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Königinnen-Adoption mittels Hexan?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Streaker87
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#1 Königinnen-Adoption mittels Hexan?

Beitrag von Streaker87 » 16. Juli 2010, 13:01

An unserer Uni gab's letzte Woche ein Ethologie-Praktikum, in dem auch Ameisen-Experimente vorkamen, unter der Leitung von Fr. Dr. Heike Feldhaar.

Thema im Praktikum war unter anderem: Erkennung von Nestgenossen & Kolonieduft und Erkennung von Brut am Beispiel von Camponotus floridanus.

Im Kurs wurden die Gaster der Arbeiterinnen mit Hexan (unter anderem Bestandteil von gewissen Drüsensekreten) beträufelt. Einmal als Kontrolle und dann aus einem Glas mit eingelegten fremden Arbeiterinnen. Die beträufelten Arbeiterinnen wurden danach als Kolonie-fremd erkannt und angegriffen.

Ich bin auf diese Idee gekommen, nachdem ich häufiger gelesen habe, dass Halter ihre Ameisen mit Honig eingeschmiert haben um die Wahrscheinlichkeit einer Adoption zu erhöhen. Allerdings sollte man die Hexan-Behandlung nur bei größeren Kolonien durchführen, weil Arbeiterinnen geopfert werden müssen. Aber um eine große Kolonie zu retten, die ihre Königin verloren hat, sollte das wohl eine gute Option sein (meine Meinung).

Kurze Vorgehensweise, wobei ich darüber noch nicht informiert bin, ob das zu 100% klappt:

Eine Kolonie hat ihre Königin verloren und ist zum Aussterben verurteilt. Was bleibt, ist die Adoption einer neuen Königin, was eher heikel ist. Nun zum Hexan: Man nehme ein kleines Glas Hexan und tue eine gewisse Menge Arbeiterinnen hinein, die daraufhin natürlich sterben. Das Hexan nimmt den Kolonieduft der Ameisen auf, ähnlich wie in dem Film "Das Parfum" (das Verfahren gibt es wirklich). Danach gibt man ein, zwei Tropfen auf die Gaster der Königin. Das Hexan darf auf keinen Fall über die Gaster (Tergitenplatten) hinaus fließen *Hinweis1, weil sie sonst stirbt (Giftigkeit, Ersticken etc.).
Danach lässt sich nur hoffen, dass die Königin als Kolonie-eigen erkannt wird. Wie die Königin auf die "Fremden" reagiert, weiß ich leider nicht. Entweder sie lässt sich einfach abschleppen und wegziehen oder wehrt sich vehement.

Die Königin muss adopiert werden bzw. den Koloniegeruch angenommen haben, bevor der Geruch verflogen ist. Die Flüchtigkeit unterscheidet sich je nach Pheromon. Unter Umständen kann man auch eine höhere Konzentration herstellen, um dem entgegenzuwirken.

Auszüge aus dem Skript (stichpunktartig):

Kolonieduft

I. Extraktion von Arbeiterinnen


- adulte Ameisen >5min im Gefrierfach betäuben
- in RG geben und mit Hexan bedecken
- 3 Arbeiterinnen pro Kolonie 10min baden
- Arbeiterinnen mit sauberer Pinzette (mit Hexan gereinigt) entnehmen
- Extrakt eindampfen lassen bis auf 50
µl
- mit gereinigter Spritze (min. 5
µl) auf Probanden (Dummy=Papierkugel, Ameise) tropfen und Lösungsmittel verdunsten lassen
Ok, das Eindampfen etc. hat mich doch kurz etwas abgeschreckt, sollte aber soweit in der heimischen Küche machbar sein (Wikipedia: Hexan Siedepunkt ca. 69°C).

Die einfachste Variante ist, das Reagenzglas einfach mehrere Minuten stehen zu lassen, bis das Lösungsmittel sich fast vollständig verflüchtigt hat (nicht einatmen!). Eine kontrolliertere, dass man das Reagenzglas im Wasserbad unter einem Abzug abdampft (bei ca. 70°C). Die letzte Variante sollte nur von solchen durchgeführt werden, die schon Erfahrung mit Labortätigkeiten gesammelt haben, dazu befülle man das Reagenzglas, wie oben beschrieben, 1-2cm mit Hexan und dampfe es mit einem herkömmlichen Feuerzeug ab *Hinweis2.

Ich dachte aber auch, dass man mehr als drei Arbeiterinnen hätte nehmen müssen. Über andere, leicht zugänglichere Lösungsmittel, lässt sich diskutieren (z.B. Ethanol, ...).

II. Ãœbertragung der Extrakte auf a) eine kolonieeigene TOTE Arbeiterin, b) eine Puppe
Zusätzlich könnte man z.B. noch c) eine koloniefremde (tote) Arbeiterin nehmen, damit man nicht mehrere Extrakte von unterschiedlichen Kolonien herstellen muss.

Soweit zum "Versuchsaufbau". Beobachtungen, die es zu notieren galt, sahen wie folgt aus:

Verhalten:
- Toleranz "0" (Antennieren, Putzen)
- Aggression "1" (Drohen mit offenen Mandibeln, Zucken mit dem Körper, Beißversuche, Säure versprühen)
*Hinweis1: Das Lösungsmittel sollte das Mesosoma nicht erreichen.
*Hinweis2: Bitte ein Wasserbad verwenden und unterm Abzug arbeiten! (lies HIER)




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Slaz
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#2 AW: Königinnen-Adoption mittels Hexan

Beitrag von Slaz » 17. Juli 2010, 00:23

Ich kann mir vorstellen, dass die Königin dadurch innere Schäden bekommen kann,
da das Hexan ja durch die Tracheen läuft und in die Hämolymphe bzw. in die Ovarien läuft,
sofern Ameisen diese besitzen!?
Für mich ist diese Methode zu risokoreich und meines Erachtens unzumutbar für das Tier.

Gruß
Slaz



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NIPIAN
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#3 AW: Königinnen-Adoption mittels Hexan

Beitrag von NIPIAN » 17. Juli 2010, 10:47

Hoi,


deshalb schreibt er ja:
Streaker87 hat geschrieben:Danach gibt man ein, zwei Tropfen auf die Gaster der Königin. Das Hexan darf auf keinen Fall über das Mesosoma hinaus fließen, weil sie sonst stirbt (Giftigkeit, Ersticken etc.).



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Streaker87
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#4 AW: Königinnen-Adoption mittels Hexan

Beitrag von Streaker87 » 17. Juli 2010, 13:14

Streaker87 hat geschrieben:Das Hexan darf auf keinen Fall über das Mesosoma hinaus fließen, [...]


Hm, das ist noch etwas missverständlich. Es müsste wohl eher heißen: "Das Hexan darf auf keinen Fall über die Gaster hinaus fließen, [...]".

Wenn es das täte, würde es ja das Mesosoma erreichen. Wie gesagt, es werden nur ein, zwei Tropfen auf die Gaster (Tergitenplatten) geträufelt. Das Lösungsmittel verdunstet sofort und zurück bleiben die darin gelösten Duftstoffe. Es hat also kaum eine Chance durch die Tergitenplatten in die Gaster einzudringen. Ist natürlich vom Lösungsmittel abhängig, auch die Giftigkeit (Dosis beachten). Ich hab's mal geändert (*Hinweis1).

Die Frage bleibt, ob sich der alte und neue Duft mit einander vermischen, der alte abgeschwächt wird oder der neue einfach nur überlagert, weil die Konzentration höher ist und ob und warum es reicht, allein die Gaster zu beträufeln.

Vergleich: Bei der Ermittlung der Völksstärke und bei Logistik-Experimenten wird die Gaster von einzelnen Ameisen mit Farbe bepunktet, um sie wieder schneller identifizieren zu können. Mit dieser "Behinderung" scheint die Ameise gut zurecht zu kommen, sie stirbt nicht, sonst hätte das Experiment auch seinen Sinn verfehlt. Man möchte seine "Laster" ja möglichst lange pendeln sehen.

Slaz hat geschrieben:Für mich ist diese Methode zu Risokoreich und meines Erachtens unzumutbar für das Tier.


Ja, das ist wohl Ansichtssache, aber ich respektiere deine Haltung. Ich muss nur dazu sagen, hierbei handelt es sich nicht um irgendein lustiges Experiment, wie es das Skript vorsieht ("Erkennung von Nestgenossen & Kolonieduft"), sondern um die Rettung einer ganzen Kolonie, welche auch schonmal +1000 Individuen betragen kann. Möchtest du die alle überbrühen, wenn die Königin verstorben ist?
Ich werde mich auch weigern zu schreiben, dass die Hexan-Behandlung die Lösung ist, aber immer noch besser als die Königin in Honig einzulegen ;)

XXX hat geschrieben:Man schmiert sie (die Königin) mit Zucker voll, stellt die komplette Kolonie etwas kühler und tut die Queen rein. Dann wird sie angenommen.

LG,
xxx
Tipp: Gleiches könnte auch bei der Hexan-Behandlung angewendet werden.
Einfach die Kolonie samt Adoptiv-Königin kälter stellen, so bleiben die Ameisen ruhiger und die Pheromone verflüchtigen sich nicht so schnell(!).




MurofNesiema
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#5 AW: Königinnen-Adoption mittels Hexan

Beitrag von MurofNesiema » 20. Juli 2010, 23:42

e das RG 1-2cm mit Hexan und dampfe es dann mit einem herkömmlichen Feuerzeug ab.
BUMM !
So etwas macht man in einem Wasserbad, alles andere ist (auch bei geringen Mengen) unverantwortlich.

Das Problem ist nicht zwingend ein Entzünden der Hexandämpfe, aber dadurch, dass man von unten erhitzt kann es zu einer Verpuffung kommen.
Habe bereits selbst erlebt, wie c.a. 5 cm Säure eine Spritzstrecke von 2 Metern + zurücklegten.

Wasser in einen Topf und ab auf die Herdplatte. Thermometer ins Wasser und Wasser auf 60° erhitzen. Herdplatte aus.
Das Hexan im Reagenzglas in das Wasser eintauchen und schwenken. Dämpfe nicht einatmen.
Fals die Temperatur des Wassers zu sehr abfällt, Herdplatte wieder leicht anschalten.

Stellt euch mal vor, ein 13 jähriger macht das nach und hat dann 75° heißes Hexan im Auge.



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Streaker87
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#6 AW: Königinnen-Adoption mittels Hexan

Beitrag von Streaker87 » 21. Juli 2010, 08:54

Das wäre wahrlich kein schöner Anblick. Hab's raus editiert.
Ich muss dazu sagen, als mir die "RG + Feuerzeug" Idee kam, war ich im Labor und habe mir das von 'nem Chemiker bestätigen lassen, ob das funktioniert ^^
Aber du hast Recht, ich kenne es von Zuckern, die wir über dem Bunsenbrenner erhitzt haben. Das war eine riesen Sauerei, wenn man nicht aufgepasst hat. Dann muss ich den Kollegen nochmal drauf ansprechen ;)

Theoretisch ginge es wohl, aber ich habe übersehen, dass hier auch jüngere, unerfahrenere User unterwegs sind... *schäm*
Werde mich auch nochmal erkundigen, wie das im Praktikum selbst gehandhabt wurde.

Auf jeden Fall, danke für den Hinweis!




MurofNesiema
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#7 AW: Königinnen-Adoption mittels Hexan

Beitrag von MurofNesiema » 21. Juli 2010, 18:23

Ich danke ebenfalls, dass du so schnell reagiert hast. ^^

Die in meinem Post oben beschriebene Methode zum Eindampfen ist denke ich die sicherste und beste für Zuhause.


So jetzt aber back to Topic, wolle deinen Thread nicht zu sehr vom Thema ablenken.



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Streaker87
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#8 AW: Königinnen-Adoption mittels Hexan

Beitrag von Streaker87 » 21. Juli 2010, 18:45

Streaker87 hat geschrieben:Werde mich auch nochmal erkundigen, wie das im Praktikum selbst gehandhabt wurde.
Ich hätte mir die Aufregung sparen können. Im Praktikum wurden die Reagenzgläser nicht mehr als 2cm befüllt und dann einfach 10 Minuten stehen gelassen. Hexan scheint wohl derart flüchtig zu sein, dass man keinen zusätzlichen Katalysator (Wärme) braucht. Also entwickelt sich die Geschichte langsam zum Kinderspiel ;) Ich werde es auf jeden Fall gegen Ende der Saison ausprobieren.




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