Wenn ein Sklavenhalter zum Rambo wird!

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#9 AW: Wenn ein Sklavenhalter zum Rambo wird!

Beitrag von Gast » 12. November 2010, 12:36

[font=Times New Roman]Labor: [/font][font=Times New Roman]http://ecology.bio.lmu.de/etho_e/index.htm[/font]

[font=Times New Roman]Autor: S. Pohl (vermutlich Doktorand): [/font][font=Times New Roman]http://ecology.bio.lmu.de/etho_e/index.htm[/font]
[font=Times New Roman]„Pohl S, Foitzik S. Slave-making ants prefer larger, better defended host colonies. Animal Behaviour, in press.“ (ist jetzt anscheinend erschienen).[/font]

[font=Times New Roman]Eine Pressemitteilung zu dem Artikel des BR fand ich nicht.[/font]

[font=Times New Roman]Protomognathus americanus wurde frĂŒher als Harpagoxenus americanus in der Gattung Harpagoxenus gefĂŒhrt.[/font]
[font=Times New Roman]Im Gegensatz zu H. sublaevis und H. canadensis, deren Sklaven der Gattung Leptothorax angehören, versklavt P. americanus Arten der Gattung Temnothorax.[/font]
[font=Times New Roman]Morphologische und anatomische Merkmale zeigten, dass Protomognathus mit Temnothorax viel nĂ€her verwand ist als mit Harpagoxenus. Folglich musste „Harpagoxenus“ americanus einen (bereits frĂŒher mal vorgeschlagenen) Gattungsnamen bekommen, eben Protomognathus.[/font]
[font=Times New Roman]Leider ist auch nach der jĂŒngsten Revision der ganzen Formicoxenini noch einiges verwirrend geblieben. So existieren tatsĂ€chlich Sklaven haltende Temnothorax: T. duloticus und eine zweite, bisher unbenannte Art, beide in Nordamerika und in der Verbreitung mit Protomognathus ĂŒberlappend. Sie nutzen auch alle drei dieselben 3-4 Wirtsarten, T. ambiguus, T. curvispinosus und T. longispinosus.[/font]

[font=Times New Roman]@ Wiseman: Die verlinkte Seite von Tom Alloway (Toronto) ist ca. 20 Jahre alt; da hießen auch die Temnothorax noch Leptothorax, bildeten aber eine Untergattung "Myrafant".[/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]



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#10 AW: Wenn ein Sklavenhalter zum Rambo wird!

Beitrag von Wiseman » 12. November 2010, 12:42

Hallo Merkur,

danke fĂŒr die AufklĂ€rung. Hat mich mein Auge doch nicht getĂ€uscht, dass Protomognathus americanus der Gattung Temnothorax Ă€hnlicher sieht als der Gattung Leptothorax.

Also Leute, wie Merkur bereits schrieb, ist die von mir verlinkte Seite inhaltlich falsch bzw. veraltet (frĂŒher wurden die Temnothorax-Arten der Gattung Leptothorax zugerechnet). Schade, dass solche Seiten nicht aktualisiert werden.


PS: Vor 20 Jahren gab es schon Internet? :eek:



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#11 AW: Wenn ein Sklavenhalter zum Rambo wird!

Beitrag von Gast » 12. November 2010, 15:21

[font=Times New Roman]@ Wiseman zum Internet:[/font]
[font=Times New Roman]http://de.wikipedia.org/wiki/Internet#Geschichte[/font]
[font=Times New Roman]„Im Jahr 1990 beschloss die US-amerikanische [/font][font=Times New Roman]National Science Foundation[/font][font=Times New Roman], das Internet fĂŒr kommerzielle Zwecke nutzbar zu machen, wodurch es ĂŒber die UniversitĂ€ten hinaus öffentlich zugĂ€nglich wurde.“[/font]
[font=Times New Roman]--[/font]
[font=Times New Roman]Das Datum einiger Webseiten von Alloway ist leider nicht zu finden. Hat mich schon öfter geÀrgert![/font]
[font=Times New Roman]Mit Google: „Leptothorax duloticus“ sind etliche Arbeiten ĂŒber Raubzugverhalten zu finden, von Alloway und Mitarbeitern, aber auch z.B. von E. O. Wilson.[/font]

[font=Times New Roman]Hier ist das abstract der Originalarbeit von Pohl & Foitzik zu dem BR-Beitrag. Leider geht daraus nicht sehr viel hervor, und fĂŒr den vollen Artikel muss man zahlen :mad::[/font]
[font=Times New Roman]http://www.sciencedirect.com/science?_ob=ArticleURL&_udi=B6W9W-51C9PJY-1&_user=10&_coverDate=11%2F01%2F2010&_rdoc=1&_fmt=high&_orig=search&_origin=search&_sort=d&_docanchor=&view=c&_acct=C000050221&_version=1&_urlVersion=0&_userid=10&md5=c80b13c4863d6a1fc1ad1897a2a5ccb1&searchtype=a[/font]

[font=Times New Roman]Wenn man sich ein Volk einer Temnothorax-Art (in einer Eichel) vorstellt, so hat dieses einen bestimmten „Einzugsbereich“, in dem es Futter sucht, rekrutiert, MĂŒll und Kot verteilt. Dieser Einzugsbereich oder Aktionsradius ist bei einem großen Volk (200 +) natĂŒrlich viel grĂ¶ĂŸer und stĂ€rker "markiert" als bei einem Völkchen von nur 30 Arbeiterinnen.[/font]
[font=Times New Roman]Die Scouts von P. americanus laufen einzeln umher und suchen nach „Indizien“ fĂŒr die Anwesenheit eines Wirtsvolkes. Das Areal eines großen Volkes wird natĂŒrlich rascher/öfter gefunden, als das eines kleinen, auch bei gleicher Entfernung zwischen dem Nest des Sklavenhalters und des Wirtsvolkes, so dass sich schon daraus eine „Bevorzugung“ grĂ¶ĂŸerer Wirtsvölker ergeben wĂŒrde.[/font]
[font=Times New Roman]Ich nehme aber an, dass Poth & Foitzik diesen „Automatismus“ einkalkuliert haben. [/font]

[font=Times New Roman]Bei Harpagoxenus sublaevis suchen die Scouts, bis sie den Nesteingang gefunden haben, drehen blitzschnell ab und „rasen“ mit Höchstgeschwindigkeit zu ihrem Nest, wo sie VerstĂ€rkung holen (wer noch weiß, was es mit den „Ryk-Videos“ auf sich hat, kann das in dem Film „Krieg der Ameisen“ ansehen). Viel Zeit fĂŒr eine AbschĂ€tzung von GrĂ¶ĂŸe und Inhalt des entdeckten Wirtsvolkes nehmen die sich zumindest nicht![/font]
[font=Times New Roman]H. sublaevis macht Einzelrekrutierung via Tandemlauf. P. americanus und L. duloticus rekrutieren kleine Gruppen von Artgenossinnen zum Raubzug, so wie das die Sklaven haltenden Myrmoxenus in Europa tun (Bild von M. ravouxi: [/font][font=Times New Roman]http://www.ameisenwiki.de/index.php/Myrmoxenus[/font][font=Times New Roman] )[/font]

[font=Times New Roman]Die Gruppenrekrutierung der beiden amerikanischen Arten war lÀnger bekannt. 1978 (publiziert 1979) hat U. Winter die Gruppenrekrutierung bei Myrmoxenus entdeckt. Innerhalb der Formicoxenini ist Gruppenrekrutierung ansonsten unbekannt.[/font]
[font=Times New Roman]Die Frage: Sind also Myrmoxenus und die amerikanischen Sklavenhalter nĂ€her miteinander verwandt? – Ich fuhr 1978 eigens deshalb zu Alloway nach Toronto um das zu untersuchen; außerdem interessierten mich die Beziehungen zwischen den amerikanischen Harpagoxenus (H. canadensis und – damals noch – H. americanus) und unserem H. sublaevis. Das Ergebnis war zunĂ€chst, dass H. americanus gar kein Harpagoxenus ist. Aber auch zu Myrmoxenus bestehen gravierende Unterschiede.[/font]

[font=Times New Roman]Weitere Forschung unter Einsatz molekularer Techniken ergab inzwischen, dass die Sklaverei innerhalb der Formicoxenini mindestens sechsmal unabhÀngig voneinander entstanden ist:[/font]
[font=Times New Roman]BEIBL, J., STUART, R.J., HEINZE, J.& FOITZIK, S. 2005: Six origins of slavery in formicoxenine ants. – Insectes Sociaux 52: 291-297.[/font]

[font=Times New Roman]ZusÀtzlich haben die Formicoxenini noch ein paar arbeiterinnenlose Inquilinen hervorgebracht, Leptothorac pacis, goesswaldi, kutteri in Europa, und Temnothorax minutissimus in Nordamerika, sowie die 7 Arten von Gastameisen (Gattung Formicoxenus).[/font]

[font=Times New Roman]Mit solchen Ameisen macht das Sammeln, Halten, ZĂŒchten und Forschen wirklich Spaß! Nur muss man sie selber sammeln und möglichst auch im Freiland studieren; gekauftes Material ungenau angegebener Herkunft wĂ€re dafĂŒr unbrauchbar. [/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]



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#12 AW: Wenn ein Sklavenhalter zum Rambo wird!

Beitrag von Alpha Chuby » 12. November 2010, 17:04

Gibt man "Ameisen in der Forschung" bei einem großen Downloadportal ein, so erhĂ€lt man einen (unvollstĂ€ndigen) Film, welcher genau das Thema behandelt.
Ein myrmecologisches Labor der spÀten 70er (entsprechende musikalische Untermalung) untersucht das Raubzugsverhalten der Protomognathus americanus.




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#13 AW: Wenn ein Sklavenhalter zum Rambo wird!

Beitrag von cvb » 20. November 2010, 14:58

[font="]Hallo Leute,

diese Forschung wurde in unserer AG durchgefĂŒhrt von einem befreundeten Doktorand (Sebastian). Ich versuche mal die Fragen zu beantworten, die hier so aufgetaucht sind. [/font][font="]Bin aber kein Experte auf dem Gebiet.[/font]
[font="]1) Haben diese Sozialparasiten chemische Anpassungen?[/font]
[font="]Die Protomognathus Arbeiterinnen haben sicherlich auch chemische Strategien entwickelt. Ich selbst habe einige RaubzĂŒge der Parasiten bei uns im Labor miterleben dĂŒrfen, toll!!! Sobald sie in ein Wirtsnest eindringen, rennen die Wirte aufgeschreckt herum und versuchen soviel Brut wie möglich davon zu schleppen. Ob dieses Fluchtverhalten nun von Propaganda-Substanzen (das wurde vermutet) oder allein der Wahrnehmung des Parasiten durch die Wirtsameisen gesteuert wird, ist meiner Kenntnis nach ungeklĂ€rt. [/font][font="]Alloway schrieb 1979: „The most likely method by means of which [P.] americanus workers could cause panic is by the secretion of a propaganda pheromone…” (Alloway 1979).[/font]

[font="]2) GrĂ¶ĂŸe[/font]
[font="]Die Parasiten sind in der Tat etwas grĂ¶ĂŸer als die Wirte, aber nur ein geĂŒbtes Auge lĂ€sst sie gleich erkennen. Ich war selbst 2 Wochen Wirte und Parasiten sammeln im Huyck Preserve im Staate New York. Per Auge erkennt man die Parasiten an ihrem viereckigen vergrĂ¶ĂŸerten Kopf. Am besten findet man sie allerdings (so etwas mĂŒsste in einem BestimmungsschlĂŒssel stehen), indem man die Ameisen aus der Eichel (ihrem Nest) in eine Schale schĂŒttelt. Die Parasiten P. americanus fallen dabei auf den RĂŒcken und versuchen verzweifelt, wie etwa ein KĂ€fer, wieder auf die Beine zu kommen. Dies haben sie wohl v.a. ihrem Mostkopf zu verdanken!! DafĂŒr können sie mit diesen großen, krĂ€ftigen Mandibeln wunderbar Gliedmaßen der Wirte abtrennen. Die Wirte haben diese Probleme nicht. [/font]

[font="]3) Sind Sozialparasiten immer verwandte Arten?[/font]
[font="]Nahezu alle Sozialparasiten bei Ameisen sind in der Tat verwandt zu ihren Wirtsarten (Emery’s rule). Zu Sozialparasiten gibt es ein review von Buschinger 2009 in den myrmekologischen Nachrichten. Prof. Maschwitz und Kollegen (darunter auch Herr Buschinger) beschrieben im Jahre 2000 einen interessanten Fall von Parasitismus zwischen zwei Vertretern unterschiedlicher Ameisenunterfamilien (Formicinae and Ponerinae). Witte et al 2009 zeigten, dass die Parasiten Polyrhachis lama in den Nestern des Diacamma Wirtes leben, ohne dass eine sichtliche Grenze zwischen den Arten bestand wie bsp. bei Parabiosen zw. Crematogaster und Camponotus. Die BrutfĂŒrsorge erfolgte allerdings jeweils nur von den Arbeiterinnen der eigenen Art und nicht durch die Arbeiterinnen des ausgenutzten Wirts (wie beim Kuckuck oder eben den Sozialparasitischen Ameisenarten). Sie argumentieren, dass es Ă€ußerst schwierig wĂ€re in dieser Interaktion, dass sich eine Ausnutzung des Brutpflegeverhalten entwickelt, da hier durch die phylogenetischen Unterschiede der LarvenernĂ€hrung (Ponerinenlarven fressen noch aktiv an FutterstĂŒcken und haben zumeist gut entwickelte Mundwerkzeuge, wĂ€hrend Formicinen trophobiotisch (durch HochwĂŒrgen von NahrungsflĂŒssigkeit der Arbeiterinnen) ernĂ€hrt werden). Dies kann bsp. ein Punkt sein, der es verwandten Arten erleichtert Sozialparasiten zu werden. Sie kategorisierten diese Art als sozialparasitischen Xenobiont. [/font]

[font="]Viele GrĂŒĂŸe [/font]
[font="]Christoph[/font]

[font="]Literature:[/font]
[font="]Alloway 1979 RAIDING BEHAVIOUR OF TWO SPECIES OF SLAVEMAIUNG ANTS, HARPAGOXENUS AMERICANUS (EMERY) AND LEPTOTHORAX DULOTICUS WESSON (HYMENOPTERA: FORMICIDAE). Animal Behavior, vol. 27, p. 202-210[/font]
[font="]Buschinger, A. 2009 Social parasitism among ants: a review (Hymenoptera:Formicidae) Myrmecological News, Volume 12, p. 219-235[/font]
[font="]Maschwitz et al 2000, Social parasitism involving ants of different subfamilies: Polyrhachis lama (Formicinae) an obligatory inquiline of Diacamma sp. (Ponerinae) in Java. Insect Sociaux, vol 47, p. 27-35[/font]
Witte, V., L. Lehmann, A. Lustig and U. Maschwitz, 2009. Polyrhachis lama, a Parasitic Ant with an Exceptional Mode of Social Integration. Insectes Sociaux

hier noch ein par Bilder vom Ameisensammeln und der Ameisen:
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Eicheln Eicheln Eicheln (Nester der Wirte), habe danach eine gewisse Antipathie entwickelt
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Nach dem Sammeln muss geknackt werden. Das Finden einer parasitierten Kolonie hat immer wieder fĂŒr Freude gesorgt.
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Eine geöffnete Eichel mit Wirtsameisen der Art Temnothorax longispinosus.



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