Gibt es Trophallaxis bei Messor? - Nein! s. Post #5

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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#1 Gibt es Trophallaxis bei Messor? - Nein! s. Post #5

Beitrag von Gast » 16. Januar 2012, 10:52

Ich mache mal einen eigenen Thread dafür auf. Die Frage wird hier gestellt:


Mir ist positiv bekannt, dass es bei Blattschneiderameisen und bei Ponerinen keine Trophallaxis gibt. Ein Kropf gehört jedoch auch bei diesen zum Verdauungstrakt, zur individuellen Nahrungsspeicherung (bei Atta sexdens habe ich mich durch Sezieren selbst überzeugt).

Ob es bei Messor keine Trophallaxis gibt, kann ich nicht sicher sagen! Dass ein „Sozialmagen“ = Kropf fehlt, möchte ich ausschließen. Zumindest müssten Futtersekrete aus Drüsen an Königin und kleine Larven gegeben werden. Vielleicht wird wirklich unter adulten Arbeiterinnen kein Futter weitergegeben; aber da hätte ich gern bessere Quellen als eine im Internet vervielfältigte Meinung.

Ich bin jetzt auf die Frage aufmerksam geworden und werde in nächster Zeit die Augen offen halten. Ggf. werde ich im AWiki darüber berichten.
Vielleicht hat ja auch einer der vielen Messor-Halter entsprechendes Bildmaterial von sich fütternden Arbeiterinnen?

Ich wäre dankbar für Mitarbeit!

MfG,
Merkur



ford prefect
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#2 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von ford prefect » 16. Januar 2012, 14:24

Ich poste hier einfach mal meine Erfahrungen:

Ich konnte nun nach immerhin einem Jahr Messorhaltung noch kein einziges Mal eine Trophallaxis beobachten, und ich habe darauf geachtet.

Es muss aber, wie du schon geschrieben hast, die Möglichkeit geben, über Drüsen Nahrung weiterzugeben, denn die Larven werden keinesfalls mit Stückchen von Futtertieren gefüttert.

Viel interessanter ist aber die Weitergabe von Wasser. Tränken werden im Allgemeinen sehr gut und fast rund um die Uhr besucht, in meinem Fall nie von der Königin, die in dem sehr trockenen Nest natürlich auch Wasser braucht.

Meine These dazu, warum Messor keine Trophallaxis zu beherrschen scheinen, ist, dass durch Ameisenbrot Kohlenhydrate jederzeit im Nest vorhanden sind und Vorratshaltung betrieben wird. Interessant wären sicherlich auch Erfahrungen von den wenigen Pogonomyrmex-Haltern.

LG, ford prefect



Gilthanaz
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#3 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von Gilthanaz » 16. Januar 2012, 14:37

Wie ich auch im Ursprungsthread schon erwähnte:
Ich halte meine Messor barbarus nun in der zweiten Saison, und konnte noch kein einziges mal Trophallaxis beobachten. Bei anderen Arten ist diese ja häufig zu sehen.

Ebenfalls kann ich auch von einem Fall berichten, bei dem die Gyne wohl aus Wassermangel aus dem trockenen Nest zur Tränke lief, um zu trinken; Und das, während die Arbeiterinnen bereits eine ganze Weile Wasser aufgenommen hatten und teilweise wieder zurück im Nest waren.

Seit ich das Nest direkt befeuchte und sich eine kleine "Wassertasche" an einem Wattestück beim Schlauchausgang bildet, kam dies nicht mehr vor. Die (voreilige) Schlußfolgerung in Kombination mit den im Netz gefundenen Informationen war, dass die Tiere wohl wirklich jeweils selbst trinken müssen, und keine Trophallaxis angewandt wird bzw. möglich ist.

lg,
- G



PHiL
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#4 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von PHiL » 16. Januar 2012, 15:16

Weil ich hier ja quasi zitiert wurde. Ich hatte das u.a. (?) im "Dumpert" gelesen, unter "5.5 Kommunikation beim Futteraustausch" schreibt er:
Die Weitergabe flüssiger Nahrung (Trophallaxis) kommt bei fast allen Ameisenarten vor, mit Ausnahme lediglich der meisten Myrmeciinen, einiger Ponerinen wie z.B. Amblyopone und besonders spezialisierter Myrmicinen wie Ernte- oder Blattschneiderameisen.
(Hervorhebung durch mich)
Dass ich den Sozialmagen ausgeschlossen habe, war ein Fehler meinerseits. Ich dachte man spricht nur von Sozialmagen, wenn er auch wirklich "sozial" ist.
Allerdings muss ich sagen, habe ich schon öfters das Gefühl, dass die Arbeiterinnen doch irgendeine Möglichkeit haben, Wasser weiterzugeben oder zumindest irgendwie das Nest zu befeuchten. Vielleicht durch Koten, das können die ja besonders gut (wie jeder Messorhalter wohl schon mitbekommen hat :D).

Grüße, Phil



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Ureaplasma
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#5 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von Ureaplasma » 16. Januar 2012, 15:25

http://scholar.google.co.uk/scholar?as_q=Evolutionary+aspects+of+foraging+efficiency+and+niche+shift+in+two+sympatric+seed-harvesting+ants+%28Messor%29+%28Hymenoptera+Formicidae%29

Evolutionary aspects of foraging efficiency and niche shift in two sympatric seed-harvesting ants (Messor ) (Hymenoptera Formicidae).
Baroni Urbani, C
Ethology Ecology & Evolution [ETHOL., ECOL. EVOL.]. no. spec., pp. 75-79. 1991.

ABSTRACT:
Messor capitatus and M. structor often coexist in narrow sympatry in central Italy and show very similar food preferences. These two species differ markedly from each other in their recruitment mechanism. By measuring the foragers' efficiency in transporting seeds into the nest, it appears that both species show a remarkable tendency to 're-create' the seed distribution most suited to its own recruiting mechanism. Such strategies, of course, imply a much greater number of foragers and longer handling times. The resulting apparent waste of energy can be justified by the fact that the gain obtained from a single seed is much greater than the energy necessary to search for and carrying it under any conceivable circumstances (Nielsen & Baroni Urbani 1990). Nevertheless, this way of 'improving' the natural seed distribution may be difficult to explain by mutual competition alone. The same selection pressure acting on both species may have successively shaped their behaviour as follows: secondary loss of trophallaxis → inadequate food distribution within the nest → need to involve a higher number of foragers for seed transport in order to ensure better intranidal distribution. Nearctic sed harvesting ants of the genus Pogonomyrmex also seem to lack trophallactic behaviour, but it is argued that both genera are likely to have acquired this character by convergence as a secondary adaptation to solid food ingestion, rather than by common descent.



Gast
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#6 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor? - Nein!

Beitrag von Gast » 16. Januar 2012, 16:28

Hallo Ureaplasma,

Das ist ganz toll! C. Baroni Urbani ist ein bekannter und vertrauenswürdiger Autor. Ich besitze einen Sonderdruck der Arbeit (Papier, wie das seinerzeit noch üblich war ;)), aber Trophallaxis bei Messor war nie ein Thema, das mich beschäftigt hätte...
Nun kommt diese Information gleich auch ins AWiki.

Danke auch an Phil! „Der Dumpert“ ist eine auch heute noch wichtige Informationsquelle von einem sehr kenntnisreichen Autor. Ich habe in der 2. Aufl. 1994 nachgesehen, wo die entsprechende Passage nur etwas umformuliert ist:

„Die Weitergabe flüssiger Nahrung (Trophallaxis) ist eine Verhaltensweise, die vor allem bei den am höchsten entwickelten Ameisengruppen vorkommt. Sie fehlt bei besonders urtümlichen Ameisen und natürlich auch bei allen höher entwickelten Arten, die keine flüssige Nahrung eintragen. Das sind vor allem die ausschließlich räuberischen Arten und die spezialisierten Pflanzenfresser wie Körnersammler oder Pilzzüchter. Auch einige Bewohner von Ameisenpflanzen zeigen keine Trophallaxis…." - Q.e.d.

Dieser Thread lehrt wieder einmal, wie äußerst hilfreich die Angabe von Quellen sein kann!
Und er zeigt, wie wir in Kooperation auftauchende Fragen wirklich lösen können!

Danke,
Merkur



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#7 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor? - Nein! s. Post #5

Beitrag von DermitderMeise » 16. Januar 2012, 17:24

Merkur hat geschrieben:Vielleicht wird wirklich unter adulten Arbeiterinnen kein Futter weitergegeben; aber da hätte ich gern bessere Quellen als eine im Internet vervielfältigte Meinung.

Wie alle die sich bereits hier geäußert haben, konnte ich in meiner ~ dreijährigen Messor-Zeit (mit Unterbrechung) auch noch keine Trophallaxis beobachten; allerdings bin ich erst im letzten Jahr über diese Aussage gestolpert, so dass ich erst seitdem besonders darauf geachtet habe. Eine Recherche ergab da leider nichts. Daher ein dickes Danke an Ureaplasma, aber auch an Phil für die Aufklärung wo das herkam!

Die Königin sitzt bei meinen beiden Messorarten (s. hier) fast durchgehend in einem der Reagenzgläser mit Wasser.

ford prefect hat geschrieben:Tränken werden im Allgemeinen sehr gut und fast rund um die Uhr besucht, in meinem Fall nie von der Königin, die in dem sehr trockenen Nest natürlich auch Wasser braucht.

Gibt's da keine "Wasserstelle"?



Gilthanaz
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#8 AW: Gibt es Trophallaxis bei Messor?

Beitrag von Gilthanaz » 16. Januar 2012, 17:34

Genau so stelle ich mir informative Threads und Kooperation bei unklaren Themen vor :D

Ich fasse zusammen (und korrigiert mich, wenn etwas daran falsch ist):
* Messor sp. und Atta sp. sind, den vorliegenden Informationen nach, der Trophallaxis nicht mächtig; Und falls doch, scheint noch niemand dieses Verhalten beobachtet zu haben.

Noch unklar:
* Ist der Sozialmagen vorhanden, verkümmert?
* Wenn der "Sozialmagen" nicht zur Trophallaxis genutzt wird, ist er dann noch ein "Sozialmagen"?

Interessant finde ich auch den Werdegang:
Wie Merkur schon anmerkte, findet man die Aussage, dass Messor sp. keine Trophallaxis betreiben resp. keinen Sozialmagen haben, in beinahe jedem der besser besuchten Ameisen/Insektenforen. Ich habe es damals gelernt, als mir meine Kolonie mangels Wasser beinahe einging, da das Nest eben zu trocken war. Wie lange diese Information ungeprüft bereits zirkuliert, wird sich wohl nur noch schwer rekonstruieren lassen...

lg,
- G



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