Gibt es Trophallaxis bei Messor? - Nein! s. Post #5

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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The_Paranoid
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#9 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von The_Paranoid » 16. Januar 2012, 21:40

Ich hab ja ursprünglich die Frage nach Quellen gestellt, da ich eigentlich der Meinung bin selbst schon Trophallaxis bei Messor beobachten zu haben.

Hab mal mein Foto-Archiv durchwühlt aber leider kein richtig gutes Bild gefunden. Aber man kann wenigstens ein bisschen was erkennen... aber schwer zu sagen, ob das wirklich Trophallaxis ist, da der eigentlich Vorgang nicht wirklich zu erkennen ist.
Bild

Die von Ureaplasma zitierte Arbeit hatte ich auch gefunden. Allerdings gibt es auch einige Arbeiten die das Gegenteil behaupten.

In The Ants Seite 166,167 findet man einige Verweise auf Delage in denen berichtet wird, dass Messor Drüsensekrete an Larven weitergeben (und auch andersrum). Postpharyngeal gland, salivary gland, labial gland. Bin kein Experte in der Ameisen anatomie ... aber damit dürfte das auch unter Trophallaxis fallen. Müsste man in den Arbeiten von Delange nochmal genauer nachlesen, was für mich dank mangelnder Französischkentnisse leider flachfällt.

Auch bei Blattschneider-ameisen gibt es Berichte von Trophallaxis.
Für Atta sextends
E.O.Wilson, Caste and division of labor in Leaf-Cutter Ants (Hymenoptera: Formicidae: Atta),Behav. Ecol. Sociobiol. 7 (1980),p.143-156

"workers were recorded as they regurgitated to larvae 1.5-3.0 in total length or fed tufts of hyphae to larvae in this size range (data accumulated during two days). Feeding large-intermediate larvae: workers were recorded as they regurgitated to larvae 3.0-5.0 mm in total length or fed tufts of
hyphae to larvae in this size range (data from five days). Feeding largest larvae: workers were recorded as they regurgitated to larvae greater than 5.0 mm or fed tufts of hyphae to larvae in the same size range (data from two days).
"

hier noch 2 Paper für Atta
http://www.mendeley.com/research/trophallaxis-dehydrated-leaf-cutting-colonies-atta-sexdens-rubropilosa-hymenoptera-formicidae/
http://www.springerlink.com/content/1l7582v82w733054/

Für Acromyrmex
Milton Erthal Jr. et al., Digestive enzymes in larvae of the leaf cutting ant, Acromyrmex subterraneus (Hymenoptera: Formicidae: Attini), Journal of Insect Physiology 53 (2007),p. 1101–1111

"It is possible that the adult gardener ants regurgitate chitinases from the labial glands onto the fungal material fed to the larvae, initiating the digestion of the fungal cell walls even prior to ingestion by the larvae. Conversely, larvae could regurgitate their own labial gland secretions to
supplement the digestive needs of the adults that live in close association with the larvae, receiving these liquids by trophallaxis as described for other ant species (Hölldobler and Wilson, 1990).
"

Dort wird übrigens auch nochmal auf Delange eingegangen:
"In the case of Messor capitatus, studies have shown that the larvae supply proteinases to the adults, whilst in exchange, the adults supply carbohydrases to the larvae (Delage, 1968)."

und noch ein paper für Acromyrmex
http://www.springerlink.com/content/7974741n25416824/

Von daher wäre ich sehr vorsichtig mit der Aussage, dass es keine Trophallaxis bei Ernte- oder Blattschneiderameisen gibt!



Gilthanaz
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#10 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von Gilthanaz » 16. Januar 2012, 22:39

Also sind wir nun bei:
Trophallaxis bei Ernte- und Blattschneiderameisen kommt vor, ist aber nicht die Regel. Nicht?

Das stellt uns jetzt vor die Frage: Warum lassen die Arbeiterinnen von Messor sp. lieber die Gyne verdursten, als Wasser (bzw. Nahrungsbrei) zu bringen? Oder passiert dies, nur nicht ausreichend über längere Zeiträume? Ist es die Kombination aus viel zu trockenem Nest und keiner direkten Wasserquelle?

lg,
- G



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Moriquendi
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#11 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von Moriquendi » 16. Januar 2012, 22:52

Mir stellt sich die Frage, warum es bei den höher entwickelten Arten wie Messor sp. oder Atta sp. keine (oder nur eingeschränkte) Trophallaxis gibt?

Ich meine, eine Eigenschaft verliert sich im Laufe der Evolution ja nur, wenn die Individuen einer Art ohne diese Eigenschaft einen Selektionsvorteil erhalten und diese so genetisch potenter sind und sich besser vermehren. Ich kann mir aber nicht wirklich erklären, dass das Beherrschen der Trophallaxis ein Nachteil sein soll. Oder aber es ist für diese Arten aufgrund ihrer Nahrung (Pilze & Samen) einfach nicht mehr notwendig.
Aber dann könnte es ja durchaus sein, dass es einige Vertreter der Art gibt, die noch der Trophallaxis mächtig sind und eben welche, die dies nicht mehr können. Oder irre ich mich?


per aspera ad astra

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The_Paranoid
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#12 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von The_Paranoid » 16. Januar 2012, 22:53

Dass es nicht die Regel ist würde ich auch nicht behaupten. Trophallaxis zwischen Messor-Arbeiterinnen ist wohl eher selten.
Trophallaxis zwische Arbeiterin-Larve scheint aber durchaus normal zu sein. Wie schon gesagt, kann ich in den Arbeiten von Delange nicht genauer nachlesen. Aber in The Ants steht, dass Larven bestimmte Enzyme produzieren, die die Arbeiterinnen nicht produzieren und umgekehrt. Daher werden die Enzyme zwischen Larve und Arbeiterinnen ausgetauscht (Trophallaxis).

Auch über Messor pergandei wird berichtet, bei denen die Arbeiterinnen anscheinend keine festen Partikel zu sich nehmen können. Daher werden diese von den Larven vor-verdaut und an die Arbeiterinnen zurück gefüttert. Somit wäre diese Art ohne Trophallaxis nicht überlebensfähig. Allerdings scheint dies wohl noch eine Theorie zu sein und nicht experimentell bestätigt.


Noch eine Nachtrag: also teilweise lohnt es sich wirklich genau zu lesen und die Quellen nachzuschauen. Im Volltext folgender Arbeit steht
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022191003000192
"Some of these species may have lost this capacity [gemeint ist trophallaxis] secondarily in the course of evolving more specialized food habits, as in harvesting ants of the genus Pogonomyrmex (Wilson and Eisner, 1957)"

Schaut man dann in der entsprechenden Arbeit nach
E.O. Wilson, T.A. Eisner, Quantitative studies of liquid food transmission in ants, Insectes Sociaux, 4 (1957), pp. 157–166 (Link)
so sprechen dort die Autoren zwar von "praktisch zu vernachlässigende Werten" ... dennoch zeigen die Ergebnisse, dass Trophallaxis erfolgt ist und die Fähigkeit nicht verloren gegangen ist.

Das zeigt meiner Meinung nach auch, dass diese Arten, diese Fähigkeit eben nicht verloren haben, sondern es einfach nur selten machen.



DermitderMeise
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#13 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von DermitderMeise » 2. Mai 2012, 23:53

Kurzes Update: Inzwischen konnte ich mehrfach Trophallaxis bei einer meiner Messor-Kolonien (keine Artangabe da unbestimmt) beobachten - nach einer reichlichen Fütterung mit Honigwasser, das sehr gut angenommen wurde. Die einzelnen Arbeiterinnen saugten jeweils minutenlang (bestimmt über 5 min) an dem behonigten Stück Küchenpapier, die Anatomie der Tiere ist anscheinend nicht für die Aufnahme solcher Flüssigkeitsmengen ausgelegt (warum auch?).



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Lt_Snyder
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#14 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von Lt_Snyder » 7. Juni 2014, 13:27

Hallo zusammen,

ich möchte diesen Beitrag gerne nochmal kurz reaktivieren, da ich mich aktuell das selbe gefragt habe. Danke an Merkur, dass er diese Sache damals bereits angesprochen hat und zum Erkenntnisgewinn beitragen konnte.

Da ich ja nun seit fast sieben Monaten glücklicher Chef einer Messor minor hesperius Kolonie bin, tauchte genau jene Frage in meinem Bewusstsein auf.

Grund ist, dass leider eine verkrüppelte Major zur Welt kam (die vorderen Extremitäten sind degeneriert und nach hinten gerichtet) und mir diese leid tut. Sie bemüht sich redlich bei den täglichen Arbeiten nützlich zu sein, aber verständlicher Weise gelingt das nur rech dürftig :(

Jedoch lebt diese arme Dame nun schon seit einer Woche ohne augenscheinlich aktiv Futter und Nahrung aufnehmen zu können.

Ich konnte beobachten, dass teilweise drei bis vier Kolleginnen sich um sie "kümmerten" und aktiv und oft die Mandibeln zusammen gesteckt wurden. Auch schien die benachteiligte mit offenen Mandibeln andere anzubetteln.

Das hat nun wahrlich keinen wissenschaftlichen Nährwert, aber als kleines Detail finde ich es schon nennenswert.

Ich hoffe nur die benachteiligte Major quält sich nicht und führt ein "normales" soziales Ameisenlebe. Rausholen und töten möchte ich sie keinesfalls solange sie von der Kolonie akzeptiert und umpflegt wird.


Besorgter Gruß
Chris



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