zu subalpinen Matten.
Nur wenn es zu feucht (Sumpf) oder zu dunkel (dichte Wälder) wird, fehlt sie. Die Art ist jedoch nirgendwo dominant.

Inwiefern diese Eigenschaften irgendeine Auswirkung auf die Schwierigkeit ihrer Haltung haben, ist natürlich schwer zu sagen. Klar ist jedenfalls, das F. cinerea größere Trockenheit toleriert, und mehr Probleme mit zu großer Feuchtigkeit hat.
Die Tatsache, daß sie mehr auf optische Reize reagiert als die durchschnittliche Ameise, macht sie vielleicht auch interessanter.

Man könnte vielleicht noch hinzufügen, dass das oben Gesagte für alle 3 Arten der cinerea-Gruppe Gültigkeit hat (F. cinerea, F. fuscocinerea, F. selysi), wobei der Laie (ohne entsprechendes Fachwissen, techn. Ausrüstung) die 3 Arten wohl nicht unterscheiden kann. Für cinerea u. fuscocinerea fehlen anscheinend sogar noch Unterscheidungsmerkmale (Seifert 2007, S. 188).
F. fuscocinerea kommt aber nur im Raum Süddeutschland/Ostalpen/Norditalien vor. Bei uns in Klagenfurt ist sie die dominante Stadtameise am Rande versiegelter Flächen. Vor allem zu Ahornbäumen legt sie mitunter breite, stets stark frequentierte Straßen an. Es gibt auch Superkolonien.
Die sonst üblichen Habitate sind Kies- u. Schotterterrassen entlang naturbelassener Bäche u. Flüsse. Die Mitglieder der cinerea-Gruppe gelten auch als ausgesprochene Pionierarten. Sie sind dominant und dulden keine Konkurrenz. So viel mir bekannt ist, gehören sie auch zu den schnellsten heimischen Ameisen.
Beste Grüße Boro

Für F. selysi stimmt das nicht ganz. Diese Art ist auf Überschwemmungsflächen von Flüßen spezialisiert. Kommt aber nach meiner Erfahrung auch auf "Nicht-Ufer-Pionierflächen" vor , wenn eine Population am Fluß in der Nähe vorhanden ist. Die Unterscheidung zu F. cinerea ist unter dem Binokular aufgrund der auffällig anderen Behaarung recht einfach.

In der Literatur ist für die F. cinerea-Gruppe noch eine weitere Art beschrieben: F. lefrancoisi. Bis auf den Namen kann ich zu dieser Art allerdings nicht viel sagen ...

Ich gehe davon aus, dass Formica lefrancoisi die ältere Bezeichnung von Formica fuscocinerea darstellt. Ich entnehme das zumindest indirekt auch aus dem "Seifert". Im alten Buch wird noch F. lefrancoisi BONDROIT,1918 genannt, im neuen Buch (2007) scheint die Art nicht auf und ist durch F. fuscocinerea FOREL, 1874 ersetzt. Die Habitatsangaben stimmen auch überein, nur diese Art(en) kommt(en) verstärkt im urbanen Bereich des Ostalpenraumes und seiner Vorländer vor.
Es deckt sich auch mit der "Liste der Ameisen Österreichs" 2002, wo Formica fuscocinerea FOREL, 1874 [Formica lefrancoisi BONDROIT, 1918] angegeben wird. F. lefrancoisi wohl als Synonym.
http://www.antweb.org/austria/2.pdf
Beste Grüße Boro

F. lefrancoisi ist tatsächlich ein Synonym für F. fuscocinerea.
Hier die entsprechende Revision aus 2002 : http://ia340934.us.archive.org/1/items/ants_20301/ants_20301.pdf

Lustig, dass der Hymenoptera Name Server diese noch als eigene Art führt ... ist also nicht ganz up-to-date

Also nochmal vielen Danke für die vielen und vorallem detailierten Angaben für Formica cinerea. Jetzt hab ich noch eine letzte Frage, wenn ich bei einem sehr bekannten Ameisenhandel meine Formica cinerea kaufe, ist es dann zufall welche unterart ich dann bekomme oder wie wird das gehandhabt?

Danke für die Antworten

@ Paranoid: Danke, für den Hinweis. Die Revision von Seifert hatte ich völlig vergessen. Umso peinlicher, weil ich sie ausgedruckt schon lange herumliegen habe ...
Das der Hymenoptera Name Server die Revision nicht berücksichtigt wundert mich nicht. Die Arbeiten von Seifert sind oft nicht ganz unumstritten unter den Systematikern - und der Server bildet meiner Erfahrung nach nur Revisionen ab, über die völlige Einigkeit herscht.


Zum Thema "Bestimmung von gekauften Ameisen":
Ob diese Shops wirklich in der Lage sind, ihre "Ware" korrekt zu bestimmen, habe ich mich auch schon gefragt. Aber die Haltungsbedingungen sollten eigentlich für die meisten sehr nahe verwandten Arten gleich sein.

Dann muss jetzt nurnoch der Frühling kommen