User des Monats November 2024   ---   marcel  ---   Danke vom TEAM Ameisenforum  

Was passiert wenn einheimische Arten keinen Winterschlaf erhalten ?

Wo braucht Ihr Hilfe, was an Fragen Eurer Ameisenhaltung möchtet Ihr diskutieren?
~Pulsedriver~
Offline
Beiträge: 12
Registriert: 4. Februar 2007, 16:10
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#1 Was passiert wenn einheimische Arten keinen Winterschlaf erhalten ?

Beitrag von ~Pulsedriver~ » 26. Februar 2007, 19:05

wie ihr aus dem Titel ersehen könnt, möchte ich wissen was passiert wenn einheimische Arten keinen Winterschlaf erhalten bitte um fachkundige Antwort!!!

Mfg ~Pulsedriver~



Benutzeravatar
Toblin
Halter
Offline
Beiträge: 969
Registriert: 9. Juli 2005, 15:20
Hat sich bedankt: 1 Mal
Danksagung erhalten: 25 Mal

#2

Beitrag von Toblin » 26. Februar 2007, 19:15

Hallo Pulsedriver

Zunächst mal halten einheimische Arten keinen Winterschlaf sondern Winterruhe. Biologisch gesehen sind das zwei unterschiedliche Dinge.

Ameisenwiki / Winterruhe hat geschrieben:Sie reagieren mit Larvensterben, Arbeiterinnensterben, geminderter oder vollkommen eingestellter Fortpflanzungstätigkeit. Sprich: Früher oder später wird das Volk aussterben.


Ein klick auf das Wort Winterruhe bringt Dich direkt zu dem Artikel mit weiteren Informationen.

Gruß
Tobi


[Haltungsbericht] '08-'13
[Bauberichte] '05 '06 '07 '08 '09 '10 '11 '12 '13

Benutzeravatar
Wiseman
Halter
Offline
Beiträge: 601
Registriert: 6. April 2004, 10:01
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#3

Beitrag von Wiseman » 26. Februar 2007, 19:21

Das kommt ganz auf die Art an. Bei einigen wie z. B. Lasius niger kannst Du bei einmaligem Ausfall der Winterruhe keine offensichtlichen Verhaltens- oder Entwicklungsunterschiede erkennen. Möglicherweise produziert die Kolonie etwas weniger Arbeiterinnen, vielleicht ist auch die Zahl der Geschlechtstiere etwas geringer, sonst nichts.
Fällt die Winterruhe hingegen wiederholt aus, dürftest Du nach spätestens drei Jahren eine sterbende Kolonie haben, die kaum noch Arbeiterinnen und praktisch keine Geschlechtstiere mehr produziert. Auch wären die Tiere selbst nicht mehr so agil und würden erschöpft wirken.

Bei verschiedenen Temnothorax- und wohl auch Myrmica-Arten hingegen würde bereits das einmalige Ausbleiben der Winterruhe zu einem starken Larvensterben und einem Ausbleiben von Geschlechtstieren führen. Die Kolonie wäre somit bereits im nächsten Jahr stark geschwächt.

Wieder andere Arten, bei uns im Speziellen die Camponotus-Arten legen auch bei hohen Temperaturen eine Diapause ein, d. h. ihre Außenaktivität bricht ab, die Larven stellen das Wachstum ein und die Tiere bleiben nahezu bewegungslos im Nest.
Ob Camponotus sp. dennoch kühle Temperaturen brauchen, um gesund über den Winter zu kommen, wurde noch nicht untersucht, aber ich würde davon ausgehen.

Ciao, Wiseman!



Benutzeravatar
timmey
Halter
Offline
Beiträge: 582
Registriert: 2. Mai 2006, 19:42
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#4

Beitrag von timmey » 27. Februar 2007, 09:46

Hey Leute,
ich muss ja auch mal wieder meinen Senf dazugeben ;)

Bei verschiedenen Temnothorax- und wohl auch Myrmica-Arten hingegen würde bereits das einmalige Ausbleiben der Winterruhe zu einem starken Larvensterben und einem Ausbleiben von Geschlechtstieren führen. Die Kolonie wäre somit bereits im nächsten Jahr stark geschwächt.


Ich muss dem zustimmen. Meine Temnothorax sp. Kolonie ist zu spät in Winterruhe gegangen und hat dabei locker die Hälfte ihrer Larven verloren. (Ich weiss zwar nicht genau warum, aber es kann weder an Futtermangel, noch an einem Milbenbefall liegen). Die "Kleinen" scheinen bei sowas sehr empfindlich zu sein :rolleyes: .

Zumal ich ergänzen muss, das das auch von Kolonie, zu Kolonie unterschiedlich ist. Ich habe bei meinen Lasius sp. Kolonien festgestellt, das eine bereits die Winterruhe abgebrochen hat (und das bei 8° oô), während die anderen kaum mit den Tarsen zucken. Sie haben bereits vor zwei Wochen angefangen aktiv zu werden und nun haben sich die ersten Larven verpuppt. Also habe ich sie mal wieder in ihr Formicarium gesetzt.

Soo, war zwar ne kleine Abweichung, aber passte irgendwie ^^

MfG Tim


In Kürze wieder im Forum und der Ameisenhaltung aktiv. Erneut auf gute Zusammenarbeit :)

Sahal
Halter
Offline
Beiträge: 1729
Registriert: 16. Februar 2006, 18:18
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#5

Beitrag von Sahal » 27. Februar 2007, 10:33

HiHo Wiseman,

nach meinem Wissen gibt es zu Lasius noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen und eindeutigen Erfahrungen zum Ausbleiben der Winterruhe.
Dem Ameisenwiki ist hierzu folgendes zu entnehmen:
Z.B. Myrmica- und Lasius-Arten: Ohne Überwinterung bleiben sie etwas aktiv, aber ziehen kaum noch Larven auf. Wenn man Geschlechtstiere haben möchte, MÜSSEN deren Larven 4-5 Monate Winterbedingungen haben, ein paar Tage reichen keinesfalls.


Bei Camponous sind es lediglich die Arten C. herculeanus und C. ligniperda, die hinsichtlich einer rein endogenen Winterruhe beschrieben (ERDMANN) bzw untersucht wurden (HÖLLDOBLER) und diese auch bestätigt werden konnte. Jedoch ist lediglich die endogene Winterruhe selbst, nicht jedoch eine Langzeit-Untersuchung (Folgejahr/e) durchgeführt worden.


Hast Du weitere Infos hierzu?
Irgendwie klingt Dein Post für mich als Freigabe der Lasius-Halter, die Winterruhe nur alle paar Jahre als notwenig einzustufen.


Wenn die Flinte ins Korn gefallen ist, nicht gleich das Kind in den Brunnen werfen, auch wenn das der Tropfen ist, der dem Fass die Krone ins Gesicht schlägt!

Benutzeravatar
Wiseman
Halter
Offline
Beiträge: 601
Registriert: 6. April 2004, 10:01
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#6

Beitrag von Wiseman » 27. Februar 2007, 14:58

Hallo Sahal,

nein, um Gotteswillen. Mein Post soll keineswegs ein Freibrief für Lasius-Halter sein.

Ich habe in meinen frühen Teenager-Jahren lange vor den Ameisenforen und vor Antstore selbst jahrelang verschiedene Lasius-Arten (Lasius niger, Lasius brunneus) ohne Winterruhe gehalten, weil ich diese für nicht notwendig erachtet hatte.
Das Ergebnis dessen war, dass die Kolonien zwar mehrere Jahre bei mir lebten und auch noch Brut aufzogen (allerdings keine Geschlechtstierbrut), aber mit der Zeit immer schwächer wurden. Die Zahl der Arbeiterinnen ging zurück, und die übrig gebliebenen bewegten sich insgesamt langsamer und wirkten auch im Sommer regelrecht ausgepowert.

Diese Effekte wirken bereits im ersten Jahr nach Ausfall der Winterruhe, fallen da aber zunächst nicht auf. Erst in den darauffolgenden Jahren ohne Winterruhe wird die massive Schwächung der Kolonie deutlich.

Tatsächlich bin ich der Meinung, dass eine einzige, ausgefallene Winterruhe bzw. eine Winterruhe bei nicht ausreichend niedrigen Temperaturen nicht zwangsläufig den mittelfristigen Tod einer (Lasius-)Kolonie bedeutet, vorausgesetzt im darauffolgenden Jahr wird ihr wieder eine 4-5-monatige Winterruhe ermöglicht.
Die meisten (vermutlich sogar alle) Lebewesen besitzen eine gewisse Toleranz, was kurzfristig vom Optimum abweichende Umweltbedingungen angeht. Wenn dem nicht so wäre, hätten wir alle paar Jahre oder Jahrzehnte ein Massensterben in der Flora und Fauna zu verzeichnen.
Problematisch wird es erst, wenn diese Abweichungen dauerhaft sind und in kurzer Zeit auftreten, so dass eine allmähliche Anpassung nicht möglich ist.

Dennoch möchte ich betonen, dass es weder vorteilhaft noch ratsam ist, seine Schützlinge nur alle zwei Jahre in die Winterruhe zu schicken.
Wenn man Ameisen hält, sollte man ihnen grundsätzlich eine möglichst naturnahe Umgebung bieten, und dazu gehört nunmal, einheimische Arten in jedem Winter für mehrere Monate möglichst kühl zu stellen.

Was Camponotus sp. (hier seien nur C. herculeanus und C. ligniperda eingeschlossen) angeht, da schrieb ich ja, dass ich trotz deren endogenem Jahresrhythmus davon ausgehe, dass sie dennoch niedrige Temperaturen benötigen, um sich richtig zu entwickeln. Untersuchungen zu den langfristigen Auswirkungen einer dauerhaft ausbleibenden Winterruhe gibt es meines Wissens bisher nicht, aber im Zweifelsfall würde ich schon den Tieren zuliebe keinerlei Risiko eingehen.

Bei Temnothorax sp. hat Prof. Buschinger selbst Untersuchungen angestellt und hier veröffentlicht:

"Buschinger, A . : The Role of Daily Temperature Rhythms in Brood Development of Ants of the Tribe Leptothoracini (Hymenoptera; Formicidae). In: Effects of Temperature on Ectothermic Organisms. Ed.: W . Wieser, 229-232, 1973, Springer Berlin-Heidelberg-New York"

Ciao, Wiseman!



Benutzeravatar
Darius
Halter
Offline
Beiträge: 627
Registriert: 6. Januar 2004, 20:21
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#7

Beitrag von Darius » 27. Februar 2007, 17:20

Hallo Leute,

also ich kann euch noch diesen Link zum Thema einheimische Ameisen ohne Winterruhe empfehlen: http://www.das-ameisenforum.info/thread.php?threadid=7123&hilight=ohne+winterruhe

Viele Grüße, Darius



Benutzeravatar
NIPIAN
Halter
Offline
Beiträge: 2429
Registriert: 7. September 2005, 17:57
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 4 Mal

#8

Beitrag von NIPIAN » 27. Februar 2007, 18:33

zu dem Link von Darius: Wenn ich das alles richtig überflogen habe, tritt wieder einmal ein klarer Mangel an Statistik auf, an deskriptiver Statistik.

Anhand von einem Jahr und einem Vertreter einer Art wird auf die allgemeine Gesetzmäßigkeit bezüglich eines vollständigen Lebenszyklus auf alle anderen Vertreter dieser Art geschlossen. Momentchen mal... das ist doch induktive Statistik.

Yepp, grobes Vergehen.

Wenn man eine klare Aussage bezüglich Winterruhe einer Art ja/nein treffen will benötigt man: Eine große Anzahl Kolonien einer Art, die man, bis auf das binäre "Winterruhe" gleich hält. Bis zum ENDE. Damit lässt sich das Gebiet der kurzfristigen Auswirkung gleich mit der langfristigen kombinieren. Und, was stellen wir fest? Für eine handfeste Beweisführung brauchen wir ein paar Jährchen.

Gehen wir doch einfach vor: Gucken wir auf das Klima an natürlichen Vorkommensorten. Was stellen wir fest? Möglicherweise leben tatsächlich Arten an beiden Enden des binären Problems "Winterruhe". Das spricht allerdings nur dafür, dass a) die Art anpassungsfähig und b) eine ökologische Nische entdeckt hat, die allerdings langfristig möglicherweise in die Leere führt, bzw. eine Sackgasse ist.

Ad conclusio: Für eine Staatengeneration kann eine solch binär haltungsfähige Art geringe Auswirkungen haben. Für die Population auf lange Sicht könnte sich eine der beiden als sinnvoller erweisen.
Für uns bedeutet das: wenn wir es nicht besser wissen, erstmal auf altbewährtes zurückgreifen (guckst Du Natur) und nicht auf einem Fall basierend Rückschlüsse auf das Gesamtsystem schließen.



Neues Thema Antworten

Zurück zu „Einsteigerfragen“