[font=Book Antiqua]
A[/font]lso,
christian, und
ameisenstephan,
Octicto, Interessierte, entschuldigt nochmal das Wartenlassen. Dafür habt ihr hier einen kleinen spontanen Essay - wer gelangweilt wird, hat zu weit gelesen, aber mir fiel folgendes ein:
Kurzfassung: Kunst, die Wissenschaften und die Kultur sind herausragende Belege für die menschliche kollektive Intelligenz.
Zur Begriffsklärung:
Der Begriff
Kollektiv (lat:
colligere „zusammensuchen“, „zusammenlesen“) beschreibt unspezifisch
soziale Gebilde, deren Beteiligte nach sehr verschiedenen Gesichtspunkten zusammengefasst werden – es kann ein
Volk, eine
Klasse, eine
Belegschaft u. v. m. sein.
Ein System (von griechisch σύστημα, altgriechische Aussprache sýstema, heute sÃstima, „das Gebilde, Zusammengestellte, Verbundene“; Plural Systeme) ist eine Gesamtheit von Elementen, die so aufeinander bezogen sind und in einer Weise wechselwirken, dass sie als eine aufgaben-, sinn- oder zweckgebundene Einheit angesehen werden können und sich in dieser Hinsicht gegenüber der sie umgebenden Umwelt abgrenzen.Systeme
organisieren und erhalten sich durch Strukturen.
Struktur bezeichnet das Muster (Form) der Systemelemente und ihrer Beziehungsgeflechte, durch die ein System entsteht, funktioniert und sich erhält. Eine
strukturlose Zusammenstellung mehrerer Elemente wird hingegen als
Aggregat bezeichnet.
[font=Book Antiqua]W[/font]ir müssen uns bei dieser Diskussion sicherlich von den Borg

freimachen - „Widerstand ist zwecklos! Ihr werdet assimiliert!“ - oder von den Assoziationen mit den Sowjetkolchosen und Kollektiven.
Ein Kollektiv ist nicht von vorne herein durch die Gleichheit definiert, sondern in der Regel fakultativ bestimmt.
Ein Ameisennest ist u.a. deswegen ein Kollektiv, weil alle zusammen dem Ziel, der Fortpflanzung der Kolonie, dienen.
Menschen können sehr wohl i.d.S. als Kollektiv
und Ansammlung von Kollektiven begriffen werden.
Ihre kollektive Intelligenz macht sich in einer gebildeten Welt deutlich, die zeitlich weit über das Leben eines einzigen Individuums hinausgeht.
Du liest Buchstaben, die Menschen vor langer Zeit entwickelt haben, Du sprichst eine Sprache, die aus der kollektiven Intelligenz hervorgegangen ist und diese prägt.
Douglas Hofstaedter, meine ich, prägte (nicht „erfand“) den Begriff der „Meme“, Ideen, die sich fortpflanzen, Gedanken mit denen man sich infizieren kann – man könnte meinen auch diese werden von einer Art kollektiver Intelligenz geprägt.
Und, wo Dir das Leid der Gedrungenen und Gezwungenen so am Herzen liegt und im Herzen des Mittelalters scheint, so ist das doch eher eine Frage der Gerechtigkeit. Diese Frage ist im Mittelalter schlicht anders beantwortet worden, als heute.
Was aber gleich geblieben ist: „Kasten“ helfen etwas auf die Kette zu bekommen. Die Kathedrale/der Kathedralenbau ist nicht zuletzt auch Keimzelle der erstarkenden Zünfte. Kathedralen waren für viele die hehr-heiligste Art und Weise Gott zu preisen und brachten sie ein Stückchen dem Neuen Jerusalem näher, dem neuen Reich Gottes auf Erden.
Natürlich hätten sich viele Bauern lieber um ihre Acker gekümmert, als in den Steinbruch zu gehen – und viele mögen keine Wahl gehabt haben. Sie alle, ob freiwillig oder nicht, ob abhängig (viele) oder unabhängiger (weiniger), sie alle haben ihrer
Kaste entsprechend an dem Gesamtbau mitgewirkt. Architekt/Dombaumeister/Steinmetze/Glaser, Kaiser, Erzbischof, Bischöfe und Pfarrer, Dekane... ach was, siehst Du nicht, dass hinter dem Erfolg (!) des Mittelalters u.a. eben jene ameisenähnliche Verkastung der Gesellschaft steckt?
Und dass jeder Bauer eine Familie, Sippe, Verwandtschaft, Freunde, Leidenschaften hatte, für die er sich die Hände blutig arbeitete?
Und, dass er (an) das ganze System glaubte? Und nicht in Frage stellte?
So wenig, wie der Taliban die 72 Jungmädels, für die er sich in die Dreidimensionalität sprengt. Genauso tut er das, was er tut für Familie und Ideologie: Er glaubt das richtige zu tun.
Wir mögen das heute und hier mit einigem Recht für Wahnsinn halten, und verlangen, dass sie's endlich raffen, aber das doch auch nur, weil unsere kollektive Intelligenz solche Irrwege zur Zeit i.d.R. vermeidet.
Wir erziehen unsere Kinder zu einem gemeinsamen Zusammenleben: das ist bei Ameisen gar nicht so unähnlich und bei beiden ein Zeichen von kollektiver Intelligenz.
Es gibt, was den Städtebau angeht bestimmt anthropologische Konstanten, bei vielen Variablen. Aber schau Dir mal mit Google Earth die Städte dieser Welt von oben an - es soll nicht unsere kollektive Intelligenz sein, die ihre Muster genauso prägt, wie die der Ameisen ihre Nester?
Jetzt sprichst Du von Teams: Die Familie ist sicher das Kernteam, aber immer schon stark verbunden mit der großelterlichen Generation. Und diese untereinander hielten Kontakt. In vielen "primitiven" Kulturen ist die Populationsdichte unvorstellbar gering. Trotzdem treffen sie sich regelmäßig zu Sippen-/Totemtreffen, singen gemeinsame Lieder, tratschen und erzählen Geschichte und Geschichten.
Menschliche Kathedralenbauten sind vor allem ihre Gedanken und Träume, ihre Geschichte und Geschichten: das ist unsere Form der kollektiven Intelligenz: Pans narratans.
Anders: Alles, was wir erleben ist eine Geschichte und können wir nicht anders als als Geschichte erzählen.
Wissenschaftler werden versucht sein, dies zu verneinen, aber von diesem Standpunkt ist die ihre Geschichte nur in einer andere Sprache verfasst.
Und jetzt erzähle mir nicht, dass zu irgendwelchen menschenerdenklichen Zeiten der Mensch diese Gabe Geschichten zu erzählen nicht hatte und nicht bemüht war, diese auszudrücken und weiterzugeben!
Ameisen und Menschen sind nicht gleich, aber in mancher Hinsicht analog.
Bei Ameisen gibt es, zur Zeit m.W. noch nicht ursächlich erklärlich, Neigungen. So haben bei einer Neststörung beileibe nicht alle die Neigung nach einem neuen Platz zu suchen, sondern wollen erst mal aufräumen, oder die
Larven in Sicherheit bringen u.v.m.. Das Nestsuchverhalten ist sicherlich verschieden auch nach Spezies, v.a. auch abhängig von der Koloniegröße. Der von postulierte Fall trat da auf, wo verschiedene Kundschafterinnen mit unterschiedlichen "Nestplatzvorschlägen" zurück in's Nest kamen. Ob
Oecophylla oder
Formica kann ich nicht sagen und habe gerade wenig Muße überhaupt zu schreiben, geschweige denn alles zu belegen.
Allerdings entschuldige ich mich hiermit für die fehlende Relativierung der Angabe und Verkürzung des Sachverhalts.
Ich gebe Dir voll uns ganz recht, dass kleine Gruppen Homo sapiens schon eine kollektive Intelligenz zeigen und mehr schaffen, als die Summe ihrer Individuen hergäbe.
Wo Du den Widerspruch zu der, andersgearteten, kollektiven Intelligenz des Menschen in seinen Ideen siehst, erschließt sich mir nicht.
Ford war es doch, der das Fließbandprinzip erfand? Kleinste Teams, an einer Aufgabe beschäftigt entwickeln Excellenz - wenn dazu noch Abwechslung kommt, dann wird daraus auch keine Langeweile - und können deutlich schneller mit anderen kleinen Teams ein Auto zusammenbauen, als wenn sie das ganze Auto bauten.
Dieses Prinzip - wohl die praktische Umsetzung im Maschinenbau - ist nur nicht von Ford entwickelt worden, schon Echnaton schuf etwas sehr ähnliches bei der Erschaffung "seiner Stadt" Achetaton.
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M[/font]einer sehr tief empfundenen Meinung nach sind Störungen wahrlich nicht primär ein Merkmal oder Ausdruck großer Gruppen (Scheidungen/Gewalt/Verwahrlosung/Krankheit/Arbeit/Mobbing/Leistungsdruck sind genug um ein Leben in der Familie zu stören...).
Die Aggressivität ist dem Menschen eigen und er hat Mühe sie im zivilisierten Zaum zu halten.
Und natürlich ist ein Mensch alleine lebensfähig!
Wieviele Yogis und Asketen müssen denn noch in den Wald, solange es den so noch gibt, oder die Wüste rennen? Was Du brauchst ist Nahrung, Sicherheit und Abwechslung: Die ist in der Gesellschaft billiger zu bekommen, aber das heißt nicht, dass der Mensch prinzipiell das nicht überlebt - auch die Fortpflanzung bleibt dem Einzelnen versperrt. Aber eben nicht der Ausdruck. Wir können via Malerei und Texten virtuell zu jedem Zeitpunkt in einen Dialog mit anderen treten, ohne, dass sie präsent sind. Lange vor dem Internet.
Nein, nicht dass Du mich falsch verstehst, die Lebenserwartung ist deutlich geringer, als einsamer Mensch, aber wir können, bei psychisch gesunder Grundkonstitution, schon recht alt werden. Zu viel Stress darf aber nicht in Angst umschlagen, dann kippen auch die Gesunden bald. Da ist dann der Paranoiker im Vorteil, er kennt das ja.
[font=Book Antiqua]K[/font]leine und große Gruppen Menschen können sehr wohl selbstbestimmt kollektiv zusammen arbeiten, wenn man sie lässt und jeder für die Regeln einsteht, die das ganze möglich machen.
So verstehe ich unseren groß angelegten und lange nicht beendeten Kampf um eine bessere, gerechtere, und in sich kongruentere Demokratie!
Wir müssen uns eben auch dem Diktat beugen, dass alles fließt.
Unser Fluß der Ideen, der Kathedralen möglich macht, Demokratie, das Internet, dass sind Ausdrücke unserer kollektiven Intelligenz.
Nicht die blosse Gleichsetzung unserer Bauwerke und die Art sie gleich zu stellen.
Wir haben es z.B. in dreitausend Jahren geschafft von Holzhütten zu Steinhäusern für die Massen in Europa zu kommen – erscheint billig, ist aber auch Ausdruck unserer Idee von Gerechtigkeit. Die allermeisten können satt werden, in Europa, und die allermeisten können von ihren Gerichten mehr Gerechtigkeit erwarten, als vor 100 Jahren. Das ist unser Ausdruck von kollektiver Intelligenz.
Ameisen bauen noch so, wie vor Millionen von Jahren, weil sie nicht mehr brauchen.
Menschen sind v.a. die Gierigen Affen.
Und kein Mensch würde ernsthaft ebenso eine kollektive Ignoranz bestreiten, oder?
[font=Book Antiqua]D[/font]ie Ameisen sind schon ganz okay, aber was kollektive Intelligenz, über Zeit und Raum hinweg, angeht, da sind wir ziemlich groß.
Und schon unser Forum ist Ausdruck eines Ganzen, dass nicht durch die Summe seiner Einzelteile erklärbar ist, und jedem eine Ameisenhaltung ermöglicht, die besser sein kann, als wenn man sie alleine stemmte.
Wir haben Ideen - unerklärliche Funken Intelligenz in unserem Gehirn - und können sie miteinander teilen! Wenn das mal nicht kollektiv intelligent ist!
Erst recht, wenn diese Ideen zu Taten anregen.
Sorry für die Länge. Bewertet mich halt, gebt mir Tiernamen, aber hier konnte ich nicht anders als unfertig vorlegen... das eigene Lernen geht immer weiter... auch das kollektive...
LG, Ossein.