Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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#1 Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Gast » 2. Februar 2011, 18:13

Die Ãœberwinterung einheimischer Ameisen ist ja ein immer wieder aktuelles Thema.
Hier will ich mal zeigen, wie ich ein zu Versuchs- und Beobachtungszwecken gehaltenes Völkchen in meiner Garage überwintere.
Auf Ästhetik ist hier keinerlei Wert gelegt. Mein „Freiland- und Gemeinschaftsformikarium“ habe ich ja vor der Tür :).

Die Kolonie war von dem Pilz Aegeritella superficialis befallen, hat ab Januar 2010 zunächst hier überwintert, wurde ab Mitte April bis Mitte Oktober bei 22 – 24 °C in der Wohnung gehalten und gefüttert. Ich will hier keinen detaillierten HB liefern, davon gibt’s genügend.

In der Garage sind die Tiere nun seit Mitte Oktober, 3 ½ Monate, und machen einen „guten“ Eindruck. Die Temperatur wird mittels Frostwächter so eingestellt, dass bei 0 °C außen in der Garage noch knapp 5 °C herrschen. Bei starkem Frost (bisher bis minus 15 °C) sinkt die Temperatur auf minimal 3 °C; wenn gelegentlich die Sonne ins Garagenfenster scheint, werden für 2-3 Stunden ca. 14 °C erreicht (ein Minimum-Maximum-Thermometer hängt etwa in gleicher Höhe wie der Standort der Ameisen). Das „Formikar“ wird nicht von der Sonne erreicht.

Bild 1 zeigt das „Formikar“: Eine 20 x 20 x 10 cm große Kunststoffschachtel (für Kühlschrank). Der dünne Paraffinölbelag an den Innenrändern hält seit Monaten. In den Deckel ist ein Stück Drahtgaze eingeklebt, ein zweites in die Seitenwand knapp über dem Boden (so kann Kohlendioxid abfließen).

Bild 2: Der Deckel ist abgenommen. In dem ca. 10 x 8 cm kleinen Zigarillo-Kistchen mit Glasdeckel sind die Ameisen (das Kistchen hat mehrere Jahre für andere Zwecke gedient, ist also genügend „ausgestunken“). Zur Abdunkelung liegt ein Stück Karton auf dem Glasdeckel, darauf sind zwei Näpfe für Trinkwasser und Honigwasser. (Mehlkäferpuppen etc. werden in der warmen Jahreszeit neben das Nest gelegt). Ein wenig Sand (rechts unten) liegt da als Verpuppungshilfe. Oben rechts (weiß) ist die Befeuchtungsmaschine.

Bild 3: Heute, 02. Feb. 2010, bei 4 °C in der Garage sind die Ameisen eng gruppiert. Die Königin dürfte unter dem weißen Klebstreifen sitzen, der den Deckel auf der Zigarillokiste festhält. Eine Arbeiterin ist tot (rot angezeigt). Die typische, verkrümmte Haltung unterscheidet sich deutlich von der „normalen“ Haltung der lebenden Tiere. Einige sind durch das Hantieren (ich habe das Ganze für die Aufnahmen ins Freie getragen) schwach erregt und bewegen sich sehr langsam von der „Traube“ weg. (Eine winkt: „Schöne Grüße an Fabienne!“ :))

Bild 4: Die „Befeuchtungsmaschine“: Eine Käseschachtel, ca. halb voll Wasser gefüllt. In den Deckel ist rechts ein Schlitz geschnitten, ca. 4 cm lang und 1 mm breit. Durch diesen habe ich einen Streifen Küchenpapier gezogen, der unten ins Wasser hängt. Der Bereich außen, auf dem Deckel, ist ständig nass (die kleinen, grauen Schimmelflecken zeigen, dass ich das Papier demnächst mal austauschen sollte). Die Luftfeuchtigkeit in dem Formikar wird damit zuverlässig hoch genug gehalten, über Monate! (Ich will keine Reklame machen für ein bestimmtes Produkt; jede Plastikverpackung passender Größe ist bestimmt gleich gut geeignet).
In der warmen Jahreszeit zerstückeln die Ameisen den äußeren Teil des Papiers. Da muss man dann Verbandmull oder ein anderes Stoffteil verwenden, das gut Wasser leitet.

Die ganze Anlage ist zwar spartanisch, aber zweckmäßig und doch etwas billiger als das käufliche "Ameisenzubehör".:)

MfG,
Merkur

Bilder:
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Boro
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#2 AW: Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Boro » 3. Februar 2011, 11:32

Hallo Merkur!
Ãœber die Ãœberwinterung v. C. herculeanus und C. ligniperdus wird im Forum immer wieder diskutiert und im Ameisenwiki gibt es eine fundierte Stellungnahme.
Vor einigen Jahren habe ich über die seltsame Überwinterungspraxis eines Jungvolkes v. C. ligniperdus berichtet (den Bericht finde ich derzeit nicht, er ist irgendwo integriert); ich will die Situation noch einmal kurz schildern:
Fundort eines jungen Nestes v. C. ligniperdus mit Minorarbeiterinnen im Umland v. Klagenfurt, Höhenlage ca. 600m, ein Untersteinnest am Waldrand. Gute Besonnung.
Dreimalige Kontrolle innerhalb von etwa 10Tagen im Jänner. Nachttemperaturen etwa -6/-7°, Tagestemperaturen ca. +5°, der Stein war jeweils besonnt, fühlte sich aber keineswegs "warm" an.
Bei allen Kontrollen (jeweils am Nachmittag) befanden sich Arbeiterinnen (2x auch die Königin) unter dem Stein, wo man am Rande der Kammer noch Spuren von Reif erkennen konnte. Bei jeder Öffnung versuchten die Tierchen - recht steif wegen der Kälte- in einem Loch zu verschwinden, was ihnen auch gelang.
Für eine endogen bestimmte Winterruhe fand ich diese Form d. Überwinterung doch etwas eigenartig. Offenbar wurden die Ameisen durch die eher minimale Erwärmung des Steins aus einer tiefer gelegenen Brutkammer an die Oberfläche gelockt. Von einer echten "Winterruhe" war zumindest während dieser milden Witterungsphase also keine Rede.
L.G.Boro



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#3 AW: Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von guzzi2571 » 3. Februar 2011, 14:26

Servus,

unabhängig von der Art und dem Überwinterungsthema finde ich das von Dir in letzter Zeit immer öfters angesprochene CO² Thema interessant, hilfreich und vorallem Berücksichtigungswert! Ich habe mir da bisher leider keine Gedanken gemacht (komisch da bei meinen Labyrinthatmern im AQ war das nat. ein Thema auf das ich Augenmerk gelegt habe...) und ich hatte bisher auch keine Probleme damit glücklicherweise. Jedenfalls etwas was ich in Zukunft im Auge behalten werde!
Meine F.rufibarbis und meine Gründerkolo L.niger bekommen heuer auch eine ähnlich spartanische Arena- genau wie Du hatte ich einen kleinen Sandhaufen zur Puppenentwicklung geplant.

Danke für den Bericht!

lg
Alexander


Hier könnte jetzt ein gescheiter Spruch stehen, aber davon werden meine Beiträge auch nicht besser.

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Raimund
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#4 AW: Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Raimund » 3. Februar 2011, 15:17

Merkur hat geschrieben: [font=Times New Roman]Die ganze Anlage ist zwar spartanisch, aber zweckmäßig und doch etwas billiger als das käufliche "Ameisenzubehör".:)[/font]


Hallo Merkur,

auch wenn ich momentan nichts zum wirklichen Thema beitragen kann, weil mir etwas die Zeit fehlt, so möchte ich anmerken, dass ich diese Bilder von Ihnen fantastisch finde: Sie zeigen, mit welch einfachen Mitteln (quasi ohne Unkosten) es möglich ist Ameisen zu halten! Da die Ameisen bei Ihnen in durchaus renommierten Händen sind, darf man davon ausgehen, dass es diesen "trotzdem" auch gut geht, wohingegen dies bei so manch anderer Person wohl eher müde belächelt worden wäre. Das kann dem ein oder anderem Anfänger durchaus etwas Taschengeld sparen! ;)

Schöne Grüße
Raimund


[font=Tahoma][font=Verdana]Haltungsbericht zu: Pheidole pieli Youtube-Channel[/font][/font]
[font=Times New Roman]
[/font][font=Times New Roman]Take the time, to learn to breathe,
‘Cause some day we’re goin’ under,
When did we, all fall asleep?
Won’t someone wake us?[/font]

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#5 AW: Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von chris1994 » 3. Februar 2011, 15:29

Hallo Merkur


Das bringt so manches Weltbild in Schieflage :spin2:

Bis jetzt war ich der Ansicht, den Tieren sollte eine so natürlich wie mögliche Umgebung geboten werden aber jetzt wo ich das aus einer so renommierten Quelle erfahre werde ich wohl doch noch mal über meine Haltungsbedingunen nachdenken.

Noch eine Frage zur Temperatur: Meine Camponotus ligniperdus überwintern bei uns auf dem Dachboden. Dort wird es, je nach Aussentemperatur, doch bis zu null Grad kalt. Bis jetzt habe ich oft gelesen, dass ca. 5°C das Optimum währe. Können so kalte Temperaturen den Ameisen schaden?

MFG Christian



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#6 AW: Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Gast » 3. Februar 2011, 17:28

Hallo chris1994,
Null Grad schaden den Camponotus ganz bestimmt nicht! Eher ist auf einem Dachboden (ich denke an meinen eigenen) häufiger mit zu hohen Temperaturen zu rechnen, wenn die Sonne auf eine der Dachflächen scheint. Da sollte man sie am besten tatsächlich in einer Styroporkiste lagern (mit kleinem Loch unten, zur CO2-Abfuhr), nicht gegen zu große Kälte, sondern gegen zu hohe Temperaturen. Für die 3-4 Stunden, die es da im Winter mal zu warm wird, reicht diese Isolierung. Wenn es mal 3-4 Tage dauerhaft kalt ist, auch tagsüber unter Null, dringt die Kälte durch jede Isolierung hindurch. Aber wie gesagt: Das macht den Tieren nichts.

@Raimund: Ich brauche ja "kooperative" Ameisen, die mir meine Fragestellungen auch beantworten statt den Geist aufzugeben :). Wichtig ist dafür, dass die Grundbedingungen zum Leben gegeben sind.

Den Ameisen ist die Ästhetik des Formikariums so ziemlich egal. Der Hobby-Halter kann, darf, ja sollte sich sein Ameisen-Terrarium durchaus nach seinem Geschmack und Schönheitsempfinden gestalten. Das muss aber nachrangig sein. Vorrang haben die geeigneten Lebensbedingungen für die Ameisen: Artabhängig passende Nistgelegenheit, passende Feuchtigkeits- und Temperaturbedingungen, Futter und Wasser. Wenn das gegeben ist, ist darüber hinaus so ziemlich alles erlaubt!

MfG,
Merkur



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chris1994
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#7 AW: Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von chris1994 » 3. Februar 2011, 18:33

Hallo Merkur

Ich habe auf dem Dachboden auch ein Termometer hängen und bis jetzt wurde es nie kälter als 0°C und nicht wärmer als 6°C.

Wo wir gerade beim Thema sind wollte ich noch etwas übers Futter fragen. Bis jetzt habe ich versucht den Ameisen Abwechslung mit Futter zu bieten also auch mal ein Stück Frucht zum knabbern oder eine Blume um etwas daran herumzusaugen. Ist das den Ameisen auch egal und nur ein Tick des Halters oder bringt ihnen das wirklich was??

MFG Christian



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#8 AW: Ãœberwinterung von Camponotus ligniperdus

Beitrag von Boro » 4. Februar 2011, 10:46

Abwechslung bei der Fütterung ist auf jeden Fall in Ordnung! Wer bekommt schon gerne wochenlang den selben Einheitsbrei?
Mit Säften (z. B. Ahornsirup, Fruchtsäfte, Cola etc.), verschiedenen Fruchtstücken im Sommer (Zwetschken usw.) kann man experimentieren, verschiedene frisch-tote Insekten u. dgl. Man merkt dann rasch, welche Art auf welche Produkte anspricht u. welche Gaben ignoriert werden.
L.G.Boro



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