User des Monats Oktober 2024   ---   Denis  ---   Danke vom TEAM Ameisenforum  

Martyrium einer Königin - Fotobericht

Berichte (z.B. Reiseberichte, Ameisenfotoalben, Ausflüge, Schnappschüsse, etc.) mit vielen Fotos von Ameisen und Natur.
Benutzeravatar
Boro
Halter
Offline
Beiträge: 6149
Registriert: 28. März 2004, 19:00
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 9 Mal

#1 Martyrium einer Königin - Fotobericht

Beitrag von Boro » 30. Juli 2010, 18:44

1. Ãœberfall der Amazonenameisen auf ein Formica rufibarbis-Nest. [Bericht I]
Während ein Großteil der Angreifer bereits in den Tiefen des Nestes verschwunden ist, um die Puppen zu rauben, sind viele Arbeiterinnen des F. rufibarbis-Nestes an die Oberfläche geströmt und versuchen die herumlaufenden Amazonen zu bekämpfen. 2 Königinnen fliehen aus dem polygynen Nest. Eine kann man etwas links von der Mitte erkennen:
Bild

2. Eine Amazone überfällt die Königin und verwickelt sie in einen Kampf .(etwas links v. der Bildmitte). Im Gegensatz zu Raptiformica sanguinea verschonen die Amazonen aber in der Regel sowohl Arbeiterinnen wie auch die Königin(nen). Sie verschonen die Nester, weil sie auf Gedeih und Verderb auf die Hilfsameisen angewiesen und ohne diese nicht lebensfähig sind. Wer sich näher informieren will: http://ameisenforum.de/beobachtungen-im-freiland/21747-raubz-ge-der-amazonen.html
http://ameisenforum.de/fotoberichte/36836-kundschafter-spurenleger-f-hrtensucher-r-uber-fotobericht.html
Bild

3. Kampf mit 2 Amazonen:
Bild

4. Jetzt dürfte es wohl aus sein: 3 Amazonen sind an der Königin. Wenn diese ihre säbelförmigen Mandibeln in den Chitinpanzer der Königin bohren, kommt rasch der Tod herbei. Dies geschieht aber nur, wenn es besonders harten Widerstand der Verteidiger gibt. Rasch stellt sich heraus, dass die Amazonen mit der Königin eher spielerisch raufen, es scheint ihnen richtig "Spaß" zu machen, wenn sie Angst und Schrecken verbreiten. Ob die Königin von dieser Strategie "Kenntnis" hat, ist eine andere Frage!
Bild

5.Die meisten Amazonen sind schon mit der Beute abgezogen. Eine Servivormia-Arbeiterin kommt jetzt der Königin zu Hilfe.
Bild

6. Also von außen sieht alles ganz gut aus!
Bild

7. Die Horde der Räuber ist abgezogen. Die Königin wird begutachtet und von einer Arbeiterin an den Mandibeln Richtung Nesteingang gezogen:
Bild

8. Puh, scheinbar alles noch einmal gut gegangen! Alle Extremitäten sind noch dran, die Königin ist scheinbar unverletzt und wird jetzt rasch Richtung Nesteingang transportiert. Mit Brut geflohene Serviformica-Arbeiterinnen kehren rasch zurück und der Alltag kehrt wieder ein. Nicht ganz: Entweder nimmt das Nest einen Standortwechsel vor oder die Eingänge werden weitgehend zugemauert.
Bild



FrimMi
Einsteiger
Offline
Beiträge: 80
Registriert: 15. Mai 2010, 21:30
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#2 AW: Odyssee einer Königin

Beitrag von FrimMi » 30. Juli 2010, 18:52

Sehr gute Fotos !!! Und ein sehr guter Bericht.



Benutzeravatar
Clypeus
Halter
Offline
Beiträge: 1137
Registriert: 21. Juni 2009, 17:32
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#3 AW: Martyrium einer Königin

Beitrag von Clypeus » 31. Juli 2010, 10:04

Puh, am Ende des Berichts, gestehe ich, habe ich echt aufgeatmet. Danke für deinen Bericht, Boro, und für deine schönen Bilder.



Forces
Halter
Offline
Beiträge: 387
Registriert: 23. September 2009, 16:36
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 9 Mal

#4 AW: Martyrium einer Königin

Beitrag von Forces » 31. Juli 2010, 11:30

Mal wieder ein super Bericht von Boro sind wir ja schon gewohnt :baeh:



Benutzeravatar
Ameise1
Halter
Offline
Beiträge: 376
Registriert: 19. September 2009, 17:02
Hat sich bedankt: 23 Mal
Danksagung erhalten: 5 Mal

#5 AW: Martyrium einer Königin

Beitrag von Ameise1 » 31. Juli 2010, 13:26

Wie immer sehr interessant zu lesen und vorallem anzuschauen.:)

Martin



Benutzeravatar
Boro
Halter
Offline
Beiträge: 6149
Registriert: 28. März 2004, 19:00
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 9 Mal

#6 AW: Martyrium einer Königin

Beitrag von Boro » 3. August 2010, 10:16

Der Tod kommt immer, einmal früher, einmal später! [II]
In der Natur spielen sich immer wieder Vorgänge und Tragödien ab, die man mit menschlichen Maßstäben nicht ganz nachvollziehen kann. Und doch steckt eine gewisse grundlegende Logik dahinter, die man erst verstehen muss.
Zum Geschehen: Bei Polyergus rufescens (in ganz Mitteleuropa vom Aussterben bedroht) schwärmt ein guter Teil der Gynen auf der Nestoberfläche oder in der unmittelbaren Umgebung. Die Weibchen geben Sexualhormone an die Luft ab, um die Männchen anzulocken ("female calling"). Häufig werden die abgeflogenen Männchen des eigenen Nestes zum Zug kommen (Inzucht!). Das völlig unspektakuläre Schwärmen findet bald nach dem Höchststand der Sonne statt und zwar nur an Tagen, wo sich die Temperatur wenigstens der 30°-Marke nähert. Die nun begatteten Gynen laufen dann in der Gegend herum oder verstecken sich. Als obligatorischer Sozialparasit findet vielleicht die eine od. andere ein Nest von Serviformica sp. Alle anderen haben nur ein Ziel: Sie warten auf den später (ab 16 Uhr Sommerz.) stattfindenen Raubzug der Amazonen (fast immer sind es ihre Geschwister!). Diesem schließen sie sich an, um dann in das geplünderte Nest einzudringen, die dortige Königin zu töten und ein eigenes Nest zu gründen. Andere Gynen wiederum laufen auf dem (eigenen) Nest herum, wohl mit dem "Hintergedanken" da einzudringen. Allerdings sind diese Neuankömmlinge bei den inzwischen alarmierten Hilfsameisen und Amazonen höchst unwillkommen und begeben sich in akute Lebensgefahr. Ich konnte bisher keine Art entdecken, bei der die Konkurrenz (in dem Fall Gynen, sonst andere Nester der gleichen Art) mit derartiger Brutalität und Konsequenz ausgerottet wird. Auch geglückte Nestgründungen, die sich in einem Umkreis von weniger als 90m vom bestehenden Nest befinden, werden früher oder später entdeckt und dann vernichtet.
Bleibt eine Frage übrig: Wieso begeben sich die frisch begatteten Gynen in diese Gefahrensituation?
Antworten:
1. Die sozialparasitische Gründung an sich ist stets eine lebensgefährliche Situation für die Gyne.
2. Die Gründung unmittelbar nach der Plünderung eines Serviformica-Nestes ist ungleich einfacher, weil die Nesteinwohner verstört und demoralisiert erscheinen.
3. Im Gegensatz zu den ebenfalls sozialparasitisch gründenden Gynen der Waldameisen haben die Gynen von Polyergus einen entscheidenden Nachteil: Sie können sich selbst nicht ernähren und sind daher auf möglichst rasche Nestgründung und Fütterung angewiesen. Nahrungsreserven sind kaum vorhanden, die Kröpfe der Königinnen scheinen keineswegs besonders gut gefüllt zu sein.

1. Hier ist nicht viel zu erkennen: Ein Knäuel von Serviformica cunicularia und ein paar Amazonen. Um was geht es hier?
Bild
Bild
Bild
Bild
2. Jetzt kann man es sehen: Ein Jungkönigin von Polyergus rufescens ist das Opfer! Sie ist wie viele andere am bestehenden Nest herumgelaufen und wurde dabei von den Bewohnerinnen (sehr wahrscheinlich Geschwister bzw. Ziehmütter) eingefangen. Es wird gezogen und gezerrt, die Gyne wird fixiert und mit Gift bespritzt.
Bild
Bild
Bild
3. Schauen wir uns das Ganze etwas näher an: Der Biss der Amazone zwischen Petiolus und Gaster dürfte ausschlaggebend sein!
Bild
Bild
Bild
4. Jetzt sind gleich 2 Amazonen am Werk!
Bild
Bild
Bild
5. Hilfsameisen klettern auf den Körper des Opfers und versuchen ihr Gift an empfindlichen Körperstellen der Gyne abzuspritzen.
Bild
Bild
Bild
6. Das wird´s wohl bald gewesen sein. Die Gyne ist fixiert, kann sich kaum noch rühren. Eine mögliche Konkurrenten für die bestehende Königin ist ausgeschaltet.
Bild
Bild
Bild
In diesem besonderen Fall konnte ich 18 Gynen zählen, die sich am (erfolglosen) Raubzug beteiligten bzw. zwischendurch am (alten) Nest herumliefen. Die hier abgebildete Königin ist wohl später gestorben, 3 Stück konnte ich aus den Fängen der Angreifer retten und zusätzlich habe ich 8 Gynen in eine Entfernung von mindestens 80m verbracht. Ich weiß schon, man sollte in natürliche Abläufe nicht eingreifen, aber so einem Gemetzel kann ich nicht tatenlos zuschauen. Noch dazu, wo es heuer erstmals (nach 15jähriger Dauerbeobachtung) auffallend wenig weibliche Geschlechtstiere gibt. Womit das zusammenhängt weiß ich nicht. Das vorliegende Nest war die absolute Ausnahme. Nebenbei: In diesem Territorium habe ich inzwischen 6 Nester der Art, die durch ständiges Hin- und Hergehen beobachtet werden. Ich weiß, klingt ein bisschen verrückt.........aber es ist so was wie Jagdleidenschaft...
G.Boro



Benutzeravatar
Corsair
Halter
Offline
Beiträge: 909
Registriert: 29. Januar 2004, 16:22
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 49 Mal

#7 AW: Martyrium einer Königin

Beitrag von Corsair » 3. August 2010, 10:34

Spannender Bericht mit viel Aktion! Klasse Bericht!!!

Ich weiß ich hatte heuer schon mein C. vagus Traumerlebnis im Heizungskeller - aber nach einem Polyergus-Nest bin ich schon seit ewigen Zeiten auf der Suche.

Ich weiß genau, dass ich damals in meiner Umgebung einmal solch ein Volk gesehen hatte - wusste ja auch wo. Doch natürlich nach so vielen Jahren ist es nicht mehr da wo ich es einst sah. Hatte diese stechend roten Ameisen damals noch nie gesehen und deren Größe beeindruckte mich auch sehr.

Aber ich werde sicher nicht aufgeben diese seltene Ameisenart auch einmal in meiner Umgebung zu finden.

Ein paar Fotos vom Habitat-Areal aus einem weiteren Betrachtungswinkel würde sicher vielen helfen die ebenfalls auf der Suche nach der Traumart Polyergus rufescens sind Boro.

LG Corsair


"Gesegnet sei der Ameisenverstand, der zu klein für Zweifel ist."

marcel24680
Einsteiger
Offline
Beiträge: 52
Registriert: 28. Juli 2010, 15:31
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

#8 AW: Martyrium einer Königin

Beitrag von marcel24680 » 10. August 2010, 17:05

Sehr schöhn beschrieben:)



Neues Thema Antworten

Zurück zu „Fotoberichte & Videoberichte“