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von domenic » 2. Februar 2006, 20:27
Hallo Frank, ich möchte meinen Bericht zu Manica rubida deinem anschliessen:
Wie es scheint, sind über Manica rubida noch nicht so viele Erfahrungen niedergeschrieben, wie bei anderen Arten und manche Halter berichten von Problemen betreffend der Haltung, dass die Kolonien jeweils nie sehr alt wurden.
Habitate:
Ich selbst interessierte mich schon seit jeher mehr für Knotenameisen und hielt als erste Kolonien Myrmica-Arten. Irgendwann stieß ich dann auf Manica und traute meinen Augen nicht, eine derart grosse, rote Knotenameise hatte ich zuvor noch nie gesehen, ich war hin und weg, diese Art musste ich haben! Ich begann sofort in der Literatur der heimischen Ameisen nachzuschlagen, um herauszufinden, welches die natürlichen Habitate von Manica sind, meine erste Begegnung mit ihr war nämlich in einem Städtchen am Bodensee, inmitten auf dem Dorfplatz, also unmöglich, dort ein Nest auszugraben. Die nächste Begegnung fand bei einem Einkaufszentrum statt, das Nest befand sich in einer Blumenrabatte, welche mit Steinplatten umfasst war, auch dort konnte ich sie nicht ausgraben.
Heute nach über 15 Jahren kenne ich das Verbreitungsgebiet dieser Art ziemlich genau und weiss, wo sie zu finden ist: Die Habitate sind vielfältig und doch haben sie irgendwie alle einen gemeinsamen Nenner. Man findet Manica sowohl im Flachland als auch bis zur montanen Stufe. Sie bewohnen von Sand bis Fels alle Bodentypen, Bedingung ist nur, dass keine dichte Vegetation vorhanden ist und dass der Boden nie ganz austrocknet. So findet man sie in sandigen Flusslandschaften, in Parkanlagen, in lichten Waldgebieten mit karger Bodenvegetation, Kiesgruben, Strassenrändern, Truppenübungsplätzen, und natürlich in den Bergen bis hinauf zur montanen Stufe. Charakteristisches der Nester sind die kraterförmigen Auswürfe um die Eingänge.
Meine erste Manica-Kolonie grub ich in der Südschweiz, an einem Flussufer, aus. Dieser Ameisenstaat pflegte ich über 8 Jahre lang, er enthielt während der ganzen Zeit nur immer eine Königin. Diese brachte Hunderte, ja gar Tausende von Nachkommen hervor.
Die Grösse der Arbeiterinnen variiert zwischen 5 - 9 mm, die Königin erreicht 12 mm, ebenso die Männchen, während man die kleinen Arbeiterinnen auf den ersten Blick mit Myrmica rubra verwechseln könnte, so sind die grössten doch sehr eindrucksvoll. Die Farbe reicht von hellorange bis rubinrot, manchmal auch mit dunklen, fast schwarzen Partien, die Männchen sind schwarz.
Obschon die Tiere sehr wehrhaft sind und ihr Giftstachel wirkungsvoll, sind es friedliche Tiere, welche nur im unmittelbaren Nestbereich aggressiv werden.
Verhalten:
Nun käme das schwierigere Kapitel, das Verhalten der Tiere, welches viele Geheimnisse in sich birgt. Wie es scheint, ist Manica rubida sowohl in freier Natur als auch in der Haltung ständig mit Graben beschäftigt und man fragt sich warum. Selten sieht man Tiere, welche aktiv im Terrain nach Futter suchen oder gar welches eintragen. Ich verbrachte sehr viel Zeit in der Beobachtung dieser Tiere in freier Natur und doch kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, wonach die Tiere ständig schürfen. Ich denke, es gibt dafür mehrere Gründe: Ein Grund wird sein, dass sich Manica die Nahrung auch über den Untergrund verschafft, doch was für Nahrung? Insektenlarven, Würmer, würde dazu auch ihr starkes Gift von Nutzen sein? Möglich wäre es. Vielfach stehen Manica-Kolonien auch in harter Konkurrenz mit diversen Formica-Arten, die Nester sind an einigen Standorten in unmittelbarer Nähe, oberirdisch scheinen die schnellen und in Gruppen agierenden Formicas im Vorteil gegenüber Manica, doch wie sieht es im Untergrund aus? Ich könnte mir vorstellen, dass Manica vielleicht auch die Nester anderer Ameisen angräbt und sich so versorgt. In den engen Gängen ist Manica im Vorteil: Formica kann sich nicht in Gruppen auf einzelne Manicas stürzen, 1 gegen 1 hat Formica gegen den Giftstachel keine Chance, Manica besitzt zudem ein Stridulationsorgan, welches auch für uns hörbar ist und mit welchem möglicherweise im Untergrund eine rasche Alarmierung von Artgenossen möglich macht. Ich habe sehr oft bei Nestern an den Kraterrändern viele Überreste von anderen Ameisen gefunden, deshalb meine Vermutung. Es wird aber ganz bestimmt nicht so sein, dass Manica artfremde Nester unterirdisch überfällt und vernichtet sondern es wäre eher ein punktuelles Vorgehen, das dann wieder abgebrochen wird, doch wie gesagt, das ist meine persönliche Vermutung. Möglich wäre auch eine Trophobiose mit Wurzelläusen. Das Graben dient jedenfalls nicht nur der Nestvergrösserung, so viel steht fest, denn es werden auch Krater und Gänge ausgehoben, welche zu keinem Nest führen, in diese könnten auch andere Ameisen und Insekten krabbeln, welche in den Gangsystemen von den wehrhaften Manicas überwältigt, getötet und als Futter in die Kolonie gebracht würden.. Solche Scheinnester dienen aber auch dazu, foragierenden Jungköniginnen die Möglichkeit zu bieten, in bezugsbereites Nest einzuziehen. An einigen Standorten, vorzugsweise in der Ebene, bildet diese Art riesige polykalische Koloniensysteme mit mehreren Hauptnestern, in welchen jeweils Königinnen vorhanden sind. Die Nester in den montanen Bereichen sind oft kleiner und enthalten nichts so viele Individuen, je nach Futter und Standort ändert sich auch die Grösse der Arbeiterinnen, ich konnte schon Nester beobachten, in welchen nur kleine Arbeiterinnen produziert wurden, während in anderen vorwiegend Majoren lebten. Jungköniginnen sind in der Lage, sich mit anderen Artgenossen zu verbünden und so Zweignester zu bilden. Anfangs werden fremde Königinnen von den Arbeiterinnen attackiert, diese setzen sich dann zur Wehr und drücken die Arbeiterinnen eng unter ihren eigenen Körper, um so gegenseitig den chemischen Geruch zu adaptieren und schon nach kurzer Zeit dominiert die Königin die fremden Arbeiterinnen. Manica kann aber auch unabhängig eine Kolonie gründen. Fouragierende Königinnen findet man bei dieser Art in der Südschweiz von Mai bis August, es ist auch nicht restlos geklärt, wie sich die Geschlechtstiere paaren. Einerseits hege ich die Vermutung, dass sich Jungköniginnen bereits in den Nestern mit Männchen paaren, andererseits erfolgt die Paarung aber auch außerhalb des Nestes. Man findet selten Königinnen mit Flügeln, viel häufiger sieht man diese am Boden umherlaufen, die Flügel bereits abgebrochen, auch aktive Männchen sind am Boden zu finden. Auch dieses Geheimnis wird wohl nicht so rasch gelüftet werden.
Zur Haltung:
Manica rubida ist nicht unbedingt für Anfänger geeignet, es ist aber auch keine schwer zu haltende Art. Meine Kolonie, welche ich über Jahre pflegte, hielt ich in einem Gipsnest. Das Wichtigste ist, dass der Gips nie austrocknet darf, die Brut von Manica reagiert sehr empfindlich auf Trockenheit und stirbt rasch ab. Nebst dem eigentlichen Nest sollte unbedingt ein Auslauf mit genügend Sand vorhanden sein, damit die Tiere ihren Grabtrieb ausleben können, auch das Substrat der ‘Arena’ sollte nie ganz austrocknen. Da diese Ameise sehr aktiv ist und ständig Schwerstarbeit leistet, benötigen sie ausreichend Zuckerwasser oder Honig, fehlt diese Nahrungsquelle über längere Zeit, gehen die Arbeiterinnen zugrunde, weil ihnen ganz einfach der ‘Treibstoff’ fehlt. An dieser Stelle fragt man sich vielleicht, wie sie in freier Natur an diese Nahrung gelangen. Manica ist keine eigentliche Blattlauszüchterin, hie und da werden Blattläuse gemolken, meistens aber werden solche Futterquellen schon von Formicas gehalten und auch entsprechend aggressiv verteidigt, so dass die Knotenameisen davon fern gehalten werden. Vielleicht nehmen sie einfach noch den Honigtau auf, welcher nach der Ausscheidung zu Boden fällt. Was man auch weiss, ist dass Schmetterlingslarven adoptiert und aufgezogen werden, vielleicht decken sie ihren Bedarf an Kohlenhydrat über die Ausscheidungen der Schmetterlingsraupen im Nest. Die Larven hingegen werden mit Eiweiss gefüttert, das heisst Insekten heranschaffen, tot oder lebendig. Wenn die Kolonie schon grösser ist, werden selbst sehr wehrhafte Tiere wie Wespen spielend überwältigt und zerlegt oder gar am Stück ins Nest geschafft. Manica kann innert sehr kurzer Zeit Scharen von Genossinnen mittels Duftspur aus dem Giftstachel rekrutieren, um Beute oder andere Ameisen zu erlegen und wegzuschaffen, vor einer Vergesellschaftung mit anderen Arten möchte ich daher warnen.. Die Beute wird den Larven ganz oder in grösseren Brocken angeboten, dazu werden die Larven rund um die Beute platziert, so dass sie dann selbständig daran fressen, Eiweiss muss also nicht erst von den adulten Tieren aufgenommen und dann wieder hochgewürgt werden.
Eine Herausforderung wäre die Produktion von Geschlechtstieren in Gefangenschaft. Dazu müssen dem Hauptnest weitere Nestanlagen angehängt werden, so dass Eier und Larven entfernt von der Königin aufgezogen und von Arbeiterinnen speziell gefüttert werden könnten. Befindet sich die Brut im Mutternest, unterdrückt die Königin, vermutlich mit chemischen Stoffen, die Entwicklung von Geschlechtstieren. Dies könnte auch ein Grund sein, weshalb die Tiere so intensiv graben, damit sie eben nebst dem eigentlichen Nest noch weitere Anlagen verfügen, in welchen Geschlechtstierbrut aufgezogen werden kann.
Wichtig scheint mir auch die Überwinterung des Volkes, mindestens drei Monate sollte die Winterruhe dauernd bei Temperaturen unter 10°C. Auch im Winter ist stets darauf zu achten, dass Nest und Auslaufbecken nicht vollständig austrocknen, ein Teil der Arbeiterinnen überwintert nämlich in den Stollen außerhalb des Nestes und möglicherweise auch Brut, aus welchen Jungköniginnen hervor gehen sollten. Auch ist immer Zuckerwasser oder Honig anzubieten, die Arbeiterinnen bewegen sich selbst bei Kälte und benötigen auch dann noch Kohlenhydrate. Anders ist es beispielsweise bei heimischen Camponotus-Arten, wo die Individuen eines Volkes eng beieinander in eine Art Winterstarre fallen.
Wenn man Manica rubida selbst beschaffen will, so sollte man sich in den Morgen- oder Abendstunden einfach im Terrain aufhalten, wo diese Art verbreitet ist, mit Gewissheit wird man auf eine fouragierende Königin stossen. Es ist völlig unnötig, eine bestehende Kolonie auszugraben, dabei macht man nur sehr viel kaputt, ohne vielleicht wirklich auf das Nest zu stossen. Manica ist eine Pionierameise, Lebensräume in denen sie vorkommt sind ohnehin schon selten, da sollte man nicht noch unnötig Nester durch Ausgrabungen zerstören! Es reicht eine Königin zu fangen, die man dann wie beschrieben füttert, sie beginnen sofort mit der Eiablage in Gefangenschaft, wenn man sie unter passenden Bedingungen hält.
Falls ihr einmal eine polykalische Superkolonie bestaunen wollt, so verrate ich jetzt den Standort einer solchen, welche auch leicht zu finden ist: Die meisten Leser dieses Forums sind wohl aus Deutschland und kennen die Nord-Südachse der Schweiz ebenso. Wenn ihr das nächste Mal auf der Südseite des Gotthardstrassentunnels im Stau steckt, dann wählt unbedingt die Überholspur. So könnt ihr nämlich auf dem Grünstreifen zwischen den richtungsgetrennten Fahrbahnen eine riesige, vermutlich vollständig zusammenhängende Manica rubida Kolonie entdecken, mit unzähligen Kratern. Diese Kolonie ist einige hundert Meter lang und sehr beeindruckend, auch hier fragt man sich einmal mehr, von was die Ameisen hier leben, da sie scheinbar so gut gedeihen. Natürlich solltet ihr nicht in der Nachmittagssonne dort durchfahren, bei praller Sonne bleiben die Manica in den Nestern.
Grüsse
Domenic