Fertilität von Ameisenköniginnen wächst mit ihrem Alter

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#1 Fertilität von Ameisenköniginnen wächst mit ihrem Alter

Beitrag von Gast » 16. April 2012, 17:07

[font=Times New Roman]Das wurde experimentell bei Cardiocondyla obscurior (Myrmicinae) ermittelt. Auch wenn die Anzahl der Arbeiterinnen konstant gehalten wurde, stiegen die Eiablageraten von Königinnen mit deren Alter bis zum Tode an. Das unterscheidet sie von den meisten Tieren, bei denen die Fertilität im Alter nachlässt (Vergleich mit dem Menschen: Menopause).[/font]

[font=Times New Roman]http://www.plosone.org/article/info:doi/10.1371/journal.pone.0035201[/font]

[font=Times New Roman]Heinze J, Schrempf A (2012) Terminal Investment: Individual Reproduction of Ant Queens Increases with Age. PLoS ONE 7(4): e35201. doi:10.1371/journal.pone.0035201[/font]

[font=Times New Roman]Abstract [/font]
[font=Times New Roman]The pattern of age-specific fecundity is a key component of the life history of organisms and shapes their ecology and evolution. In numerous animals, including humans, reproductive performance decreases with age. Here, we demonstrate that some social insect queens exhibit the opposite pattern. Egg laying rates of Cardiocondyla obscurior ant queens increased with age until death, even when the number of workers caring for them was kept constant. Cardiocondyla, and probably also other ants, therefore resemble the few select organisms with similar age-specific reproductive investment, such as corals, sturgeons, or box turtles (e.g., [1]), but they differ in being more short-lived and lacking individual, though not social, indeterminate growth. Furthermore, in contrast to most other organisms, in which average life span declines with increasing reproductive effort, queens with high egg laying rates survived as long as less fecund queens.[/font]



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Streaker87
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#2 AW: Fertilität von Ameisenköniginnen wächst mit ihrem Alter

Beitrag von Streaker87 » 17. April 2012, 18:05

Hallo Merkur!

Vielen Dank für den Post!

Wirklich interessante Fragestellung, der man hier nachgegangen ist. Auch, weil ich selbiges gerne an meiner Kolonie C. fellah herausfinden würde. Leider habe ich mir den falschen Modellorganismus ausgesucht :(

Mit einer Lebenserwartung von nur 26 Wochen bei Cardiocondyla obscurior, statt der 26 Jahre bei C. fellah, hat das besagte Team definitiv eine bessere Wahl getroffen.
Schade, dass es sich eben nur auf diese eine Art bezieht. Bei anderen müsste man es wohl erst testen.

Weder wäre ich davon ausgegangen, dass das Lege-Pensum der Gyne mit der Zeit ins Unendliche steigt, noch, dass es rapide absinkt. Viel mehr hätte ich damit gerechnet, dass die Arbeiterinnen die Gyne dazu forcieren ihre Legerate an die Koloniegröße anzupassen. Wer soll sich denn um die vielen Eier kümmern? Energieverschwendung!?

Sind Gynen also doch nur Gebärmaschinen ohne Draht nach draußen?

Mir stellt sich aber noch eine ganz andere Frage:

Haben wir hier eine neue Methode um gepushte Kolonien zu entlarven? ;)




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#3 AW: Fertilität von Ameisenköniginnen wächst mit ihrem Alter

Beitrag von Gast » 17. April 2012, 20:33

[font=Times New Roman]Hallo Streaker87,[/font]

[font=Times New Roman]Zustimmung in allen Punkten![/font]
[font=Times New Roman]Ich habe die Information zunächst mal ganz neutral wiedergegeben.[/font]
[font=Times New Roman]Selbstverständlich ist so ein Ergebnis absolut nicht einfach auf andere Arten zu übertragen, wenn man diese nicht speziell darauf untersucht![/font]

[font=Times New Roman]Im Normalfall sollte ja eine Kolonie zunächst eine wachsende Zahl von Arbeiterinnen erzeugen, mit deren Hilfe die Königin zunehmend mehr Eier legen kann – die „ergonomische Phase“ (Hölldobler & Wilson 1990: The Ants). Danach werden zusätzlich Geschlechtstiere aufgezogen, die das Volk verlassen (reproduktive Phase); dabei geht die Anzahl der (neuen) Arbeiterinnen zurück. Bei langlebigen Arten wiederholt sich der Wechsel alljährlich.[/font]
[font=Times New Roman]Oft wächst dennoch das Volk mit den Jahren noch mehr, und somit muss die Legeleistung der Königin steigen.[/font]
[font=Times New Roman]Nun wird bei praktisch allen „modernen“ Arbeiten aus diesem Bereich ein meines Erachtens (!) sehr wichtiger Aspekt ausgeklammert: Nennen wir es den „Stofffluss“.[/font]
[font=Times New Roman]Um Eier ablegen zu können, benötigt die Königin (nach der Gründungsphase mit ihren Reservestoffen) die Zufuhr von Baustoffen für die Eier, für die Dotterproteine.[/font]

[font=Times New Roman]Bei Honigbienen ist es nachgewiesen, dass Vorstufen dieser Dotterproteine in Drüsen der Arbeiterinnen synthetisiert und dann der Königin verfüttert werden. Nur so kann sie an einem Tag bis zum 3,5-fachen ihres Körpergewichts an Eiern legen. Müsste sie das ganze Protein aus gefressenem Pollen selbst verdauen und daraus Dotterproteine synthetisieren, wären ihr Verdauungstrakt und Stoffwechsel [/font][font=Times New Roman]hoffnungslos überfordert.[/font]

[font=Times New Roman]Bei Ameisen gibt es einige Indizien für sehr ähnliche Vorgänge (wobei gelegentlich noch Larven in der Verdauung von „Rohfutter“ vorgeschaltet sind. Futtersekret von den Larven wird dann von Arbeiterinnen abgenommen, in manchen Fällen sogar in Form von Hämolymphe durch Anbeißen der Larven, oder über einen larvalen „Hämolymphzapfhahn“ wie bei Leptanilla – s. AWiki).[/font]

[font=Times New Roman]„Sind Gynen also doch nur Gebärmaschinen ohne Draht nach draußen?“[/font]
[font=Times New Roman]Eben nicht! Ohne die Zufuhr hochwertiger Proteine bzw. direkt schon vorsynthetisierte Dotterproteine (z.B. Vitellogenin) geht nichts![/font]
[font=Times New Roman]In der referierten Arbeit heißt es, dass die Königinnen eine mit zunehmendem Alter wachsende Anzahl von Eiern abgelegt haben, auch wenn die Zahl der Arbeiterinnen konstant gehalten wurde. Das ist der eigentlich aufregende Befund, denn damit sollte auch von den Arbeiterinnen nicht mehr Protein an die Königinnen geliefert worden sein.[/font]
[font=Times New Roman]Woher aber haben die Königinnen nun das notwendige Protein um daraus mehr Eier zu produzieren?[/font]
[font=Times New Roman]„Viel mehr hätte ich damit gerechnet, dass die Arbeiterinnen die Gyne dazu forcieren, ihre Legerate an die Koloniegröße anzupassen.“ – Richtig gedacht. Aber das halte ich für einen ganz simplen Automatismus: Weniger Arbeiterinnen > weniger Dotterproteine für die Königin > weniger Eier > weniger Larven zu füttern![/font]

[font=Times New Roman]Die Frage, die ich in anderen Zusammenhängen schon seit Jahren mit mehreren Kollegen diskutiert habe, harrt noch immer der Beantwortung: Wie weit sind Stofflüsse beteiligt, wenn z.B. von „policing“ die Rede ist, wenn Königin oder Arbeiterinnen die unbefruchteten Eier von Arbeiterinnen fressen, „um diese an der Fortpflanzung zu hindern“? Ist das wirklich „nur“ eine Verhaltensfrage, oder geht es vielmehr darum, dass die wertvollen Ei-Proteine letztlich bei den reproduzierenden Individuen, Königin, oder gelegentlich Eier legende Arbeiterinnen, konzentriert werden sollen?[/font]

[font=Times New Roman]Wir sind hier in einem Bereich, wo die Forschung noch ziemlich viel zu erklären hat![/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]



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The_Paranoid
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#4 AW: Fertilität von Ameisenköniginnen wächst mit ihrem Alter

Beitrag von The_Paranoid » 17. April 2012, 20:59

Naja, man sollte auch bedenken, dass in dem Fall nur der Einfluss eines Faktors(Alter) auf die Legerate untersucht wurde und alle anderen Faktoren gezielt konstant gehalten wurden.

Natürlich spielen auch andere Faktoren wie Anzahl Arbeiterinnen, Larven und Nahrungsangebot eine Rolle so wie ob es sich um polygyne oder monogyne Ameisen handelt. Angeregt durch den hier geposteten Artikel hatte ich dazu gestern bisschen rumgelesen und fand unter anderem folgende Arbeit ganz interessant:
http://bio.fsu.edu/~tschink/publications/1988-2.pdf
Da finden sich in der Einleitung auch viel Info zu anderen Ameisenarten. Interessant, dass sich die Eierlagerate bei Myrmica rubra und M. ruginodis aber 10 Arbeiterinnen nicht mehr weiter steigert.

Was sonst noch so für merkwürdige Faktoren bei C. obscurior eine Rolle spielen haben ja auch die Autoren der von Merkur verlinkten Arbeit schon gezeigt:
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0002592
Danach macht es einen sigifikanten Unterschied im Bezug auf die Eilegerate ob das Männchen bei der Paarung Flügel hat oder nicht.

Von daher scheint es wohl nen Haufen Faktoren zu geben die eine Rolle spielen ... nicht zuletzt gibt es wohl auch bei den Königinnen selbst einfach eine sehr hohe Varianz. Von daher denke ich nicht, dass man sicher irgendwelche Aussagen bezüglich pushen treffen kann.

Mal ganz davon abgesehen, dass man die Ergebnisse von Cardiocondyla obscurior wohl nicht so einfach auf andere Arten übertragen kann. Ist ja doch eine sehr spezielle Art. Polygyn, Koloniegründung durch Aufspaltung, sehr kurze Lebenszeit der Königinnen.

Macht irgendwie Sinn bei der Art, dass die Eierlegerate mit dem Alter nicht nachlässt, wenn die Königinnen eh nur so kurz leben und beim Ausfall einer Königin diese sofot ersetzt wird. Da können die Königinnen ruhig alles raushauen und dafür früher sterben... dient letztendlich dem Wohle der Kolonie.

Denke aber nicht, dass man das so einfach auf monogyne Arten übertragen kann die 20 Jahre oder mehr leben können und deren Tod auch das Ende der Kolonie bedeutet. Da macht es dann vielleicht Sinn mit dem Alter etwas kürzer zu treten, ein paar Jahr länger zu leben und somit insgesamt vielleich doch mehr Jungköniginnen produzieren zu können.

Nur so ein paar Gedanken ....

EDIT: hab Merkurs Kommentar erst jetzt gelesen ..
Merkur hat geschrieben:[font=Times New Roman]Woher aber haben die Königinnen nun das notwendige Protein um daraus mehr Eier zu produzieren?[/font]

Ist das wirklich die Frage? Die Anzahl an Arbeiterinnen wurde ja eben konstant gehalten und damit auch die Zufuhr an Proteinen. Sollte die Frage dann nicht eher lauten: Wieso können die Königinnen plötzlich mehr Proteine verwerten und somit mehr Eier legen?
Wenn ich mich richtig erinnere ist es bei manchen Termiten ja auch so, dass der gesamte Eilegeapparat der Königin weiterwächst und somit einfach mehr Masse da ist um Eier zu legen. Gibt es da irgendwelche Untersuchen im Bezug auf die Anzahl und Größe der Ovarien(bzw. Ovariolen) im Laufe eines Königinnen-Lebens? Ich meine die Anzahl bleibt immer gleich.... aber vielleicht werden diese auch mit der Zeit größer?



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Streaker87
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#5 AW: Fertilität von Ameisenköniginnen wächst mit ihrem Alter

Beitrag von Streaker87 » 20. April 2012, 00:32

Ich bin dennoch beeindruckt, was man aus den Daten einer C. fellah Kolonie alles rausholen kann :D

Mit jedem Halbjahr/Quartal legt die Kolonie noch mal einen drauf (anhand der Steigungen zu erkennen). Es ist schon klar, dass die Kolonie immer größer wird, aber durch das Normieren wird sozusagen die Potenz der Kolonie sichtbar, da die Steigungen nun vergleichbar sind.
In diesem Beispiel sind zwar die Arbeiterinnen aufgeführt, aber die müssen ja auch irgendwo her kommen (-> Ei).

Bild
[size=75]Halbjährliches Koloniewachstum (auf Null normiert)[/SIZE]

Bild
[size=75]Vierteljährliches Koloniewachstum ([/SIZE][size=75]auf Null n[/SIZE][size=75]ormiert)
[/SIZE]
@The_Paranoid:

Bzgl. Deines Kommentars an Merkur.

Ich hätte jetzt auch eher eine zweite Proteinquelle vermutet (z.B. Eier). Deiner Aussage nach würde die Gyne am Anfang die Proteine nicht vollständig verwerten. Warum sollte sie dies nicht tun? Wenn ich davon ausgehe, dass ihre Verwertung immer maximal effizient ist, wie kann diese dann zunehmen, wenn die Proteinmenge dieselbe ist (= konstante Zahl an Arbeiterinnen)? Im ersten Abschnitt der Diskussion steht: "The fate of eggs has not been examined in our study." Vermutlich bezieht sich das aber auf die Entwicklung und nicht auf ein "Verschwinden" der Eier.




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