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Wozu sozial leben?

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ameisenheld4
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#1 Wozu sozial leben?

Beitrag von ameisenheld4 » 12. September 2009, 20:25

Da ich seit einiger Zeit, mich noch mehr mit Ameisen beschäftigen möchte ( nicht nur mit einheimischen Arten ), bin ich heute in die Stadtbibliothek gegangen um mir verschiedene Lektüren zu holen. Jedoch wollte ich im Grunde genommen nur ein Buch von Bernhard Seifert. Da jedoch alle "Ameisen Bücher" schon weg waren, habe ich halt einfach ein Buch über Insekten genommen. In diesem Buch das sich auch mit Ameisen beschäftigt fand ich diesen Teil der mich sehr interessierte.

Zitat:

"Die Verteidigung der Kolonie endet bei sozialen Ameisen, Wespen und Bienen oft mit dem Tod der Arbeiterinnen. Sie pflanzen sich nicht fort, kümmern sich aber unentwegt um den Nachwuchs anderer. Geht ihr Altruismus nicht ein bisschen zu weit? Für Charles Darwin war die Selbstaufopferung dieser Insekten eine peinliche Angelegenheit. In seiner Offenheit wies er darauf hin, dass seine Evolutionstheorie via natürliche Selektion durch die Tatsachen aus dem sozialen Leben der Ameisen, Wespen und Bienen ins Wanken geraten könnte. Wie können Gene für Selbstaufopferung überleben und in die nächste Generationen weitergegeben werden?

Darwin sollte sich den Rest seines Lebens darüber den Kopf zerbrechen; er spekulierte ob die sozialen Insekten nicht ein "Spezialfall" seien, die natürliche Selektion hier nicht eher auf die Kolonie als Ganzes, als auf die Individiuen einwirkte. Soziales Verhalten hat sich bei den Hautflüglern (den Ameisen, Wespen und Bienen) mindestens elfmal unabhängig voneinander entwickelt, bei anderen Insekten dagegen nur einmal: Bei den Termiten.
Irgendetwas muss es bei den Hautflüglern geben, das sie zur Sozialität tendieren lässt.

Wir wissen heute, dass die natürliche Selektion sogar bei den sozialen Hautflüglern am Individium ansetzt und nicht an der Kolonie als Ganzes. Und die Antwort auf Darwins Dilemma liegt darin, wie sich die Geschlechszugehörigkeit bei Ameisen, Wespen und Bienen definiert. Weibchen stammen aus befruchtetetn Eiern und sind diploid, haben also einen doppelten Chromosomensatz. Männchen dagegen stammen aus unbefruchteten Eiern. Sie haben nur den einfachen Chromosomensatz, sind also haploid. Dies Art der Geschlechterbestimmung heisst Haplo- Diplodie und führt zu einigen Merkwüdigkeiten im Grad der genetischen Verwandschaft: Da Hautflüglerköniginnen zwei Chromosomensätze haben, aber nur einen jeweils an ihre Töchter weitergeben, haben Hautflüglerschwestern zu durchschnittlich 50% gemeinsame Gene. Der Vater verfügt nur über einen Chromosomensatz; folglich bekommen die Schwestern vom Vater jeweils die exakt dieselben Gene: Hautflüglerschwestern sind also zu 75% Prozent miteinander verwandt.
Die Rechnung sieht, genetisch betrachtet, für eine kinderlose Arbeiterinn nun folgendermassen aus: Obwohl sie ihr Leben der Aufzucht ihrer Schwestern widmet, von denen einige zu Königinnen heranwachsen werden, und obwohl sie vielleicht eines Tages ihr Leben für die Verteidigung der Kolonie opfern wird, arbeitet sie dennoch an ihrem eigenen Fortpflanzungserfolg, obwohl sie nie Eier legen wird.
Dies ist kein Wiederspruch in sich: Weil die Arbeiterinnen mit ihrern Schwestern enger verwandt ist (75%), als sie mit ihrern eigenen Töchtern wäre (50%), bringt sie durch ihren Einsatz für die Schwestern einen grösseren Anteil "ihrer" Gene in die nächste Generation, als wenn sie selbst Töchter hätte. Es spielt keine Rolle, ob die Gene, die weitergegeben werden, in ihrem Körper oder in den Eiern ihrer Schwestern lagern: Auf alle Fälle sind 75% davon identisch. Das ist die Grundlage dessen, was Kin-Selektion Theorie genannt wird, und es ist die eleganteste Erklärung für die Mehrfach- Evolution der Sozialität bei Hautflüglern. Es bedeutet, dass die Arbeiterinnen unter dem Druck der tyrannischen Gene eher selbstsüchtig als altruistisch handelt."

Zitat: Alien Empire -das Reich der Insekten- von Christopher O'Toole



Auf Youtube gibt es ein paar Videos die versuchen mit dem Beispiel der Ameisen die Evolutions- Theorie zum kippen zu bringen, indem sie fragen: "Wie ist es möglich, dass das Verlangen der Aufopferung für die Kolonie weitergegeben werden kann, wenn doch nur die Königin ihr Erbgut weitergibt?" Hier wäre also die Erklärungs- Theorie. Für mich klingt sie sehr logisch.

Ich hoffe einen solchen Thread gibt es noch nicht. Ich habe nämlich keinen gefunden!

Mfg ameisenheld4



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#2 AW: Wozu sozial leben?

Beitrag von Gast » 12. September 2009, 20:35




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Joachim

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#3 AW: Wozu sozial leben?

Beitrag von Joachim » 13. September 2009, 02:36

Kleine Amerkung zum Artikel: Bei Hautflüglern sind zwar die meisten eusozialen Lebensformen bekannt (es sind halt die auffälligsten), aber inzwischen ist der Text überholt. Es sind auch außerhalb der Hautflügler und Termiten inzwischen recht zahlreiche eusoziale Formen beschrieben, z.B. bei Pistolenkrebsen oder bei in Gallen lebenden Läusen und Fransenflüglern.


vG Joschi

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#4 AW: Wozu sozial leben?

Beitrag von Gast » 13. September 2009, 18:18

Da habe ich eine - leider anonyme - Bewertung bekommen, grauviolett, also „neutral“:
„Wozu sozial leben? 13.09.2009 10:58 dawkings is keine gute referenz für altruismus“
Mit falsch geschriebenem Autornamen (R. Dawkins, nicht „dawkings“), ohne Bezug auf das von mir empfohlene Buch (der Autor hat mehrere Bücher geschrieben) und ohne Begründung. So ist die Bemerkung leider reichlich obskur und unverständlich.

Die Verwandtschaftsselektions-Theorie geht auf W.D. Hamilton 1964 zurück. So richtig verstanden hat sie zunächst niemand, bis E.O. Wilson 1971 in seinem Buch „The Insect Societies“ diese Theorie den Ameisenforschern nahe gebracht hat.
Dawkins (1976) hat in seinem Buch „The Selfish Gene“ auf mehr populärer Ebene die Theorie in allen ihren Auswirkungen allgemein verständlich gemacht. Das von mir empfohlene Buch „Das egoistische Gen“ von 1978 ist die deutsche Übersetzung davon.

Noch immer, mehr als 30 Jahre nach Dawkins und mehr als 40 Jahre nach Hamilton, liegt die Theorie zahllosen modernen Forschungsvorhaben zugrunde.
Daran haben auch die Entdeckungen von eusozialen Pistolenkrebsen, Blattläusen und Borkenkäfern nichts geändert. (Dazu gibt’s übrigens in der Zeitschrift der Deutschen Ameisenschutzwarte einen Artikel von A. Buschinger: "Nun auch im Meer: Staatenbildende Pistolenkrebse". Ameisenschutz aktuell 12, 12-16, 1998. Über die DASW-Geschäftsstelle zu beziehen).

Aber vielleicht hat der anonyme Einwender ein jĂĽngeres Buch von Dawkins gemeint:
„Der Gotteswahn“, von Richard Dawkins und Sebastian Vogel (Oktober 2008). Für Altruismus ist das tatsächlich nicht relevant, dennoch aus meiner Sicht ebenfalls sehr empfehlenswert.

MfG,
Merkur



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tribunus78
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#5 AW: Wozu sozial leben?

Beitrag von tribunus78 » 13. September 2009, 22:22

Aloa.
Bezügl. Darwin, Altruismus, soziale Tiere usw. sei noch "Der Baum der Erkenntnis" von 2 Chilenen geschrieben (glaub ich) empfohlen. Befasst sich im allgemeinen und größeren Rahmen auch noch mit zusammenhängenden Problematiken. Kommunikation, strukturelles Driften usw.. Kann grad aus Zeitgründen leider nicht weiter darauf eingehen.
Viel Spass beim Lesen


"Furcht ist der Weg zur dunklen Seite"
ich vermiete an: Messor, Camponotus, Lasius, Temnothorax, Myrmica

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#6

Beitrag von Gast » 22. September 2009, 20:05

Ich möchte den thread nochmals hoch holen.

1. hat sich der Themenstarter, Ameisenheld4, ĂĽberhaupt nicht mehr zu Wort gemeldet. Es ist frustrierend, Antworten zu formulieren und dann keinerlei RĂĽckmeldung zu bekommen.

2. Auch mein anonymer „Bewerter“ hält sich bedeckt. Konnte ich dir etwas erklären? Es ist jedenfalls nicht höflich, eine Kritik abzulassen und dann nicht dazu zu stehen.

3. tribunus 78 ist uns noch ein genaues Zitat schuldig. Mit den dürren Angaben "sei noch "Der Baum der Erkenntnis" von 2 Chilenen geschrieben (glaub ich) empfohlen“ hat wohl keiner was anfangen können.

Wäre nett, wenn man da noch etwas erfahren könnte.

MfG,
Merkur



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ameisenheld4
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#7 AW: Wozu sozial leben?

Beitrag von ameisenheld4 » 6. Oktober 2009, 16:14

Hallo

Merkur: Entschuldigung fĂĽr meine Abwesenheit in den letzten Tagen. Ich habe auch deine Links einmal angeschaut und bin dir dankbar dafĂĽr, hat mich auch angestiftet noch einmal in die Bibliothek zu gehen. Leider ist das Angebot an BĂĽchern ĂĽber Ameisen sehr gering... leider.

PS: Danke auch an Joschi!

ameisenheld4



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#8 Das Väter unser

Beitrag von marscolonist » 20. November 2009, 05:45

Vielleicht gibt es für die Honigbiene (Apis melifica), die zwar schon seit Jahrtausenden gehalten wird eine (mal wieder von mir aus dem Trüben gestocherten, aus dem Zusammenhang gerissenen, völlig verschmähungswürdigen) Ansatz:
Die Honigbiene ist nicht die Jungfrau Maria, wie angenommen und zählt wohl eher zu den Gang-Bang-Schlampen unter den Hymenopteren; was ohnehin schon jeden Hardcore-Kreationisten umhaut und schon deshalb Darwin vielleicht freuen würde. Sie speichert Sperma von mehreren Drohnen. Somit sind die Arbeiterinnen nicht immer reine Schwestern, sondern auch Halbschwestern, was den Genpool vergrössert und somit die Fitness des Volks erhöht. Ob sich die Konkurrenz innerhalb des Volks aber auch positiv auswirkt und ob man das als Selektionsdruck bezeichnen darf, vielleicht Konkurrenz bei der Brutpflege stattfindet ...keine Ahnung! Da weiß ich bei meinen Camponotus-Kampflesben auch nicht wirklich woran ich bin, weil die in enormen Massen schwärmen. Es bleibt spannend



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