Gynenmord oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

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KayRay
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#1 Gynenmord oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von KayRay » 29. Mai 2011, 23:35

Hey Leute ich muss mir mal grade die Wut von der Seele schreiben.

Da war ich heute mit einem Kumpel am telefonieren als dieser mir erzählt es sitze eine große Ameise an seinem Fenster. Nach der Beschreibung war klar es muss eine Gyne sein. Sie war wohl kurz davor die Flügel abzuwerfen.
Ich habe natürlich um nähere Details gebeten und ich vermute es handelte sich um eine Camponotus oder Formica. Schwärmzeit und Habitat sowie Angaben zu Habitut Größe usw. passten zumindest. Da ich seid Jahren auf der Suche nach Camponotus erfolglos geblieben bin habe ich ihn gebeten das Tier einzusammeln und für mich zu verwaren.
Ich hatte die Bitte quasi grade ausformuliert da kommt sinngemäß sowas wie: Tja neee muss nich sein ich bin das Vieh grad am zermatschen.
ÄÄÄÄÄHM?! Bitte wie? "Ja das Vieh is jetz tot such dir selber eine"

Ich war eigentlich nur sprachlos.
Wie geht ihr mit dem Unverständniss euer Mitmenschen um? Grade was das Interesse an Wirbellosen betrifft stoße ich oft auf Unverständniss und Abneidung. Oder hab nur ich mit sowas zu kämpfen? Er konnte einfach nicht verstehen, dass mir dieses kleine "Ungeziefer" so wertvoll erschien.
Dass so viele Menschen immer alles als absonderlich, wertlos oder bösartig ect. bewerten müssen was sie nicht verstehn ist doch traurig.
Ich persöhnlich kann mit Fussball nichts anfangen aber deswegen renn ich nicht rum und klau anderen Leuten die Bälle oder beschwer mich wenn die Nachbarn beim Spiel alle am grölen sind.
Wo bleibt in unserer Gesellschaft die Toleranz? Gepredigt wird sie überall, gelebt nur wenns grad mal passt.
Vlt. reagier ich ja auch nur über...
Vlt. muss ich mich dem "survival of the fittest"-Spielchen ja einfach nur anpassen und mitmachen, anstatt zu hoffen, dass die Menschen anfangen Rücksicht zu nehmen und sich gegenseitig fair zu behandeln. Aber ich schweife auch wieder viel zu sehr ab.

Lg


Mitdenken tut nicht weh.
Und hilft dem Mensch seid eh und je.
:)

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#2 AW: Gynenmord.. oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von Icon » 30. Mai 2011, 01:31

Hi KayRay,

Solche oder ähnliche Erfahrungen wird wohl jeder Interessierte eines speziellen Gebietes über kurz oder lang machen.
So kenne ich zum Beispiel einen Greenpeace-Aktivist der zwar Walfängerboote mit Buttersäure bewerfen kann, aber letztendlich doch zusehen muss wo die Harpunen landen.
Ich selbst erlebe so einen Fall wie du ihn beschreibst sehr häufig, leider. Gerade beim Erlebnis eines Camponotus-Schwarmflugs fällt es nicht schwer auf Leute zu treffen, die sich extra die Mühe machen vom Gartentisch aufzustehen , um diese landenden "Monster" auszuschalten.
Unbestreitbar, es liegt im Auge des Beatrachters, und an dessen Hintergründen wie man über Begebenheiten urteilt.
Selbstverständlich schmerzt es einem Ameisenhalter bzw. Ameiseninteressierten bei einer solchen Erfahrung, aber wie Mitglieder unserer Gesellschaft über "uns untergeordnete" Lebewesen urteilen schockiert uns meist erst dann so heftig, wenn es uns ganz besonders an diesem Lebewesen liegt.
So wird der Imker durchdrehen wenn der Bauer die Flamme in ein Wildbienennest hebt, der Schäfer wenn er einen Wolf sieht und so weiter.
So finden wir solche Angewohnheiten auch bei uns selbst, wenn wir die Fliege zwischen Muckenklatsche und Scheibe zertrümmern, ohne darüber nachzudenken. Wem liegt schon etwas an diesem Ungeziefer?
Hier muss jeder selbst die Toleranz finden, die er verantworten und leben kann, wobei das Handlungen im negativen Sinne keinesfalls legitimiert.
Es ist sehr spannend Fälle wie du sie beschreibst, bzw. jeder von uns im Alltag erlebt ethisch zu überdenken, sie aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.
Ob du dich nun an die gewonnenen Eindrücke des "survival of the fittest" anpasst oder nicht bleibt dir selbst überlassen. Allerdings sollte man immer hinter einer solchen Handlung zuerst den Mensch betrachten, und ihn nicht sofort abstempeln. Denn wenn man weiß der macht das weil es seine "natürlichen" Begebenheiten (determinierende Umstände wie z.B. Erziehung, gesellschaftliche Prägung) das so wollen, dann fällt es einem auch leichter so etwas hinzunehmen, sei es der leichtfertige Tod einer Ameise oder eines anderen Lebewesens.
Es ist ein Ideal unserer Gesellschaft Rücksicht aufeinander zu nehmen, und sich gegenseitig fair zu behandeln. Doch immer öfter kommen wir durch die Ideale des Mammon von unserer ursprünglichen Beziehung zur Natur mit der wir eigentlich zusammenleben sollten ab. So verändert sich die Beziehung zur Umwelt von Generation zu Generation. Und meistens hat ein Individuum das zu tausenden im Garten hockt, lange Straßen anlegt und in Häusern als Schädling auftritt in diesem Denken keinen Platz.
Das ist leider so, stoppen kann man das nicht aber ein klein wenig ändern, jedenfalls mit viel Geduld im Bekanntenkreis.

Grüße vom philosophierenden
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Ossein
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#3 AW: Gynenmord.. oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von Ossein » 30. Mai 2011, 08:51

Die Unterschiede der Menschen in der Beurteilung von Lebewesen,

KayRay,

sind enorm.

Völlig selbstverständlich können hingebungsvolle Katzenliebhaber mit ansehen, dass ihre Schätzchen Spitzmäuse mit nach Hause bringen, oder Singvögel.
Es wird nach wie vor als Sport angesehen, wenn in England Jäger (inzwischen verbotenerweise) mit ihren Jagdhunden Füchse jagen.
Und ich denke, dass viele leidenschaftliche Angler zuhause große Aquarien stehen haben.

Wir unterscheiden zwischen Ameisen und den Mehlkäfern/-würmern/Grillen/Futtertieren, die wir bereitwillig töten, oder dem Tod anheimstellen, um unsere Ameisen zu füttern.

Das alles ist allzu menschlich und nicht weiter verwunderlich, auf gar keinen Fall aber ist irgendein Mensch davor gefeit, dahingehend höchst subjektive Grenzen zu haben.

Ich persönlich kann es grundsätzlich nicht akzeptieren, wenn ein Tier unnötig und mutwillig leiden muss. Aber das sind keine objektiven Kriterien.

Im Ãœbrigen, KayRay, spielt Dein Freund nicht das "survival of the fittest"-Spielchen, sondern das "Ignoranz ist cool"-Spiel.
Ich wünschte mir, es würden sich einfach weniger Menschen mit Stolz diesem Spiel widmen.

Es ist auch schon bei argem Bemühen schwer, angemessen mit Wissen umzugehen - da brauchen wir nicht noch offensiv gelebte Ignoranz.

LG, Ossein.



Gilthanaz
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#4 AW: Gynenmord oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von Gilthanaz » 30. Mai 2011, 10:01

Ahoi!

Ich finde es teilweise krankhaft, wie mit Tieren umgegangen wird. Ich gehöre nicht zur Baumkuschlervegetarierfraktion, aber Tiere verdienen auch ein Leben, das nicht nur aus Qual besteht, auch wenn sie dann als Schnitzel enden.

Die Hemmschwelle ist gerade bei Insekten natürlich sehr niedrig. Meistens bekommt man von Eltern ja vermittelt, dass die lästigen Fliegevicher alle erschlagen gehören (Bei Gelsen stimme ich zu! Schnacken werden verschont).

Auch ist es - für mich, ganz subjektiv - ein Unterschied ob Ameisen draußen schwärmen, oder mal wieder meinen Wintergarten erkoren haben, und zwar im Innenraum. Lasius brunneus ist hier ein richtiger Schädling, da greife ich auch mal zur groben Kelle.

Außerdem wollte ich kurz noch auf einige Deiner Aussagen eingehen, liebe Ossein :)

Ich habe Hauskatzen, die bringen natürlich keine Singvögel. Aber wie es auf dem Land nunmal ist, öfter mal Mäuse, die sich ins Haus gewagt haben. Und wenn die kleinen Schädlinge mir noch so auf die Nerven gehen, werden sie trotzdem jedes mal aus dem Maul unserer Mietzen gerettet und nach draußen befördert. Die meisten überleben einen Besuch ;) Also, auch als Katzenhalter kann man viel Sympathie für die potentiellen Beutetiere aufbringen.

Im alten Agypten war das öffnen von Leichen verboten. Was tat man also, um sich der moralischen Schuld und dem Verbrechen gegen die Götter zu entziehen? Man holte einen Sklaven, versprach ihm die Freiheit wenn er diese Schuld auf sich nimmt, und jener tat den ersten Schnitt. Einmal entweiht, war der Körper für die medizinische Forschung zulässig, der Sklave war frei (und wurde aus der Stadt gejagt - aber immerhin lebendig und frei). So halte ich es auch bei meinen Futtertieren: Meistens bereits abgepackt und tiefgekühlt, so entgehe ich dem moralischen Dilemma, das ich ungern absichtlich etwas töte (unabsichtlich lässt sich sowieso nicht vermeiden).

Wie Du, Ossein, ganz richtig bemerkt hast: Diese Grenzen sind streng subjektiv. Der Bauer versteht nicht, was unsereins für ein Problem mit dem erwürgen von Kälbern oder ertränken ganzer Katzenwürfe hat, während ich wiederum dafür kein Verständnis aufbringen kann. Mitunter spielt in anderen Ländern auch Armut eine Rolle - geschlachtet und gegessen wird, was essbar ist, ohne Rücksicht auf Verluste. Menschen, die um das tägliche Überleben kämpfen müssen, haben keine Zeit für Bedenken.

Das "Ignoranz ist cool"-Spiel finde ich - schlicht und ergreifend - zum kotzen. Solche "Freunde" kommen bei mir schon auf die Überwachungsliste, und zeigen sich noch mehr grobe psychische Defizite, war es das mit der Freundschaft (Wobei man hier jetzt einen Aufsatz über lange gepflegte Freundschaften, verschiedene Entwicklung und durch die Vorgeschichte situierte höhere Toleranzschwelle der einzelnen Individuen zueinander schreiben könnte).

Gerade war ich im Hof, Rauchpause streng einhalten - und mir krabbelte eine entflügelte Libelle entgegen. Ein sehr großes Tier, sicher 5 - 6 cm lang. Der Schaden sah ebenfalls nicht natürlich aus, und mir stellt sich die Frage, was wohl daran Spaß macht, einem Tier die Flügel zu brechen....

lg,
- G



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Corsair
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#5 AW: Gynenmord oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von Corsair » 30. Mai 2011, 18:04

Da kann ich auch ein Beispiel liefern:


Eine Verkäuferin in unserer Firma - "Boah, da hab ich doch letztens voll eine Riesenameise gesehen - so groß *zeigt mit dem Finger eine Spanne von ca. 20mm*.

Ich zu ihr: "Klingt nach einer wertvollen Königin - kannst du sie mir bitte einmal zeigen".

Sie: "Ne, die hab ich gleich totgeschlagen - muss hier noch irgendwo am Boden liegen..."


Und: Es handelte sich zum Glück nur um eine ca. 5-6mm große Formica Arbeiterin vermutlich F. cunicularia.

Also die Reaktion gleich erschlagen - ist wohl bei vielen Menschen normal.
Aber auch das totale übertreiben der Größe ist auch normal.

Muss also nicht sein, dass er wirklich eine Camponotus Gyne gesehen hat. Sogar eher gering die Wahrscheinlichkeit.

LG Corsair


"Gesegnet sei der Ameisenverstand, der zu klein für Zweifel ist."

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Ameisenstephan
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#6 AW: Gynenmord oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von Ameisenstephan » 30. Mai 2011, 18:19

Ich könnte jedesmal ausrasten wenn jemand absichtlich auf ne Spinne tritt, weil sie "ekelhaft" ist. Noch schlimmer finde ich es wenn ich in der Zeitung lese, dass in der Nähe Frösche an einen Baum genagelt wurden oder sowas. Unbegreiflich!


Mfg, Stephan

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#7 AW: Gynenmord oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von Icon » 30. Mai 2011, 22:09

Hallo Corsair,

Interessante Geschichte, aber es klingt so als würdest du das Leben mit dem höheren Gegenwert über das eines anderen mit geringerer "Bedeutung" stellen.
Was macht eine Königin in deinen Augen wertvoll? Ist es die Fähigkeit eine Kolonie zu gründen, oder der Gegenwert der sich im Mammon wiederspiegelt?
Ich finde es genauso schade, dass die Kollegin auf die Arbeiterin eindrosch, aber auch das ist sicherlich Ansichtssache, vor allem in unserer Gesellschaft.

Gruß
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KayRay
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#8 AW: Gynenmord oder die unsinnige Reaktion anderer Menschen auf Ameisen

Beitrag von KayRay » 31. Mai 2011, 00:43

Schade ist das auch alle male aber der Unterschied liegt in der Intensität der Auswirkung auf den Bestand. Die Arbeiterin ist ohne weiteres zu verkraften. Eine Gyne kann, "in weiß der Geier wie vielen Jahren", eine ganze Population bedeuten. Genauso ist die Gyne einer eher seltenen Art schwerer für die Population zu verkraften. Eine einzige tote Gyne löscht keine Art aus aber sie kann ihren Bestand stärken. Die Chance, dass diese Gyne eine Kolonie gründet und weitere hervorbringt mag gering sein aber muss diese eh schon niedrige Wahrscheinlichkeit noch unsinniger Weise mehr gemindert werden? Das lässt sich auf andere Tiere übertragen. Als Beispiel: Ich behaupte mal niemand von uns "Insekteninteressierten" würde gerne zusehen wenn vor seinen Augen eine Wespe erschlagen würde, direkt eingreifen würden vermutlich trotzdem die wenigsten. Wenn es sich bei dieser Wespe allerdings auch noch um eine Hornissenkönigin handelt wäre die Anzahl an Personen die sofort eingreifen vermutlich um einiges höher.
Was ich damit sagen will... Jedes Leben ist individuell an und für sich wertvoll aber für andere Wesen ist dieser Wert höchst subjektiv und variabel.
Trotzdem ist es schade, dass die Menschheit nicht in der Lage ist ihre "Intelligenz" in vollem Umfang zu nutzen, die Welt für alle zu einem besseren Ort zu machen. Nachvollziehbar ist es nunmal aber genauso sehr.


Mitdenken tut nicht weh.
Und hilft dem Mensch seid eh und je.
:)

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