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Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea - Fotobericht

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Boro
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#1 Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea - Fotobericht

Beitrag von Boro » 13. April 2009, 22:35

Ein Krieg zwischen Camponotus ligniperda und Formica cf. cinerea?
Da denkt man sich: Klare Angelegenheit, Camponotus ligniperda ist so ziemlich die größte einheimische Art und mit ihren Majoren und dem berüchtigten "Mandibelkampf" wohl unüberwindbar.
Nein, es kommt ganz anders: Formica (Serviformica) aus der cinerea-Gruppe (derzeit nicht näher bestimmt) ist ungewöhnlich flink, verfügt über einen hervorragenden Sehsinn und versteht es bestens rasch zu rekrutieren und zu kooperieren. Man könnte fast meinen, die heute allseits gepriesene Teamarbeit hätten sich die Menschen von einigen Lasius- u. Formica-Arten abgeschaut. Nebenbei musste ich erstaunt feststellen, dass die dichte Pubeszenz diese Tiere weniger in einem silbrigen Glanz erscheinen lässt, sondern eher silbrig mit etwas "Goldschimmer". Auf einigen Bildern kann man das sehen. Dieser Sache muss ich noch nachgehen.

Zeit, Wetter: 9. Apr. 2009, 13 Uhr bei heiterem Wetter und ca 20° C

Tatort: Eine 25m lange, ältere Holzbrücke über einen Wildbach in Südkärnten (Österr.). Auf der einen Seite Superkolonien der äußerst aggressiven cinerea-Art, auf der anderen Seite in einem etwas morschen Stützpfeiler wohnt Camponotus ligniperda. Genau an der selben Stelle wurde vor 2 Jahren ein großes Nest von Camponotus vagus von eben jenen "Zwergen" belagert und schließlich vertrieben.

Tathergang: Hunderte Formica cf. cinerea-Arbeiterinnen laufen entlang der Balken über die ganze Brücke in Richtung anderes Ende. Dort wird ganz frech das Nest von C. ligniperda belagert. Diese haben sich in die Nestöffnug zurückgezogen und drohen mit ihren gewaltigen Mandibeln nach außen. Hin und wieder wagt sich eine ein paar Zentimeter nach vorne und schon wird sie von einer Formica an einem Fühler gepackt und nach außen gezogen. Wenn die kleine Angreiferin von den Kiefern der C. ligniperda erwischt wird, geht es "klapp" und die Angreiferin krümmt sich sterbend am Boden - einige tote Angreiferinnen lagen schon herum.
Im gleichen Moment aber stürzen sich mehrere Formica-Arbeiterinnen von allen Seite auf den Riesen, er wird gestreckt, zappelt noch ein bisschen - ist aber völlig hilflos, weder die Mandibeln, noch die Giftdrüse können noch irgendetwas bewirken - und der Sensenmann kommt rasch herbei........
Keine weitere Camponotus ligniperda-Arbeiterinn kommt zu Hilfe.........
Das Schicksal nimmt seinen Lauf!. Und so geht es weiter, in etwa 25 Min. konnte ich den Tod von 3 Formica-Arbeiterinnen und 4 Camponotus-Arbeiterinnen beobachten.
1. Der Spalt der Nestöffnung. Man sieht die Köpfe von 2 C. ligniperda-Majoren und eine Formica am oberen Rand.
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2. Die C. ligniperda-Arbeiterin wird mit vereinten Kräften aus der Nestöffnung gezerrt.
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3. Das Drama nimmt seinen Lauf
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4. Eine Formica versucht dem Opfer in den Nacken zu beißen,dieser ist aber gerade bei Camponotus durch eine helmartige Ausbuchtung des Pronotums im Bereich des Nackens gut geschützt. Davon gibt es hier ein paar gute Aufnahmen:http://picmirror.de/bild.php/22968_c.ligni10a.jpg
Im Todeskampf krümmt sich die Ameise aber eher nach vorne zusammen, sodass die Formica-Angreiferin möglicherweise diese empfindliche Stelle tatsächlich verletzten kann.
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5. Noch nie ist mir ein Foto dieser Kampftaktik gelungen. Hier in der Vergrößerung:
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6. Der Tod kommt herbei!
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7. Exitus!
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Ich sehe so etwas auch nicht gerne, aber was soll´s, das ist Natur!
Beste Grüße v. Boro



FALLout
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#2 AW: Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea

Beitrag von FALLout » 14. April 2009, 21:19

Super timing und klasse Fotos.
Hätte nicht gedacht, dass die großen Camponotus ligniperda so in Bedrängnis gebracht werden können. Aber klar wenn 10 kleine oder mehr auf eine kommen siehts halt schlecht aus.

EDIT:
eventuell wars den Camponotus ligniperda ja einfach noch zu kühl. Sollen ja nur bei schwülen Temperaturen aggressiv werden und nur bei Neststörung angreifen.



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#3 AW: Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea

Beitrag von Imago » 14. April 2009, 21:41

Hallo Boro!

Ich habe mal eine Frage bezüglich des Auslösers solcher Auseinandersetzungen. Schließlich werden die Kolonien ja nicht ausgelöscht, nur dezimiert, wie in diesem Fall.

Wird angegriffen um auszulöschen, und etwaiger Widerstand veranlasst einen Rückzug der Angreifer?

Lässt solch eine Handlung auf eine Situationseinschätzung im niedersten Sinne schließen?
-Wir sind unterlegen, also Rückzug!?
-Wir erreichen den "Feind" nicht, zurück zum eigenen Nest!?

Wird nur wegen Futterkonkurrenz angegriffen?

Wird angegriffen um sich evolutionsgeschickt durchzusetzen, quasi rein aus Instinkt?

Wenn ja, wie wird der Zeitpunkt des Angriffs bestimmt, wer bestimmt, eine einzelne Ameise?

Warum haben nicht die Camponotus angegriffen?

Wird angegriffen um evtl. nur zu verdrängen?

Existieren Resultate wissenschaftlicher Versuche/Erkenntnisse?

Hat irgend jemand hier im Forum eine Antwort, oder eine Erklärung?

Bei bedarf kann ja ein extra Thema erstellt werden und die Beiträge verschoben werden, wenn sich meine Fragen nicht "einfach" klären lassen.

LG Imago



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Boro
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#4 AW: Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea

Beitrag von Boro » 15. April 2009, 13:58

Hallo Imago!
Interessante Frage! Ich kann hier nur meine Theorie zum vorliegenden Fall entwickeln:
Auf der einen Seite befindet sich eine Superkolonie dieser Art aus der cinerea-Familie. Dort gibt es mehrere Nester, die zusammen eine Superkolonie mit sicher weit über 10.000 Individuen bildet. Die vielen Einzelindividuen werden zum Superorganismus, wenn es um Ansprüche auf ein Territorium od. Dauernahrungsplätze geht. So eine Superkolonie hat sicher ein riesiges Territorium, in dem keine Konkurrenz geduldet wird. Obwohl der Abstand zum Nest von Camponotus vagus (früher) und jetzt Camponotus ligniperda gut 25m beträgt, reicht das offensichtlich aus, um diese Art als Konkurrenz (wohl Futterkonkurrenz) zu sehen.
Das Volk eines Einzelnestes würde sicher keinen Angriff über diese Distanz auf ein Nest von Camponotus ligniperda wagen.
Im Gegenteil: Einzelnester der gleichen Art unterliegen hier so wie andere Serviformica-Arten hin und wieder einer sozialparasitischen Art. Eine Formica sp.-Königin habe ich ganz in der Nähe einmal (unter einem Stein) im Nest dieser Art gefunden, obwohl dieses noch über eigene Königinnen (!) verfügte. Ein Foto war leider nicht möglich, da hätte ich eine zweite Person gebraucht.
Ebenso hatte ich ja das Glück die sehr seltene Konstellation eines Polyergus rufescens-Serviformica cf. cinerea Nestes in dieser Gegend ausfindig zu machen. Die Überfälle von Polyergus auf vereinzelte Nester von Serviformica cf. cinerea liefen z. B. problemlos ab.
Ähnlich verhalten sich ja große Kolonien von Formica sp. Im weiten Umkreis um ihre Nester werden alle anderen (oberflächlich) agierenden Ameisen angegriffen und auch belagert.
Beste Grüße v. Boro



Imago
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#5 AW: Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea

Beitrag von Imago » 15. April 2009, 15:22

Hallo Boro!

Vielen Dank für die Erleuterung.

Vielleicht bringt die Zeit ja mehr Aufschluss. Oder jemand aus dem Forum entdeckt zufällg eine interessante Quelle, die unser Wissensdurst noch weiter stillen kann.

Wir werden sehen...

Viele Grüße
Imago



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Boro
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#6 AW: Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea

Beitrag von Boro » 15. April 2009, 18:50

Ich habe gerade nachgeschaut: Bei B. HÖLLDOBLER & E.O.WILSON: Ameisen. Die Entdeckung einer faszinierenden Welt, gibt es ein Kapitel "Krieg und Außenpolitik."
Aber da gibt es sicher noch viel mehr Literatur!
Beste Grüße Boro



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#7 AW: Camponotus ligniperda vs. Serviformica cf. cinerea

Beitrag von Imago » 15. April 2009, 19:12

Ja, denke ich auch. Ich glaube nicht das dieses, doch aufschlussreiche Thema in bezug auf evtl. artübergreifendes Verhalten, bislang unberührt blieb.

Danke Boro, eine gute Quelle!

LG Imago



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