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Ameisen in Tschernobyl

Nachrichten aus den Medien und der Wissenschaft.
hypnotized
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#1 Ameisen in Tschernobyl

Beitrag von hypnotized » 5. August 2011, 18:02

Guten Tag,

vor einigen Wochen war Ich mit einer Gruppe Physik Studenten in der Sperrzone von Tschernobyl unterwegs.

Zwar durften wir manche Orte betreten, die eigentlich streng verboten sind ("Roter Wald"), jedoch hatte ich selten die Zeit, Ameisen wirklich lange zu beobachten.

Was mir jedoch auffiel war, dass ich keine einzige Knotenameise sah.

Dies hat mich stutzig gemacht.
Da der Umweltfaktor "Radioaktivität" in dieser Region einen sehr hohen Druck auf das Leben ausüben kann, wirft sich bei mir die Frage auf, ob ich hier einen Prozess, das aussterben einer Gattung, die nicht auf Radioaktivität angepasst ist, beobachtet habe.

Bei mir warfen sich mehrere Fragen auf.
-Sind Knotenameisen weniger resistent gegenüber Radioaktivität?
-Warum gedeien Schuppenameisen in dieser Region -der kurzen Beobachtung nach- sehr gut? Es wurden optisch keine Veränderungen (Mutationen, Anomalie des Phänotyp) wahrgenommen.
-Könnte der Kokon der Schuppenameisen eine Schutzfunktion vor ionisierender Strahlung haben? (Abschirmung von alpha Partikeln wäre nachvollziehbar.)

Das ganze Thema ist natürlich sehr Vage, da Ich die Ameisenfauna in Osteuropa nicht kenne.

Über Spekulationen, Theorien oder Antworten würde ich mich freuen.



Alpha Chuby
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#2 AW: Ameisen in Tschernobyl.

Beitrag von Alpha Chuby » 5. August 2011, 18:40

Hi,

absolut spannend -wir sollten sofort eine weitere Expeditionsgruppe ausrüsten!
Bisher hat man ja immer nur gehört das sich Flora und Fauna in der Zone ganz gut entwickeln würden, da ging es jedoch eher um größere Tiere und deren Ökologie ("Sie Welt ohne uns" Alan Wiseman).

Grüße



hypnotized
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#3 AW: Ameisen in Tschernobyl.

Beitrag von hypnotized » 5. August 2011, 21:39

Bis ich wieder in der Sperrzone bin, kann noch ein Jahr auf zwei dauern.

Bisher hat man ja immer nur gehört das sich Flora und Fauna in der Zone ganz gut entwickeln würden


Oooh, ja!
Als ich mich auf die Sperrzone vorbereitete sagte man mir, dass ich dort den Tod finden würde.
Doch ich fand dort das Leben!

Die Sperrzone lebt seit der Katastrophe ihr eigenes Leben.
Der Mensch ist für die Erde ein größeres Gift, als die Radioaktivität.

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supi004
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#4 AW: Ameisen in Tschernobyl.

Beitrag von supi004 » 5. August 2011, 21:50

tjaja :)
Der Mensch hält sich für das größte Raubtier doch die Natur konnte er bisher nie besiegen.
Wer weiß ob vielleicht Radioaktivität sogar noch Sachen begünstigt die wir gar nicht ahnen.
Veränderung der Arten zum beispiel :)



hypnotized
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#5 AW: Ameisen in Tschernobyl.

Beitrag von hypnotized » 5. August 2011, 22:04

Die Mutation ist der Motor der Evolution. ;-)
Zu berücksichtigen ist, dass verschiedene Arten durchaus unterschiedlich stark von Radioaktivität beeinflusst werden.

Man beachte, dass es Bakterien gibt, die im Primärkreislauf eines Kernreaktors nicht nur existieren, sondern regelrecht gedeien.
Zwar sind dies besonders gut angepasste Spezialisten und stellen somit eine Ausnahme dar, jedoch zeigen sie, dass Radioaktivität nicht zwangsläufig das "Leben" bedroht.

Fledermäuse zeigen auch eine sehr hohe Strahlenresistenz auf. Vermutlich liegt dies an ihrem Lebensraum (Höhlen), der ein gewisses Level an terreristischer Strahlung aufweist.



DermitderMeise
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#6 AW: Ameisen in Tschernobyl.

Beitrag von DermitderMeise » 5. August 2011, 22:58

Hallo,
für die empfundene Abwesenheit von Knotenameisen würde ich erst einmal andere Gründe heranziehen:
- Sie leben eher versteckt im Vergleich zu den großen, auffälligen Formica-Arten; man findet sie bei unangepasster Suchmethodik vergleichsweise selten in sonnigen Habitaten.
- Sie leben noch versteckter, wenn die Umgebung von dominanten Ameisen wie Formica s. str. dominiert wird.

hypnotized hat geschrieben:-Warum gedeien Schuppenameisen in dieser Region -der kurzen Beobachtung nach- sehr gut? Es wurden optisch keine Veränderungen (Mutationen, Anomalie des Phänotyp) wahrgenommen.

Insekten können generell mehr Radioaktivität vertragen als Menschen (s. Drosophila-Forschung) - woran das im Einzelnen liegt: ?
Allerdings scheint es in Tschernobyl-Nähe einen Trend zu geben, der nach wie vor anhält (nicht weiter verwunderlich): Radioaktivität dezimiert Insekten
Es wäre sicherlich sehr interessant zu untersuchen, wie sich die erhöhte Radioaktivität auf die tw. doch relativ langlebigen Ameisenköniginnen und deren Reproduktionsleistung auswirkt!

-Könnte der Kokon der Schuppenameisen eine Schutzfunktion vor ionisierender Strahlung haben? (Abschirmung von alpha Partikeln wäre nachvollziehbar.)

Das schon, da die Alphastrahler aber auch schon vorher in der Nahrung der Larven enthalten sein dürften und damit auch im Körper strahlen -> wohl doch nicht.

Das ganze Thema ist natürlich sehr Vage, da Ich die Ameisenfauna in Osteuropa nicht kenne.

Ich war so frei, dir einen kleinen Einstieg zu verschaffen:
- Ukraine, von Herrn Karawajew (allerdings noch aus den 1930ern, da sind sicherlich einige Namen nicht mehr aktuell - und überwiegend auf ukrainisch): Teil 1, Teil 2
- Rumänien (2003, PDF)
- Ungarn (2011, PDF)

Viel Spaß bei der Lektüre & halte uns auf dem Laufenden! :)



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Biohazard
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#7

Beitrag von Biohazard » 6. August 2011, 00:29

Hallo Leute.

Ein tolles Thema! (oder auch nicht...)

Vor gut 4 Monaten bin ich mal an der Sperrzone vorbeigefahren. Aufgrund eines großen Teils Verwandschaft in Kiew bin ich gelegentlich in der Nähe.

Nach eigener Beobachtung kann ich nur sagen, dass sich Flora und Fauna in der Umgebung sehr gut entwickeln. Neben einigen Gruppen von Przewalski-Pferden kann man auch reichlich anderes Getier entdecken.

Falls es das Geld hergibt ist für Sep./Okt. eine Private fahrt in die Zone geplant. Alternativ wird diese für den Spätsommer nächsten Jahres festgehalten. Vermutlich eine Motorradfahrt mit 4 Leuten. Mit dem Auto kommt man leider nicht so weit. Die Reinigung ist auch aufwändiger.

Der Umgang mit Geigerzähler bzw. Dosimeter ist bekannt. Aufgrund einer halben Staatsbürgerschaft ist der Zutritt in den äußeren Ring der Zone kein Problem. Durch andere Kontakte wird der Zugang bis in die innere Zone (und damit bis an das AKW) ermöglicht.

@ hypnotized

Den Geigerzähler NIE auf den Boden legen! Zuhause geht das natürlich, aber bitte nicht in solchen Gebieten.
Dadurch können Messwerte stark beeinflusst werden. Im schlimmsten Fall kann man das Gerät liegen lassen und als Kickobjekt verwenden, und schauen wie sich die Strahlung am Zähler sammelt.


Zum Thema noch eine tolle Seite: http://www.elenafilatova.com/

€dit: Glatt vergessen. Ich werde mich natürlich auf Ameisensuche begeben und eventuell, wenn möglich, ein paar Gynen fangen.



hypnotized
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#8 AW: Ameisen in Tschernobyl.

Beitrag von hypnotized » 6. August 2011, 12:06

für die empfundene Abwesenheit von Knotenameisen würde ich erst einmal andere Gründe heranziehen:
- Sie leben eher versteckt im Vergleich zu den großen, auffälligen Formica-Arten; man findet sie bei unangepasster Suchmethodik vergleichsweise selten in sonnigen Habitaten.
- Sie leben noch versteckter, wenn die Umgebung von dominanten Ameisen wie Formica s. str. dominiert wird.


Ein passives Verhalten der Knotenameisen und einfaches "übersehen" ist ein nachvollziehbarer Grund.
Ich habe auch keine Steine umgedreht, um Nester zu finden. (Nachvollziehbar, wenn der Boden mehrere hundert µSv/h abgibt)

Andererseits findet man, zumindest in unserer Region, auf jeder Wiese, Knotenameisen, wenn man sich etwas umsieht. Auch an sonnigen und warmen Tagen.

Insekten können generell mehr Radioaktivität vertragen als Menschen (s. Drosophila-Forschung) - woran das im Einzelnen liegt: ?
Allerdings scheint es in Tschernobyl-Nähe einen Trend zu geben, der nach wie vor anhält (nicht weiter verwunderlich): Radioaktivität dezimiert Insekten
Es wäre sicherlich sehr interessant zu untersuchen, wie sich die erhöhte Radioaktivität auf die tw. doch relativ langlebigen Ameisenköniginnen und deren Reproduktionsleistung auswirkt!


Stechmücken hatten wir in der Sperrzone jedenfalls genug. *lach*
Die Auswirkung auf Gynen ließe sich relativ einfach untersuchen.
Dafür müsste man nicht einmal nach Tschernobyl.
Die Frage ist jedoch, ob es moralisch vertretbar ist, wenn ein user eines Internetforums vorsätzlich ein gesundes Tier über einen längeren Zeitraum mit radioaktiven Isotopen kontaminiert.

Das schon, da die Alphastrahler aber auch schon vorher in der Nahrung der Larven enthalten sein dürften und damit auch im Körper strahlen -> wohl doch nicht.


Das ist richtig.
Doch die Belastung, die dort vom habitat (Erde) ausgeht, müsste um ein vielfaches höher sein, als das, was durch die Nahrung inkorporiert wird.
Die abschirmung von Alphapartikeln kann die Gesamtdosis auf einen Organismus schon signifikant senken, wodurch die Entwicklung in eigentlich zu hohen Leveln an Radioaktivität möglich wäre.
Als Gegenargument ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Eier und die Puppe der Radioaktivität bereits schutzlos ausgesetzt sind.

Ich war so frei, dir einen kleinen Einstieg zu verschaffen:


Vielen Dank. :-)

Der Umgang mit Geigerzähler bzw. Dosimeter ist bekannt. Aufgrund einer halben Staatsbürgerschaft ist der Zutritt in den äußeren Ring der Zone kein Problem. Durch andere Kontakte wird der Zugang bis in die innere Zone (und damit bis an das AKW) ermöglicht.


Am AKW selbst war ich auch. Wir sind einmal rum gefahren und haben dort in der Kantine gegessen.

Ob der Zutritt in die 30 Km Zone kein Problem darstellen soll, wär ich mir nicht so sicher. An dem Eingang den wir genommen haben, stand bewaffnete Milliz.:irre:

Du könntest jedoch versuchen, von einem anderen Punkt aus in das Sperrgebiet zu schleichen, wovon natürlich abzuraten ist. *hust* ;-)
Könntest du bei Gelegenheit mal in der Gegend deiner Familie in Kiew die Ameisenfauna beobachten? Ich wäre dir sehr dankbar dafür.

Eine Gyne in der Sperrzone zu fangen, habe ich auch in Erwägung gezogen.
Doch die Tatsache, dass es unter hoher Strafe steht, etwas aus der Sperrzone zu entwenden, hat mich abgeschreckt. Offiziell darf man dort nicht einmal etwas anfassen.



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