Diskussionen zu den Ameisen Mittelasiens u.a.

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Frank Mattheis
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#1 Diskussionen zu den Ameisen Mittelasiens u.a.

Beitrag von Frank Mattheis » 30. Oktober 2005, 15:41

Ich hatte mit Roland einen interessanten Gedankenaustausch per PN, als dieser umfangreicher wurde, waren wir uns einig, ihn ins AF stellen zu wollen, vieleicht haben weitere Ameisenfreunde Interesse an einer Beteiligung an diesem Austausch.
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Hallo Roland, sind Dir eigentlich bei deinen Reisen in Mittelasien ( ...Du Glücklicher..!) auch die Rossomyrmex begegnet? Die Tiere interessieren mich ungeheuer, seit ich zum ersten Mal in den Achtzigern im DUMPERT von ihnen las. Ansonsten ist ja wenig über sie herauszukriegen, nur halt soviel, dass sie permanente Duloten bei Proformica sind, in relativ kleinen Kolonien leben und ihre Mitstreiter auf andere Weise wie die Polyergus, wohl durch Tragen zum auszubeutenden Nest rekrutieren.
Hast Du vieleicht eingehendere Erkenntnisse zu dieser Art oder zu Proformica? Wäre schön, wenn Du auch über diese Arten berichten könntest.
Welche weiteren Arten begegneten Dir eigentlich in diesen Gebieten, auch von Cataglyphis ? Ich weiss, dass ist eine sehr unpräzise Frage, aber diese Erdregionen interessierten mich schon immer besonders, sind aber vieleicht nicht so leicht (und preiswert) zu bereisen...
Grüsse, Frank.
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Hallo Frank,
ich habe in der Tat in in Mittelasien auch schon Rossomyrmex (1 Nest) und mehrfach Proformica gefunden. Durch unsere Uni habe ich seit 1998 die Möglichkeit jedes Jahr Exkursionen nach Mittelasien zu unternehmen und dort Ameisen zu sammeln. Insgesamt habe ich jetzt über 60 Arten aus Kirgistan, neben Polyergus und Rossomyrmex als weitere Sozialparasiten noch Bothriomyrmex (die Art lebt bei Tapinoma) und 2 Arten Strongylognathus.

Über Rossomyrmex ist wirklich wenig bekannt. Wir (Bernhard Seifert war auf dieser Exkursion dabei) in einer Halbwüste am Issyk-Kul See gefunden. Sie lebten wahrscheinlich mit Proformica epinotalis zusammen, aber die Proformica ist noch nicht genau bestimmt. In dem Nest was wir aufgegraben war Proformica deutlich in der Überzahl. Wenn Du magst, kann ich mal das Bild einer präparierten Rossomyrmex schicken. Die Tiere sind, im Gegensatz zu ihren mehr oder weniger glänzend schwarzen Sklaven, an Kopf und Mesosoma knallrot. Sie haben herzförmige Köpfe, ähnlich wie Coptoformica und normale, aber recht kräftige Schaufelmandibeln.

Wir konnten leider keinen Raubzug der Rossomyrmex beobachten, da da unsere Zeit an dieser Stelle nicht ausreichte. Sie sollen aber wie du schreibst ihre Mitkämpfer durch tragen rekrutieren. So machen das ja auch manche andere Sklavenjäger, zumindest die Leptothoraxverwandtschaft fällt mir da jetzt ein. Ich dienke dass das die ursprüngliche Art der Rekrutierung ist.

Cataglyphis gibt es in Kirgistan natürlich auch. In Tarbinsky (1976) stehen mehrere Arten und Unterarten für Kirgistan drin. Ich habe bisher nur eine Cataglyphis-Art von Kirgistan bis in die Mongolei gefunden.

Viele Grüße, Roland
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Hallo Roland, danke für die Antwort. So werden die mittelasiatischen Rossomyrmex auch beschrieben, als "auffallend rotschwarze" Tiere. Bilder sind für uns normal Sterbliche ebenso wie andere Informationen über solche Arten schwer zu finden (selbst zu der erst spät entdeckten Rossomyrmex Spaniens, ist es nicht immer wieder erstaunlich, diese Ähnlichkeit in den Faunen Spaniens und dem weit entfernten Mittelasien?), deswegen wäre ich Dir schon sehr dankbar, wenn Du Bilder solcher Tiere zeigen könntest. Wäre es möglich, solche Bilder ins Fotoforum des AF einzustellen, sozusagen als Bericht über die versch. Sozialparasiten Mittelasiens?
Amerikanische Leptothorax-Verwandte sollen wohl auch durch Spuren rekrutieren, der einheimische Harpagoxenus rekrutierte bei mir in der Haltung durch Tandemlauf. Ich vermute auch, dass der Tandemlauf die ursprünglichste Form der Rekrutierung ist, und sogar recht effektiv. Der grösste Vorteil des Tandemlaufs gegenüber dem Tragen wird vieleicht darin bestehen, dass die Rekrutierten den Weg sofort genau kennen, also die Wegstrecke anhand des ja selbst zurückgelegten Weges und der verbr. Energie und natürlich auch den Weg selbst.
Handelt es sich bei den Cataglyphis um aenescens?
Grüsse, Frank.
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Hallo Frank
Eine kleine Ergänzung noch zur Ähnlichkeit der Faunen Spaniens und Mittelasiens. Es gibt im Tienshan eine bisher noch unbeschriebene Formica aus der truncorum-Gruppe, die einer spanischen sehr ähnlich sieht, ich glaube es war Formica frontalis. Und auch die Formica mesasiatica hat eine Entsprechung in Südeuropa, die etrucsa-Form von Formica exsecta. In der Coptoformica-Revision hat Bernhard Seifert mesasiatica noch als eigene Art behandelt, aber ich denke das sich das jetzt ändern wird und sie dann zu exsecta dazugehört.

Viele Grüße
Roland
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Hallo Roland, für mich als Hobby-Myrmecologen ist das immer etwas verwirrend, wenn von solchen Gruppen gesprochen wird. Ich fand auch in Spanien, in den südwestl. Pyrenäen truncorum, identifizierte diese auch ohne Zögern als solche ... Ist es nicht kritisch, solche Arten in Gruppen zu unterteilen, nur weil sie in weit auseinanderliegenden Gebieten leben und vieleicht winzige Unterschiede in Lebensweise u.ä. zeigen? Bei den span. truncorum fand ich dabei nichts Absonderliches, was sie von deutschen mir bekannten Vorkommen unterschied. Im Gegenteil, die deutschen Vorkommen weisen ja an sich schon eine grosse Bandbreite auf, es gibt polykalische Superverbände mit Hunderten von Teilkolonien und einzeln lebende Kolonien mit geringer Individuenzahl. Es gibt unterschiedliche Morphen bei den Königinnen, die scheinbar unterschiedlich gründen, manche sozialparasitisch bei Serviformica, manchmal wohl infolge günstiger Umstände sogar bei Raptiformica, manche durch Adoption bei truncorum oder bei rufa/polyctena.
Jetzt hab ich schon fast ein Problem, diese Diskussion wäre für unsere Ameisenfreunde sicher auch interessant, vieleicht sollten wir sie ins AF stellen? Sie ist zwar allgemein, könnte aber mir und vielen anderen helfen, einiges in der angewandten Systematik etwas besser zu verstehen.
Grüsse, Frank.
Achso, wäre auf jeden Fall grossartig, wenn Du Fotos der Tiere aus Mittelasien einstellen könntest. Die Qualität ist nicht immer entscheidend, meine Fotos sind auch nicht immer hervorragend. Auf jeden Fall würden sie aber Eindrücke von Tieren vermitteln, die leider nur wenige von uns in freier Wildbahn beobachten können.
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Hallo Frank, ich kenne diese Formica frontalis aus Spanien auch noch nicht. Sie muß auf jeden Fall weiter südlich auf der iberischen Halbinsel vorkommen. Diese Gruppierung von Arten verstehe ich so, dass nahe verwandte Arten zusammengefasst werde, um sie von anderen Arten der Gattung zu trennen. Vielfach hat man gerade in wenig untersuchten Gebieten Arten vor sich, da sieht man, dass sie irgendwie mit der Art verwandt sein müssen, aber doch nicht das Gleiche sind. ich will mich da jetzt auch nicht zu weit aus dem Fenster hängen, denn ich bin auch kein Taxonom.
Du kannst gern unsere Diskussion ins Forum stellen.
Gruß Roland



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Frank Mattheis
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#2

Beitrag von Frank Mattheis » 30. Oktober 2005, 16:04

Noch mal eine Frage zu den asiatischen Rossomyrmex: Welche besonderen Anpassungen an ihre sozialparasitische Lebensweise zeigen die Rossomyrmex eigentlich auf? Bei Duloten wie Harpagoxenus, Polyergus und im eingeschr. Maße auch bei Raptiformica sieht man ja eindeutige Anpassungen, Mandibelkämpfer bei den ersten beiden und/oder besonders geschickte und kräftige Kämpfer wie unsere sanguinea. Ausserdem die Entwicklung und der Einsatz von Propaganda-Stoffen, Pheromonen, die die Angegriffenen hilflos und konfus machen sollen.
Sind die Rossomyrmex in ähnlicher Weise ihren Hilfsameisen offensichtlich überlegen, zB. etwas grösser, kräftiger, zeigen sie besondere Anpassungen wie Polyergus mit ihren in diesem Fall sichelförmigen, dolchartigen Mandibeln?
Kann es sein, dass ihre Strategie auch eine bessere Organisation beinhaltet, irgendwo las ich, dass sie ihren Angriff erst beginnen, wenn genügend Angreifer für einen erfolgversprechenden Angriff auf das Proformica-Nest rekrutiert wurden und versammelt sind.
Die Kolonien der Rossomyrmex ebenso wie die der Proformica sollen ja meist recht klein, also mit geringer Individuenzahl sein, so genügt sicher das Rekrutieren durch Tragen, um schnell genug "Raubameisen"
vor dem Proformica-Nest zu versammeln.
Gibt es bereits Hinweise, wie die Jungköniginnen gründen? Sicher doch ebenfalls sozialparasitisch, vieleicht ebenfalls wie oft bei den Amazonen im Gefolge eines Raubzuges?
Grüsse, Frank.



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Roland Schultz
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#3 Rossomyrmex

Beitrag von Roland Schultz » 30. Oktober 2005, 18:13

Wie an meinen etwas unscharfen Bildern im Fotoforum zu sehen ist, sind die Rossomyrmex meist größer als Proformica. Auf jeden Fall haben sie aber kräftige Kiefer (etwa ähnlich F. sanguinea). Diese Kiefer haben dann auch eine besonders stark entwickelte Muskulatur. Daher sind die Köpfe von Rossomyrmex seitlich und nach hinten erweitert. Gruß Roland



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Frank Mattheis
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#4

Beitrag von Frank Mattheis » 30. Oktober 2005, 18:22

Ja, hab ich gesehen. Scheinen ja dann recht "gewalttätige" Kämpfer zu sein, die Rossomyrmex. Mit diesen Mandibeln werden die Rossomyrmex ihre Widersacher wohl schnell ausser Gefecht setzen.
Grüsse, Frank.



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Frank Mattheis
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#5

Beitrag von Frank Mattheis » 1. November 2005, 14:06

Jetzt hab ich nochmal im DUMPERT nachgeschlagen :o, hier stehen ja einige Zeilen zu der Vorgehensweise der Rossomyrmex bei ihren Raubzügen.
Bei den Raubzügen der Rossomyrmex und den Überfällen auf die Kolonien der Proformica kommt es wohl kaum zu ernsthaften Auseinandersetzungen. Die Proformica versuchen wohl, die Raubameisen durch Verbarrikadierung der Nesteingänge abzuwehren. Möglicherweise verfügen die Rossomyrmex ja in Anpassung an diese Besonderheit, also dem Freilegen der Nesteingänge und der damit verbundenen Grab- und Räumarbeit über ihre grossen schaufelartigen universell einsetzbaren Kiefer, diese scheinen ja weniger zum gezieltem Töten geeignet zu sein wie die dolchartigen Kiefer der Amazonen.
Dumpert schreibt, haben die Raubameisen einmal die Nesteingänge geöffnet und gelangen ins Proformica-Nest, kommt es kaum noch zu Auseinandersetzungen, die Proformica weichen den Eindringlingen aus und lassen diese mehr oder weniger gewähren.
So kommt es kaum zu getöteten Proformica, mit Ausnahme einiger Repleten, die sich zum Verschliessen einiger Nesteingänge geopfert haben. Sie werden wohl, ebenso wie andere aufgebaute Hindernisse, durch die Raubameisen mühevoll beseitigt und dabei natürlich getötet. Diese unblutige Vorgehensweise zeigt wohl, dass Rossomyrmex ein hervorragend angepasster Dulot ist, die Proformica-Kolonien werden nicht vernichtet, lediglich geplündert. So besteht die Chance, dass sich die Kolonien der Hilfsameisen wieder erholen können und später wieder "abgeerntet" werden können.
Interessanterweise raubt Rossomyrmex alle Brutstadien, Eier, Larven und Puppen bei Proformica.
Grüsse, Frank.



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