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Lebensraum von Camponotus vagus & Co. - Fotobericht

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Boro
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#1 Lebensraum von Camponotus vagus & Co. - Fotobericht

Beitrag von Boro » 10. Januar 2009, 15:55

Camponotus vagus ist in D selten, soweit mir bekannt ist, steht sie dort auf der Roten Liste bzw. ist vom Aussterben bedroht (z. B. In BY). Anlass genug, sich mit dieser faszinierenden großen Camponotus-Art noch einmal genauer auseinanderzusetzen.
Bei uns in Kärnten kommt sie wohl sehr verstreut vor, in geeigneten Habitaten unter 800m kann man diese Art aber überall erwarten. Bisher konnte ich nur ein Gebiet entdecken, in welchem Camponotus vagus häufig vorkommt, bzw. relativ hohe Nestdichten erreicht.
Über diese Art habe ich in anderen Zusammenhängen schon einige Male berichtet, z. B. hier:
http://www.ameisenforum.de/fotoberichte/29961-grosse-mitteleurop-camponotus-arten.html
http://www.ameisenforum.de/einheimische-europaeische-ameisen/32359-hochzeit-bei-camponotus-vagus-fotos.html
http://www.ameisenforum.de/fotoberichte/29137-4-exkursion-mit-der-kamera-suedkaernten.html

Heute geht es aber um die natürlichen Voraussetzungen, die notwendig sind um eine hohe Nestdichte zu erreichen. Oberfläche, Bewuchs, Boden und Klima spielen dabei sicher eine entscheidende Rolle. In der Größe ist die Art ungefähr mit der allseits bekannten C. ligniperda vergleichbar, allerdings ist sie thermophiler als diese und braucht sehr gut besonnte, offene und wenig bewachsene Lebensräume.
Daneben sollen auch jene bodenbewohnenden Arten genannt werden, die den Lebensraum mit C. vagus teilen.
Lokalität: Aulandschaft im Süden Kärntens, das dazugehörende Gewässer fließt von Süd nach Nord und mündet in den Hauptfluss Kärntens, in die Drau. Die Länge der beidseitigen Flussufer beträgt etwa 750m , die Breite des Flussbettes misst 25m am oberen Ende und ca 150m im Bereich der Mündung. Die Meereshöhe des Beobachtungsgebietes liegt zwischen 500m und 462m.
Der Jahresniederschlag wird mit etwa 1200mm angegeben, die Niederschlagsmaxima liegen im Sommer (vor allem als Folge von Gewittern) und im Oktober/November durch die aus dem Mittelmeerraum übergreifenden Herbstniederschläge. Der kälteste Monat ist der Jänner mit -4° C Durchschnittstemperatur, der wärmste der Juli mit knapp 19° C. Für das Flussbett und seine Umrahmung müssen allerdings höhere sommerliche Werte angenommen werden.
I. Rezente Aulandschaft: Vegetationslose Geröll- u. Kiesdecken, die einer ständigen oberflächlichen Veränderung unterworfen sind. Nur Im flachen Mündungsgebiet siedeln sich auf grundwassernahen Lehm- und Kiesböden Mandel- und Korbweiden als Pioniergehölze an.
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Im oberen Bereich der sich stets ändernden Geröllwüste gibt es nur versuchte Nestgründungen von einer einzigen Art, nämllich Manica rubida, die meist nicht einmal ein Jahr überdauern. Im Mündungsbereich ist Manica rubida stärker vertreten, daneben gibt es Myrmica cf. rugulosa und auf grundwasserferneren Erhöhungen Formica cf. selysi.
2. Mündungsbereich
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II. Junge Terrasse: Rohböden aus grob- und feinklastischem Material (Kalk, Dolomit, etwas Sandstein) mit einsetzender Vegetationsentwicklung, beginnend mit Weiden- u. Erlenbüschen sowie sehr schlechtwüchsigen Rotföhren. Kennarten des Unterwuchses sind Kreuzblume (Polygala chamaebuxus), Silberwurz (Dryas octopetala), Hauhechel (Ononis repens), Zierliche Glockenblume (Campanula chochleariifolia), Edelgamander (Teucrium chamaedrys) und Zwergginster (Chamaecistus ratibonensis).
3. Junge Terrasse

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Hier liegt das Hauptverbreitungsgebiet von Camponotus vagus, die Nester sind ausschließlich in oder unter Totholz zu finden. Häufig sind daneben Plagiolepis vindobonensis, Formica cf. selysi und Manica rubida anzutreffen. Ein interspezifisches Konfliktpotential besteht nur zwischen C. vagus und manchen Superkolonien der aggressiven Formica cf. selysi

III. Altterrasse: A-C-Boden mit flachgründiger Rohhumusauflage auf sehr gut wasserduchlässigem Schotterboden. Entwicklung einer lückenhaften Waldgesellschaft des Schneeheide-Rotföhrenwaldes (Erico-Pinetum). Typische Begleitpflanzen sind hier Berberitze (Berberis vulgaris), Wacholder (Juniperis communis) und Wolliger Schneeball (Viburnum lantana). Als Unterwuchs sind vor allem zu nennen: Schneeheide (Erica carnea), Weiße Segge (Carex alba), Wachtelweizen (Melampyrum sylvaticum), Große Prunelle (Prunella grandiflorum), Maiglöckchen (Convallaria majalis) und neben der braunen Ständelwurz (Epipactis atrorubens) als Kennart einige andere interessante Orchideengewächse.
4. Föhrenwald mit Erika als Bodendecker
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Hier gibt es eine weit größere Artenvielfalt an Ameisen. Die häufigsten bodenbewohnenden Arten, ungefähr der Nestdiche entsprechend gereiht, sind: Lasius cf. psammophilus, Tetramorium sp., Formica cunicularia, Plagiolepis vindobonensis, mindestens 3 verschiedene gelbe Lasius-Arten, Solenopsis fugax, Camponotus ligniperda, Camponotus vagus, Formica fusca, Polyergus rufescens, Formica sanguinea, Formica truncorum u. einige andere.
Angeschwemmtes Treibholz bietet ideale Voraussetzungen für Nestgründungen durch Camponotus vagus:(5)
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Auch umgefallene oder vom Wald herabgestürzte Föhren werden gerne besiedelt:(6)
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7. Eine etwas unvorsichtige Annäherung an das Nest löst gleich Alarm aus:
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8. Kein Wunder, darunter befindet sich das Nest mit reichlich Brut:
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9. Von hier furagieren die Ameisen in langen Straßen in den nahen Wald. Eine Minor-Arbeiterin kommt mit Beute zurück:
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10. Eine Major-Arbeiterin in Seitenansicht:
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11. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser: Feind in Sicht?
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12. Die Rote Ödlandschrecke kommt hier häufiger vor, ist aber nicht als Gefahr anzusehen:
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13. Feind oder potentielles Beutetier?
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14. Callilepis sp. ist allerdings sehr gefährlich und hier als C. vagus-Killer unterwegs:
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Dieser Spinne habe ich einen eigenen Bericht gewidmet:
http://www.ameisenforum.de/fotoberichte/33496-camponotus-vagus-vs-callilepis-cf-schuszteri.html

15. Die Eidechse ist in jedem Fall eine Gefahr!
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16. Auf den trockenen Schotterbänken ist sie oft eine Nachbarin von C. vagus:
Plagiolepis vindobonensis!
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17. Auch eine Vertreterin aus der Formica-cinerea-Gruppe ist hier häufig zu finden. Ihre Superkolonien können den C. vagus-Populationen mitunter durch ständiges Stören gefährlich werden!
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18. Hier müssen sie aber selbst mit einer Bedrohung fertig werden: Diese Formica rufa-Königin wird wohl keinen Staat mehr gründen!
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19. Auch Manica rubida ist auf sehr vegetationsarme Habitate angewiesen: Hier ein Nest mit einem Ameisengast (weißer Pfeil): Vermutlich die Ameisengrille Myrmecophilus acervorum.
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Auch auf der Waldterrasse III kommt C. vagus verstreut in am Boden aufliegendem Totholz vor. Die häufigsten Nachbarn der bodenbewohnenden Ameisen sind (nur im Waldbereich):
20. Lasius cf. psammophilus
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21. Tetramorium sp.
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22. Solenopsis fugax
Bild

Auch Formica cunicularia gehört im Trockenwald zu einer häufigen Art (Hier ohne Bild). Hier ein Link zu dieser Art:
http://www.ameisenforum.de/fotoberichte/31828-sklaven-im-eigenen-garten.html

Beste Grüße Boro



PHiL
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#2 AW: Lebensraum von Camponotus vagus & Co.

Beitrag von PHiL » 10. Januar 2009, 16:14

Hallo Boro,

Wieder mal ein ganz toller Bericht!
Besonders unerfahrenen Leuten wie mir wird er sicher helfen, bestimmte Ameisen zu finden.
Das Bild von der Eidechse gefällt mir besonders gut :)
Nochwas: Was hat es mit der Ameisengrille auf sich? Ich kann im Forum kaum etwas über sie finden, und leider erkenne ich sie auf dem Bild relativr schlecht... Auch im Ameisenwiki scheint nichts über diese Grillen zu stehen. Weiß man etwas über deren Lebenszyklus?

Grüße, PHiL



Camponotusfan
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#3 AW: Lebensraum von Camponotus vagus & Co.

Beitrag von Camponotusfan » 10. Januar 2009, 17:49

Hallo Boro,

vielen Dank für deinen äußerst interessanten Bericht und die schönen Bilder. Wie du an meinem Nickname erkennen kannst, haben es mit besonders die Camponotus angetan. Momentan halte ich 4 Camponotusarten und würde es gern im Frühjahr mit den vagus probieren. Ich entnehme keine Ameisen aus der Natur, aber vieleicht kann ich bei dir zu gegebener Zeit einige Ameisen erwerben?!

MfG Marcus



Gast
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#4 AW: Lebensraum von Camponotus vagus & Co.

Beitrag von Gast » 10. Januar 2009, 18:15

[font=Times New Roman]Hallo Boro,[/font]

[font=Times New Roman]Ich kann mich PHiL nur anschließen! Beim Blick auf die wunderschönen Bilder möchte man gleich auf die Knie gehen und Steine und Holz umdrehen. :) [/font]

[font=Times New Roman]Interessant ist für mich immer wieder, wie manche Arten doch recht unterschiedliche Habitate bewohnen. Manica rubida kenne ich auch von solchen dürftig bewachsenen Flussschotterflächen, z. B. an der Isar bei Wolfratshausen. Aber eben auch aus dem Umfeld von Erdpyramiden in den Alpen, oder von etwas lichteren Flächen (Wegränder!) im Gebirgswald.[/font]
[font=Times New Roman]Camponotus vagus kommt in Südhessen sehr zerstreut vor, in fast geschlossenen, ebenen Kiefernwäldern auf Sandböden. Besonders einzelne, nur ein paar Meter hohe frühere Dünen werden gerne besiedelt, wenn einmal die Bäume geworfen oder gefällt worden sind. Nach ein paar Jahren, wenn der Jungwuchs den Boden weitgehend bedeckt, ist die Art da wieder verschwunden und man muss sich ein neues Vorkommen suchen. [/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]
[font=Times New Roman][/font]
[font=Times New Roman]PS @ PHiL: Im Wikipedia steht ziemlich viel Brauchbares zur Ameisengrille:[/font]
[font=Times New Roman]http://de.wikipedia.org/wiki/Myrmecophilus_acervorum[/font][font=Times New Roman] [/font]



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