Irgendwie beruhigen mich deine Mitteilungen. Das wichtigste ist, dass du sie nicht aus einem funktionierenden Nest entnommen hast. Das hab ich einmal ganz am Anfang gemacht, da wusste ich noch garnicht, wie die Gründung funktioniert. Als ich das im alten SEIFERT nachgelesen hatte, hab ich die
Gyne nach 2 Tagen schleunigst zurückgebracht u. alles ist noch einmal gut gegangen.
Der Schwärmtermin Ende Juni wäre ein extrem früher. Beim neuen SEIFERT steht, dass Alate ab E6 vorhanden sind, dass sie aber von
M7 - A9 schwärmen. Das trifft sich genau mit meinen Erwartungen, die Imagines müssen ausfärben und "ausreifen" bis sie ab Mitte Juli mit dem Schwärmen beginnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei euch so viel wärmer sein soll, als bei uns. Aber egal, es ist nun einmal so wie es ist.....
Aber die Gründungsprobleme sind noch keineswegs gelöst:
1. Die
Polyergus Gyne ist keineswegs so robust wie etwa eine
Gyne d. Waldameisen, die oft von Dutzenden Angreiferinnen attackiert wird u. dann munter weiterläuft, wie hier dokumentiert:
http://www.ameisenforum.de/fotoberichte ... 40553.html. Ich vergesellschafte nur mehr mit frisch geschlüpften Formicas.
Sie kann zwar einige Arbeiterinnen töten, ist aber selbst recht verletzlich. Länger andauernde Attacken v. Arbeiterinnen können nach 1, 2 Tagen zum
unerwarteten Tod führen.
2. Also, mit
F. rufibarbis hätte ich sie nicht vergesellschaftet, das kann mitunter böse Folgen haben (siehe meinen Bericht). Leichter ist es mit F. fusca od. F. cunicularia.
3. Da es sich um ein Vollweibchen handelt (vgl.:
http://www.ameisenforum.de/fotoberichte ... 33281.html), müsste jetzt eine Gründung möglich sein, sofern die
Gyne gesund ist und die Haltungsbedingungen stimmen.
4. Eine Eiablage sollte auf alle Fälle bald beginnen u. kann bereits im Herbst zu zahlreichen Amazonen führen.
Aber: Jetzt beginnt eine kritische Phase, die ich seit Jahren durch vorzeitige Freisetzung umgehe. Du musst damit rechnen, dass die schlüpfenden Amazonen von den Hilfsameisen reihenweise getötet werden. Das haben die Autoren HELLER u. ZWAHLEN nachgewiesen und ich hab es auch schon erlebt.
5. Die Population muss dringend aufgestockt werden, je reibungsloser desto besser, weil die
Gyne für die Aufzucht u. Ernährung d. Amazonen reichlich Hilfskräfte benötigt. Wenn du jetzt ca. 10 Arbeiterinnen dabei hast, kannst du gleich zwei, drei Dutzend Arbeiterinnen-
Puppen dazugeben. Und dann schrittweise steigern....
6. Vor einer Freisetzung - das könnte, wenn alles glatt läuft - Anfang Sept. der Fall sein, sollten im Nest mindestens 500 Hilfsameisen vorhanden sein. Ich setze meist erst mit etwa 1000 Hilfsameisen frei, weil die Überlebenschance des Nestes einfach größer ist. Im Sept. kann sich das Volk noch Nahrungsquellen erschließen und Fettreserven für den Winter anfressen.
7. Eine Überwinterung würde ich eher vermeiden (schon um das Abtöten d. schlüpfenden Amazonen zu verhindern).
8. Das Areal für die Freisetzung muss sorgsam ausgewählt werden: Ein sonniges, trockenes Areal, möglichst ohne Menschen u. bevorstehender Bautätigkeit. Innerhalb eines Umkreises von 100m darf keine weiteres Polyergus-Nest vorhanden sein. Keine aggressiven Ameisen in einem Abstand v. 10m (einige Lasius-Arten, Waldameisen, Camponotus ligniperdus z. B. töten mit Vorliebe Amazonen....) ....und es sollten in der Umgebung etliche Serviformica-Nester vorhanden sein.
Du siehst, du hast die Verantwortung für ein sehr aufwendiges Projekt übernommen - wenn du die Sache ernst nimmst!
Ich wünsche viel Erfolg u. wenns geht ständige Berichte. Vielleicht besser
keinen Haltungsbericht, sonst fühlen sich viell. plötzlich zahlreiche user berufen, das selbe zu probieren und sind dann mit Spaten u. Spitzhacke unterwegs......
....und veröffentliche deinen genauen Fundort
nicht!
L. G. Boro