Leistungsdruck in der Gründung

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
Benutzeravatar
erix
Halter
Offline
Beiträge: 262
Registriert: 19. März 2007, 19:38
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#25 AW: Leistungsdruck in der Gründung

Beitrag von erix » 22. März 2012, 03:03

Hallo nochmals

Die Frage nach der Breite der Variabilität und den Vorteilen und Nachteilen des raschen Brutbeginns ist recht interessant. Bei den sozialen Wespen ist der Brutbeginn im Folgejahr anscheinend zwingende Regel, obwohl die Königinnen schon recht lange vor dem Herbst ausgereift sind. Offenbar lohnt es sich für sie, erst im Folgejahr mit den Strapazen von Nistplatzsuche, Nestbau, Eilage und Brutpflege zu beginnen. Da ist es nicht ohne weiteres einleuchtend, warum es bei den Ameisen offenbar anders ist.

Hummeln und Bienen sind als reine Vegetarier nicht mit Ameisen vergleichbar, denn ihr Lebenszyklus ist auf die Pollenpflanzen ausgerichtet. Wespen und Ameisen sind jedoch ähnlich, da meistens pflanzliche Kohlehydrate und tierische Proteine ihre Nahrungsgrundlage bilden.

Fängt man aus dieser Perspektive an zu überlegen, taucht rasch die Frage auf, worin denn eigentlich für die Ameisen der Vorteil des frühen Brutbeginns schon kurz nach dem Begattungsflug liegen könnte.

Eine vom Herkunftsvolk gut genährte Königin, die sich irgendwo verkriecht, überwintert leichter und sicherer, als eine, die schon aus eigener Körpersubstanz Eier gelegt und Larven aufgefüttert hat und diese auch noch den Winter hindurch pflegen muss. Würden die Larven sich noch zu Puppen entwickeln, die nicht überwinterungsfähig sind, hätte sie sich umsonst verausgabt. Brutbeginn im Frühjahr wäre also deutlich sicherer.

Möglicherweise ist es von Vorteil, im Vorfrühling schon einige Arbeiterinnen zu haben. Dem steht jedoch das Risiko gegenüber, dass die erste Brut temperaturbedingt nicht mehr rechtzeitig vor Saisonende "fertig" wird und als Puppenstadien im Winter umkommt. Je nach Herbstverlauf wären also Frühbrüter oder Nichtbrüter/Spätbrüter im Vorteil.

Nun können aber auch Ameisen (entgegen dem Volksglauben) nicht voraussagen, wie der Herbst werden wird.

Nicht genug damit: Die Königin weiss auch nicht, wo sie landen wird. Ihre Flugfähigkeiten sind nur für einen Paarungsflug ausreichend.

Im bergigen Gebiet ist das Lokalklima auf der Nord- und der Südseite eines Hügels weit unterschiedlicher als etwa zwischen Berlin und München. Und doch läge beides noch im kümmerlichen Flugbereich einer Ameisenkönigin und wo diese landet, muss sie wohl auch bleiben.

Es braucht also eine gewisse Varianzbreite, wenn jedes Jahr eine hinreichende Anzahl Königinnen erfolgreich gründen sollen (teleologisch ausgedrückt, also biologisch unkorrekt, aber leichter nachvollziehbar). Diese Varianzbreite könnte innerhalb der Art durchaus unterschiedlich gross sein. Es wäre dann z.B. in der Schweiz eine grössere Varianzbreite zu erwarten als im Flachland Norddeutschlands.

Die Frage ist wirklich interessant.

Gruss: erix



Neues Thema Antworten

Zurück zu „Europäische Ameisenarten & Allgemeines“