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Polyergus ruf.und ihre Feinde

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Boro
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#1 Polyergus ruf.und ihre Feinde

Beitrag von Boro » 28. November 2005, 17:23

Hallo!
Ich wollte noch ein Thema loswerden, welches nur einmal gestreift wurde-ich glaube von Frank.
Polyergus ist eine bedrohte Art, ich glaube in ganz Mitteleuropa. Da ist es sinnvoll einmal nachzudenken, wo die Ursachen zu finden sind: Sofort fällt uns ein, dass der Mensch in erster Linie die Schuld trägt: Raubbau an der Landschaft, insbesondere auch an klimatisch günstigen Hängen(Zersiedelung), Umweltgifte usw. Man muß aber auch bedenken, dass viele unserer Ameisen offene, freie Flächen bevorzugen. Zum Großteil gibt es die aber erst seit dem Mittelalter, als die großen Rodungen in Mitteleuropa einsetzten. Ohne menschliche Aktivität wäre ganz Mitteleuropa mit geringen Ausnahmen(von der pannonischen Wald- und Buschsteppe abgesehen) dicht bewaldet. Die Schafffung des Kulturlandes hat damals sicher zur Verbreitung von Arten beigetragen, die auf freie, besonnte Flächen angewiesen sind.
1. Aber es bleibt dabei, was der Mensch unwissentlich zur Verbreitung vieler Arten beigetragen hat, wird wieder zunichte gemacht.
2. Der nächste Feind ist die eigene Art: Ich habe bis jetzt kaum ein so schauriges Gemetzel gesehen wie zwischen verschiedenen Polyergus-Populationen. Ich hatte das "Glück" das Aufeinandertreffen von zwei verschiedenen Heereszügen beobachten zu können. Die Tiere haben sich derart ineinander verbissen, oft 3-4 Ameisen gemeinsam, dass sich auch Überlebende nicht mehr lösen konnten und später zu Tode kamen. Ich musste ohnmächtig zusehen, wie die schwächere Heeresschar fast ganz vernichtet wurde. Hier wurde der Nahrungskonkurrent beseitigt.
3. Andere Ameisen: Ein Nest der Waldameisen darf nicht in der Nähe sein, weil diese alle anderen Ameisennester in der Umgebung sofort attackieren oder ständig belästigen. In diesem Falle wandert das Polyergus-Serviformica-Nest ab. Aber ich habe auch Camponotus ligniperda Major-Arbeiterinnen beobachtet, die immer wieder einzelne Polyergus töten, wenn sie zur Orientierung vor dem Raubzug ausschwärmen. Auch Solenopsis fugax ist nicht selten am Rande ihrer Nester zu finden (Kleptobiose)
4. Fasan und Rebhuhn. Diese Vögel scharren gerne im Erdreich, die Brut verschiedener Ameisen ist dabei eine leichte Beute. An anderer Stelle hab ich schon berichtet, dass" mein" stärkstes Polyergusnest auf diese Art und Weise fast vernichtet wurde. Die roten Krieger scheinen recht schmackhaft zu sein, denn im getrockneten Kot, der am Tatort zurückbieb, konnte ich zu meinem Entsetzten fast nur die Chitinreste von Polyergus ruf. finden. Vielleicht sehen die Vögel die grauen Sklaven einfach nicht, denn Serviformica-Reste waren auch mittels Lupe kaum festzustellen.



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Frank Mattheis
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#2

Beitrag von Frank Mattheis » 29. November 2005, 12:23

Hallo Boro,
die Polyergus-Kolonien, die ich in D kenne, werden auch fast ausnahmslos von Solenopsis bedrängt. Die Vorkommen der Polyergus liegen hier, soweit ich sie kenne, in wärmebegünstigen Lagen. Dies Lagen werden auch von den termophilen Solenopsis besiedelt, die Diebsameisen siedeln dann fast ausschliesslich in der unmittelbaren Nähe anderer Ameisenkolonien.
Die Solenopsis werden in diesen Lebensräumen ein wichtiger Regulator sein, die von ihnen parasitierten anderen Ameisenarten leiden unter Diebsameisen sehr. Öffnet man ein Nest der Serviformica cunicularia, rufibarbis oder der anderen parasitierten Arten, öffnet man oft gleichzeitig die Kolonien der Solenopsis. Es sind dann oft Unmengen der Solenopsis. Wenn die parasitierte Kolonie der Wirtsameise nicht rechtzeitig abwandert, wird sie wahrscheinlich unter der Last des Parasiten untergehen.
Glücklicherweise sind die dort lebenden Serviformica recht mobil und schnell bereit, ihren Neststandort zu wechseln.
Polyergus-Kolonien hingegen fand ich über viele Jahre am gleichen Standort. Möglicherweise kann der Dulot die Verluste gerade noch mit vermehrten Raubzügen ausgleichen.
Es ist erstaunlich, wie eine kleine unscheinbare Ameise, die erst bei genauem Hinschauen erkennbar ist, hier offenbar an der Spitze dieses Ausschnitts der "Nahrungskette" steht und den auffälligen und wehrhaften Duloten dazu bringt, für ihre Versorgung zu sorgen.
Grüsse, Frank.



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Boro
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#3 Solenopsis als Klebtobiont und Krieger

Beitrag von Boro » 30. November 2005, 16:25

Hallo Frank!
Ja, Dein Bericht ist sehr zutreffend. Es ist wohl schon jedem Ameisenforscher passiert, dass er durch Abheben von Steinen etc. ungewollt Solenopsis und das Wirtsvolk in offenen Kontakt bringt. Die winzigen Solenopsiskriegerinnen sind zwar langsam, aber sie verstehen es sich vortrefflich zu wehren. Ausschwärmende Arbeiterinnen der Wirtsvölker treten nach kurzem Getümmel sofort den Rückzug an. Solenopsis-Arbeiterinnen hängen sich an alle Extremitäten und stechen sofort zu. Auf einer Componutus-Major-Kriegerin hab ich einmal 12 Solenopsis festgestellt, vor allem die großen Ameisen (Componutus, Formica rufa) haben gegen diese Winzlinge keine Abwehrmöglichkeit, bei Camponotus z. B. hatte ich den Eindruck, dass sie die winzigen Krieger gar nicht sehen können. Das Gift zeigt auch rasch seine Wirkung.
Kleine Ameisen, wie z. B. Tetramorium haben etwas bessere Chancen.
Grüße Boro



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