seit einiger Zeit befasse ich mich mit der Zucht der Myrmecia pavida. Anstoß meiner Bemühungen auf diesem Gebiet war das Erscheinen erster Jungköniginnen in meiner pavida-Kolonie Anfang diesen Jahres.
Ein befreundeter pavida-Halter erlitt zu dieser Zeit einen schmerzlichen Verlust, aus unklaren Gründen verstarb die
Natürlich hätte ich auch einen Teil der Arbeiterinnen meiner Kolonie zu diesem Zweck separieren können, um sie zur Männchenproduktion zu bewegen. Dies hätte aber den Nachteil gehabt, dass die sich später (vieleicht) verpaarenden Geschlechtstiere eng miteinander verwandt gewesen wären. Nun kommt Inzucht auch in freier Natur vor, ist aber bei den pavida wie bei vielen anderen Ameisenarten sicher selten und zufällig. Inzucht über viele Generationen kann die Tiere und ihre Reproduktionsfähigkeit sicher schädigen, Inzucht in einer Generation gewiss nicht. Trotzdem wollte ich Inzucht natürlich vermeiden und es bot sich ja hierzu auch die Chance.
Erste Jungköniginnen waren bereits seit langem geschlüpft, als die weisellose Kolonie zu mir kam. Sie enthielt erst Eier und früheste Larvenstadien. Bei der langandauernden Entwicklungsdauer der Brutstadien der Myrmecia würde noch einige Zeit vergehen, ich begann mir natürlich Sorgen zu machen, ob die Jungköniginnen diese Zeit, immerhin mindestens zwei Monate bis zum Hochzeitsakt wohl abwarten könnten. Glücklicherweise zeigten sie sich als sehr geduldige Jungköniginnen, es genügte, die Temperatur im Terrarium auf Raumtemperarur zu senken, um ihre neugierigen Ausflüge in die Nestumgebung weitgehend zu unterdrücken. Sie kehrten jedoch immer bereitwillig ins Mutternest zurück und wurden hier auch immer freundlich wiederaufgenommen. Manchmal entfernten sie sich nur wenige "Schritte" vom Nesteingang, um hier sportliche Übungen durchzuführen. Sie klammerten sich am Boden fest und unternahmen kurze Schwirrflüge auf der Stelle. Die geringste Störung liess sie sich hastig ins Nest zurückziehen und Arbeiterinnen schwärmten wütend aus, um ihre Schwestern zu schützen.
Mit den ersten warmen Junitagen waren die ersten zwei Männchen bereit, sie hatten ihr Mutternnest verlassen und schwärmten im Terrarium. Ich fing sie ein und setzte sie in ein vorbereitetes, beheizbares weiteres Becken. Nachdem ich sie am bereitgestellten Zucker naschen gesehen hatte, setzte ich zwei Jungköniginnen hinzu. Nun zeigte sich ein Problem, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte, die Jungköniginnen atackierten die Männchen heftig und verfolgten sie sogar wütend, schon bald war eines der Männchen so schwer verletzt und hatte seine Fühler eingebüsst, dass es für eine erfolgreiche Kopulation kaum noch in Frage kam.
Natürlich ging mir nun einiges durch den Kopf. Waren die Jungköniginnen in der Zeit des Wartens zu funktionellen Arbeiterinnen mutiert? Immerhin hatten in dieser Zeit auch einige von ihnen bereits die Flügel abgeworfen. Ähnliches geschieht ja bei vielen Ameisenarten, ein Bsp. sind die unbegatteten Jungköniginnen bei den Myrmica, die dann ja auch risikovolle Arbeiterinnenaufgaben übernehmen. Diese Verhaltensweisen habe ich bei den Myrmecia jedoch nie beobachtet, nie beteiligten sie sich am Nahrungserwerb oder gar an der Jagd. Stets sah ich sie Arbeiterinnen um Fütterung anbetteln und sie im Nest ruhen. Sie blieben Jungköniginnen und wandten sich keinen anderen Aufgaben zu. Diese Möglichkeit, dem Leben einen neuen Sinn zu geben, wenn die vorbestimmte Aufgabe aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbar ist, in diesem Fall ja die
Also war ich guter Dinge und hatte natürlich trotzdem die verschiedensten Möglichkeiten und Probleme befürchtet, nicht jedoch diese erstaunliche Agressivität der Jungköniginnen. Möglich wäre ja auch gewesen, dass die Tiere ausschliesslich im Flug kopulieren, sich an exponierten Hochpunkten in der Landschaft treffen, vor dem Akt grosse Flugstrecken zurücklegen und, und, und... All dies hätte die Zucht unmöglich machen können und war mir als Risiko bewusst, als ich begann, meine Zuchtbemühungen zu forcieren und meine Zeit fast ausschliesslich darauf verwendete. No risk, no fun, aber dieses Verhalten der Jungköniginnen war nicht voraussehbar und ich fürchtete um meine Arbeit. Ich begann sogar zu befürchten, dass ich es vieleicht mit zwei verschiedenen Arten zu tun hätte, die sich zwar ähnelten, aber einander feindlich gegenüberstünden und sich so natürlich nicht verpaaren liessen. Aber das war natürlich Unsinn angesichts des völlig gleichen Aussehens der Arbeiterinnen und der völlig gleichartigen Lebens- und Verhaltensweisen der Tiere beider Kolonien und immerhin hatte die weisellose Kolonie problemlos einige Jungköniginnen aufgezogen, die ich als
Der erste Tag der Versuche, die Tiere zur Kopulation zu bringen, war verloren, ein wertvolles Männchen ebenfalls. Entnervt und desillusioniert hatte ich meine Beobachtungen abgebrochen und mich ziemlich frustriert dem Fernseher zugewandt... Als ich nach Stunden zufällig und ohne Hoffnung wieder vorbeischaute, sah ich jedoch das verbliebene Männchen auf einer der Jungköniginnen sitzen, kurz darauf kam es zur Verhängung der beiden und so zur geglückten Kopulation. Nach wenigen Minuten der Verhängung wurde die
Die Agressivität der Jungköniginnen war nach einiger Zeit gewichen, sie duldeten das Männchen nun, wenn auch nicht in ihrer unmittelbaren Nähe.
Diese nachlassende Agressivität schien der Schlüssel zu sein. Ich habe sie in verschiedenen Abstufungen wohl abhängig vom Temperament der jeweiligen beteiligten Jungköniginnen bei allen weiteren Versuchen beobachtet und sie scheint ein Teil des rabiaten Kopulationsverhaltens bei diesen wehrhaften Ameisen zu sein. Bei weiteren Versuchen gewöhnte ich die Tiere aneinander, ohne ihnen Zugang zu einander zu gewähren. So konnte ich die schwächeren Männchen in gewisser Weise wenigstens etwas schonen, weil die Wut der meisten Weibchen dann schon weitgehend verklungen war. Übrigens waren längst nicht alle Jungköniginnen in gleicher Weise agressiv, einige verhielten sich von Anfang an friedlich, einige waren überhaupt nicht zu bändigen. Die wenigen letzteren kamen leider nicht in Frage und ich musste sie nach einigen erfolglosen Versuchen in die Mutterkolonie zurücktun. Es wird nun interessant sein, ihren weiteren Werdegang zu verfolgen.
Ein weiterer Weg war, möglichst viele Männchen auf die Jungköniginnen anzusetzen, so verteilte sich deren Agression auf viele mögliche Partner.
Leider konnte die relativ kleine weisellose Kolonie nicht sehr viele Männchen in kurzer Zeit hervorbringen, dies verzögerte die Versuche und machte jeden vorzeitigen Verlust an jungen Männchen bei den Beissereien der Jungköniginnen besonders schmerzhaft.
An vielen Abenden und so manche Nacht saß ich angstvoll vor dem Becken, in dem ich die Geschlechtstiere zusammen gebracht hatte. Jeder Biss und jeder Verlust von Körperteilen, den die armen Männchen zu erleiden hatten, schmerzte mir mindestens ebenso wie ihnen. Die Ärmsten wollten ja nur ihre Lebensaufgabe erfüllen und dann glücklich sterben. Manche der Jungköniginnen musste, ich gebe es zu, ihre Unbelehrbarkeit mit dem Leben bezahlen, ich konnte es nicht mit ansehen und auch nicht dulden, dass manche in unbelehrbarer Wut gleich mehrere Männchen nacheinander malträtierten und dann auch noch die Verletzten und Verängstigten unbarmherzig verfolgten.
Diese Versuche mit den Myrmecia waren auch für mich völliges Neuland, Zuchtversuche mit anderen Ameisen wie Polyergus, Harpagoxenus, Leptothorax, Cataglyphis waren aus verschiedenen Gründen unproblematischer. Zum einen sind solche Arten leichter zu beschaffen, ihre Gewohnheiten im Freiland ohne allzu grosse Reisekosten zu beobachten und zum anderen gibt es wenigstens verschwommene Hinweise hier und da in der Fachliteratur. Nicht zuletzt habe ich bei keiner anderen Ameisenart ein derart agressives, anfänglich extrem abeweisendes Verhalten der noch unbegatteten Jungköniginnen den Männchen gegenüber beobachtet. In gewisser Weise waren diese Versuche mit den Myrmecia auch ein Wagnis, ich habe in den letzten Monaten viel Zeit investiert, um diese Ameise nachzuzüchten.
So gestatte ich mir noch einige Nachbemerkungen.
Es ging mir aber auch darum, zu zeigen, dass die Zucht dieser Tiere möglich ist. Sicher ist es gut, auch das Paarungsverhalten von Ameisen zu untersuchen, auch wenn daraus kein allzu grosser wirtschaftlicher Nutzen erwächst.
Ich hoffe sehr, dass es weitere Züchter auch anderer Arten geben wird!!! Ich bin da guter Dinge, ich kenne die Bemühungen einzelner.
Es ging mir aber auch darum, Beiträge zur Biologie dieser Ameisen im Rahmen meiner begrenzten Möglichkeiten zu erbringen und mich bei meinen Nachforschungen nicht nur mit den Gefahren zu beschäftigen, die solche Tiere angeblich für uns Menschen oder gar für die mitteleuropäische Fauna darstellen. Ich werde also nicht mit den Sargdeckel klappern, gar mich an der geschürten Hysterie beteiligen, die immer wieder gepredigt beschworen wird, um Menschen den Zugang zu diesen Tieren zu verwehren oder zu erschweren.
,Grüsse, Frank.