Verhalten von Ameisen bei großen Beutetieren

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Vespa Crabro
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#9 AW: Verhalten von Ameisen bei großen Beutetieren

Beitrag von Vespa Crabro » 14. April 2012, 21:21

Hallo Forum,

mit Freude las ich eure hilfreichen Thesen und Erfahrungswerte.

Zuerst an Boro,

" hat geschrieben:1. Nach einer kurzen "Untersuchung" der Beute eilt die Arbeiterin auf kürzestem Weg zum Nest zurück und rekrutiert weitere Kolleginnen, um die Beute abzusichern zu verwerten. In der Regel wird bei dem beschriebenen Weg zum Nest ein Spurpheromon abgesetzt, das den später folgenden Arbeiterinnen den Weg zeigt. Bei einigen Arten wird der "Tandemlauf" angewandt u. vermutlich keine Duftspur ausgelegt.


Das Verhalten ist mir streng genommen seit der Kindheit bekannt. Ich erinnere mich, wie spannend es war, auf dem Rasen Lasius niger zu beobachten, wie sie "buchgelandete" Fluginsekten attackierten und die Anzahl an Helferinnen durch dieses "Hin und Her" einzelner Tiere sehr schnell anstieg.

Auch bei Myrmica rubra war es nun so. Erst sah ich 2 Arbeiterinnen, bis eine davon weiter weg lief und noch weitere dazu holte (sie lief nicht zum Nest, sondern auf andere zu, die auch das Gebiet erkundeten).

" hat geschrieben:a) viele Arten versuchen sofort die Nahrung - egal von welcher Größe - in ihr Nest zu zerren, z. B. die Arten der Gattung Formica. Besonders schön kann man das auch bei Pheidole pallidula beobachten. Unglaublich, welch riesige Brocken v. den Winzlingen in Teamarbeit zum Nest gezerrt werden.


Ich habe gesehen, dass zwischen den Arbeiterinnen scheinbar keine klare Einigung herrscht. Es ist immer eine Arbeiterin allein, die die Wespe am Fühler Richtung Nest zieht und somit bewegt sich der "Bocken" hier über Stunden hinweg nur ein wenig. Der Rest der Arbeiterinnen läuft herum oder sitzt oben drauf und kooperiert nicht mit der "ziehenden" Arbeiterin.

Hallo Fruchttiger,

" hat geschrieben:Wer weiß außerdem wie lange die Wespe schon tot war? Frischere Insekten werden glaube ich generell lieber genommen. Eventuell ist die Wespe schon verwertet worden?


Kein schlechter Einwand, denn tatsächlich habe ich die tote Wespe in den letzten März-Tagen gefunden, wenn mich die Erinnerung nicht täuscht und seitdem war sie eingefroren. Einem "Verderb" durch zu niedrige Temperaturen widerspricht aber, dass meine C. herculeanus durchaus lange Zeit gefrorene Fliegen gerne annimmt.

Hallo KayRay,

tatsächlich schnitt ich heute die Wespe am Hinterleib auf, wo mir auch wieder auffiel, wie stabil und flexibel die Natur die Wespe aufgebaut hat. Der Inhalt des Hinterleibes war durchaus noch "fleischig", auch ein Stich in den Torso brachte noch weiches Material hervor.

Ich habe sogar festgestellt, dass die Wespe nach dieser Behandlung scheinbar "interessanter" wirkte, dennoch hat sich das Verhalten im Grunde bis heute kaum geändert.

Ich werde noch weitere Tiere verfüttern müssen, vielleicht habe ich einfach nicht ihren Geschmack getroffen...



s333
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#10 AW: Verhalten von Ameisen bei großen Beutetieren

Beitrag von s333 » 14. April 2012, 21:37

Hab leider jetzt nicht alles gelesen, nur im überfliegen derweil keinen Link gesehen!
Das (warscheinlich) vorher genannte Video wo eine Krabbe attackiert wird :
http://www.youtube.com/watch?v=qOe5Lmyyxiw
Bei 1:40 in etwa beginnt der Part mit der Krabbe.



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Boro
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#11 AW: Verhalten von Ameisen bei großen Beutetieren

Beitrag von Boro » 14. April 2012, 21:56

Wie bereits oben erwähnt, kann man das kollektive Agieren zum Abtransport einer großen Beute besonders gut bei Pheidole pallidula beobachten:
1. eine Arbeiterin entdeckt und "begutachtet" die Beute, startet sofort ein paar Suchläufe um das Tier und kehrt dann rasch in das Nest zurück. Es dauert wirklich nur ein paar Sekunden und dutzende, später hunderte Arbeiterinnen laufen in hohem Tempo auf der vorher von der einzelnen Arbeiterin gelegten Duftspur zum Ziel.
2. Die immer zahlreicher eintreffenden Arbeiterinnen beginnen sofort mit dem Versuch die Beute in Richtung Nest zu ziehen. Die 2mm-Winzlinge schaffen das nach anfänglichen Schwierigkeiten in absoluter Teamarbeit, alle "ziehen an einem Strang!"
3. Inzwischen treffen immer mehr Soldaten ein, diese beteiligen sich nicht an der Transportarbeit, sondern klettern auf die Beute und versuchen gleich ein Stück abzubeißen.
1. Ein Heimchen als Beute: Vorne ziehen die Arbeiterinnen, hinten beißen die Soldaten zu:
Bild

2. Bild
L.G.Boro



Imago
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#12 AW: Verhalten von Ameisen bei großen Beutetieren

Beitrag von Imago » 15. April 2012, 06:52

Hallo Vespa Crabro!

Auch hier muss differenziert werden.

Die Wespe ist aktuell noch nicht das richtige Beutetier für die Kolonie. Frequentiert wird sie, weil die Ameisen instinktiv wissen was sie mit ihr anstellen müssen/wollen. Probleme gibt es nur, diese zu knacken.

Ein großes Volk hat damit wenig Probleme.

Die Masse an Arbeiterinnen sorgen innerhalb der Kolonie für eine wesentlich höhere Effektivität. Beutetiere werden bei einer höheren Arbeiterinnenzahl schneller entdeckt, schneller zerlegt, abtransportiert und verwertet.

Das Volk war mit der Wespe überfordert.

Wenn man füttert gibt es immer Arbeiterinnen die scheinbar dem komplexen Ablauf nicht richtig folgen können und diesem augenscheinlich nur im Wege stehen oder diesen gar beukottieren. Sie laufen die halbe Strecke hin zu der Beute, folgen der bereits gelegten Duftspur, um mittig umzukehren und zurück zum Nest zu flitzen.

Andere ziehen die Beute nicht auf dem kürzesten Weg zurück zum Nest sondern weichen etwas von der Spur ab. Dann gibt es Arbeiterinnen die hinlaufen, das Beutetier einmal zwicken, um wieder das Nest aufzusuchen.

Solche für uns ineffizienten Ameisen, übermitteln letztlich aber vielleicht doch Informationen die wir als Halter nur nicht erkennen. Aber wie dem auch sei, mit der steigenden Zahl der Arbeiterinnen, steigt auch die Effektivität eines Volkes inerhalb eines festgesteckten Terrains, welches sich mit steigender Individuenzahl in der Natur auch für gewöhnlich vergrößert, wobei die äußeren Linien bei weitem nicht so effektiv sind, wie das Gebiet in Nestnähe.

Bei kleinen/ wachsenden Völkern ist auch oft zu beobachten das eine Ameise sogar erfolgsorientierter arbeitet, oder zum gewünschten Resultat kommt, als z.B. zwei. Am Futtertier angekommen hat die einzelne Arbeiterin das Tier immer direkt ins Nest abtransportiert. Zwei Arbeiterinnen jedoch ziehen die Beute weniger effizient. Die eine zieht da und die andere da.

Erst wieder mit steigender Individuenzahl steigt auch die Struktur und es überwiegt der Teil der den direkten Weg einschlägt und die Kolonie wieder an Effektivität gewinnt, sogar mehr als zuvor, denn 10 Ameisen bewegen die Beute wesentlich schneller als Eine.

Es gibt wirklich immer Tiere die für uns Halter nur Unfug treiben und den Ablauf stören.

Bei den Camponotus fellah konnte ich schon oft beobachten wie Abeiterinnen mit Beute, z.B. einem Heimchenbein zwischen den Mandibeln zurück ins Nest wollten, unterwegs jedoch wieder auf die strenge Duftspur zum Beutetier hin stießen. Also wieder mit dem Bein zurück zum Heimchen, dort angekommen festgestellt das man voll bepackt ist, also wieder zurück.

Das sind Fehler.

Die Masse der Ameisen die aber an dem richtigen Strang ziehen, bügelt solche Fehler wieder aus. Somit funktionieren kollektive Abläufe.

Die Individuenzahl einer Kolonie entscheidet in vielen Situation eines Volkes über Erfolg oder Niederlage.

Die Individuenzahl eines Volkes beinflusst nicht nur den Erfolg auf Grund der Menge die am richtigen Strang zieht, sondern auch das Verhalten einzelner Individuen. Wenn man ein Volk mit beispielsweise unter Zehn Arbeiterinnen füttert und sich noch eines der Beutetiere leicht bewegt, wird reis aus genommen.

Bei einem Volk über beispielsweise 1000 Arbeiterinnen, wird mit lebender Beute bis zum Schluss gekämpft, wenn es sein muss bis zum Tode.

Das Wachstum des Volkes und die Aggressivität des Volkes geht meist einher. Die fellah bei mir greifen im gesamten Becken unverzüglich alles an was ihnen nicht ganz geheuer ist. Das Gift und die Mandibeln kommen unverzüglich zum Einsatz. Selbst wenn ich versuche Futterschalen zu platzieren etc. meine Pincette wird sofort angegriffen sie verbeißen sich, krabbeln daran hoch und attackieren Hand und Hemd.

Anfangs wird nur Brut verteidigt, dann das Nest, später das besetzte (sich in der Natur ausdehnende) Territorium. Und sobald ein dickes Beutetier erspäht wird, wird es je nach Koloniegröße verwertet oder nicht.

(Effizienz, Effektivität...da wird man ja verrückt, gar nicht so einfach hier die richtigen Worte zu finden :huh: :verrueckt:)

LG Imago



Vespa Crabro
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#13 AW: Verhalten von Ameisen bei großen Beutetieren

Beitrag von Vespa Crabro » 15. April 2012, 11:40

Guten Morgen,

tolle Erklärung, Imago, finde ich klasse - das war für einen Anfänger wie mich verständlich! Das heisst also in etwa, dass die Tiere nicht unbedingt im Einzelnen "Lernen", sondern die Intelligenz mit der Individuenanzahl steigt, bzw., das Handeln rationaler und "durchdachter" wird.

Die Wespe schien nun nicht mehr interessant für die Ameisen und inzwischen hat sie sich auch - typisch für tote Wespen - zusammengezogen. Wahrscheinlich ist das "Haltbarkeitsdatum" überschritten. Auf meinem Komposthaufen fand sie ihre letzte Ruhestätte.

Schön sind natürlich auch die Bilder Boros und die Erklärung dazu.



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