Wie lässt sich die Koloniegröße sinnvoll kontrollieren?

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Streaker87
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#1 Wie lässt sich die Koloniegröße sinnvoll kontrollieren?

Beitrag von Streaker87 » 3. Januar 2013, 21:10

chris1994 hat geschrieben:Wenn die Kohlehydrat und Wasserversorgung gesichert ist, können Ameien ca. 1 Woche ohne Proteine auskommen (kommt auf die Larvenmenge an).
Könntest Du diese Behauptung noch etwas ausschmücken? Hast Du es selbst getestet? An welcher Art? Was passiert, wenn man über einen viel längeren Zeitraum (z.B. 4 Wochen) keine Proteine füttert?

Diskussion aus diesem Thema abgezweigt: Proteinshake ameisentauglich?

Mögliche Faktoren, die man ändern könnte, um das Koloniewachstum zu beeinflussen:

1) Wasser

> Hat Auswirkung auf Arbeiterinnen, Königin und Brut
- Ein Ausbleiben von Wasser kann binnen weniger Stunden/Tage zum Massensterben führen, angefangen bei den Minor-Arbeiterinnen (
Bsp.: #42). Dies macht sich durch eine erhöhte Aktivität in der Arena bemerkbar. Die Arbeiterinnen suchen nach Wasser
=
Regulierung der Koloniegröße durch Wasser fällt weg, da sich diese recht schnell auf das Überleben der Arbeiterinnen auswirken kann

2) Kohlenhydrate

> Hat Auswirkung auf Arbeiterinnen und Königin
- Brut wird hauptsächlich mit Proteinen gefüttert, ist daher nicht betroffen
- Ein Ausbleiben von Kohlenhydraten kann erst nach mehreren Tagen zum Sterben von Arbeiterinnen führen. Dies macht sich durch eine erhöhte Aktivität in der Arena bemerkbar. Die Arbeiterinnen suchen nach Nahrung
= Regulierung der Koloniegröße durch Kohlenhydrate fällt ebenfalls weg, da sich diese recht schnell auf das Überleben der Arbeiterinnen auswirken kann

3) Proteine

> Hat Auswirkung auf Königin und Brut
- Larven brauchen Proteine zum wachsen, die Königin um Eier zu legen
- Ein Ausbleiben von Proteinen kann zum Wachstumsstopp bei den Larven führen. Im schlimmsten Fall kann ein Teil der Brut gefressen werden um anderen das Wachsen zu ermöglichen.
- Die Königin kann das Legen von Eiern einstellen.
- Der Proteinmangel macht sich durch eine erhöhte Aktivität in der Arena bemerkbar. Die Arbeiterinnen suchen nach Nahrung
= Gutes Mittel um die Koloniegröße zu regulieren, ohne direkt das Leben der Arbeiterinnen oder gesamten Kolonie zu gefährden

4) Temperatur

> Hat Auswirkung auf Königin und Brut, indirekt auf Arbeiterinnen, wenn diese als "Temperaturfühler" in Betracht kommen (Arbeiterinnen bestimmen Brutaufzucht, ...)
- Eine niedrige Temperatur verlangsamt das Wachstum der Larven kurzzeitig
, oder stellt es komplett ein, wenn ein Mindestwert unterschritten wurde (Einläuten der Diapause, Larven stoppen Wachstum und dicken sich ein)
- Eine niedrige Temperatur kann auch den Stoffwechsel der Ameisen senken, allerdings müsste die wohl soweit sinken, dass auch die Brutaufzucht eingestellt würde
= Gutes Mittel um die Koloniegröße über einen kurzen Zeitraum zu regulieren, ohne direkt das Leben der Arbeiterinnen oder gesamten Kolonie zu gefährden

Tauglichkeit der einzelnen Faktoren nach Effektivität und minimaler Gefährdung der Kolonie:

Proteine > Temperatur > Kohlenhydrate > Wasser




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Padde
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#2 AW: Proteinshake Ameisentauglich?

Beitrag von Padde » 3. Januar 2013, 21:47

Also eine Kolonie ohne Brut braucht über längeren Zeitraum kein Protein.
Meine Formica ohne Königin bekommt sehr selten feste Nahrung und trägt diese auch nicht ein.

Schätze für die normale Entwicklung ist die Fastenzeit sehr nachteilig für die Brut.



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chris1994
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#3 AW: Proteinshake Ameisentauglich?

Beitrag von chris1994 » 3. Januar 2013, 22:56

Hallo Streaker

Dann will ich mal ausschmücken:

Richtig experimentell habe ich das nicht getestet. Bei meinen Formica fusca, als diese nur 300 Arbeiterinnen hatte, habe ich über eine Woche täglich zwei mittlere Heimchen verfüttert und sie dann eine Woche mit Wasser und Honigtränke allein gelassen und es war keine Beeinträchtigung der Brut zu erkennen. Weder auffälliger Brutfrass noch eine Einschränkung bei der Anzahl neu gelegter Eier.

Ähnlich bin ich bei Formica sanguinea mit ebenfalls 300-400 Arbeiterinnen vorgegangen.

Was ich vor allem mit meiner Aussage hervorheben wollte war, dass im Vergleich zu Wasser und Kohlehydrate ein Aussetzen der Proteinfütterung für eine Woche keine grossen Auswirkungen hat. Ausserdem wollte ich darauf hinweisen, dass eine "Vorrausfütterung" gut möglich ist.

Wenn ich bei einer meiner Kolonien das Wasser vergesse nachzufüllen, sind die Tiere nach 1-2 Tagen sehr nervös und suchen in der ganzen Arena nach Wasser. Wenn die Honigfütterung ausgesetzt wird, sind nach 3-4 Tagen Anzeichen von Suchverhalten zu beobachten. Im Vergleich wenn sie gut mit Protein gefüttert wurden, beginnen die Tiere meisst erst nach 1 Woche danach zu suchen.

Was bei einem Zeitraum von über einer Woche ohne Proteinfütterung passiert weiss ich nicht. Darauf habe ich es nie ankommen lassen.

MfG
Christian


Bei mir in Haltung: Lasius niger(> 1000 A.), Formica fusca (400-500 A.), Formica sanguinea (300-350 A.) Camponotus ligniperdus(35 A.), Temnothorax unifasciatus (1 A)

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Streaker87
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#4 AW: Proteinshake Ameisentauglich?

Beitrag von Streaker87 » 4. Januar 2013, 12:35

chris1994 hat geschrieben:Bei meinen Formica fusca, als diese nur 300 Arbeiterinnen hatte, habe ich über eine Woche täglich zwei mittlere Heimchen verfüttert [...] und es war keine Beeinträchtigung der Brut zu erkennen. Weder auffälliger Brutfrass noch eine Einschränkung bei der Anzahl neu gelegter Eier.

Ähnlich bin ich bei Formica sanguinea mit ebenfalls 300-400 Arbeiterinnen vorgegangen.
Ich weiß ja nicht wie viel Du normalerweise fütterst, aber ich gebe nur drei mittlere Heimchen pro Woche auf 3.000 Arbeiterinnen (Camponotus fellah). Die Brutmenge beläuft sich auf 1500 Larven (#42). Seit über zwei Wochen habe ich keine Futtertiere mehr im Haus und demnach auch nicht gefüttert. Bevor sich ein Rückgang der Brutmenge erkennen lässt (z.B. durch Brutfraß), müsste das Volumen der Gastern der Speichertiere sichtbar abnehmen.
chris1994 hat geschrieben:Was ich vor allem mit meiner Aussage hervorheben wollte war, dass im Vergleich zu Wasser und Kohlehydrate ein Aussetzen der Proteinfütterung für eine Woche keine grossen Auswirkungen hat. Ausserdem wollte ich darauf hinweisen, dass eine "Vorrausfütterung" gut möglich ist.
Da kann ich nur zustimmen. Ein Aussetzen von Wasser und Kohlenhydraten ist weit aus problematischer als wenn man die Proteinzufuhr kappt. Kohlenhydrate füttere ich spätestens nach einer Woche, dieser Zeitraum scheint die Kolonie nicht großartig zu stören, allerdings sterben Ameisen wie die Fliegen, wenn sie innerhalb von 24 Stunden kein Wasser bekommen. Alles in Bezug auf eine Größe von 3.000 Individuen
chris1994 hat geschrieben:Was bei einem Zeitraum von über einer Woche ohne Proteinfütterung passiert weiss ich nicht. Darauf habe ich es nie ankommen lassen.
Würde ich aber gerne, weil ich nicht verstehen kann, wie man Kolonien pro Tag fünf Heimchen unterschieben kann. Am Anfang träumt wohl jeder Halter von Dem Gewusel, aber ist es erst mal da, hat man ein Problem. Dann werden Kolonien wieder verhökert. Das erkennt man daran, dass kaum Haltungsberichte existieren, die über einen längeren Zeitraum laufen (sagen wir mal drei Jahre).

Mir geht es in erster Linie um ein gesundes Maß an Geburtenkontrolle, und die kann nur über die Brut laufen. Eine Kontrolle der Temperatur (Nestheizung aussetzen) ist nicht wirkungsvoll genug, weil die Zeit bis zum Schlupf nur gedehnt wird (#36). Ein Absenken erfordert entweder aktive Kühlmaßnahmen oder den Eintritt in die Diapause, was auch nicht das Ziel sein kann. Also bleiben nur die Proteine. Würde bei einem Mangel ein Teil der Brut geopfert, wäre für mich diese Form der Kontrolle nicht hinnehmbar. Aber bisher sehe ich es als einzige, gesunde Möglichkeit an eine Ameisenkolonie klein zu halten ohne den Tieren zu schaden. Meine Hypothese ist, wenn keine Futtertiere gefunden werden, kommt das einer Diapause gleich, die Larven wachsen einfach nicht mehr. Solange die Larven eine gewisse Größe nicht überschreiten, werden sie sich auch nicht verpuppen. Hinzukommt, dass weniger Proteine bei der Gyne landen und diese hoffentlich weniger Eier legt, woraus weniger Larven resultieren, die durchgefüttert werden müssen.

Es gibt auch einige andere Camponotus Kolonien im Forum, die nach über vier Jahren nicht mehr als 300 Individuen zähl(t)en, aber gewiss nicht die 1.000 Marke geknackt haben.

Camponotus substitutus ssp. - Haltungserfahrungen
Camponotus substitutus - Haltungserfahrungen
Camponotus ligniperdus - Haltungserfahrungen

Ich werde das Thema bald spalten, weil wir vom eigentlichen Thema abweichen, ich die Diskussion aber gerne weiter führen würde.




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chris1994
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#5 AW: Proteinshake Ameisentauglich?

Beitrag von chris1994 » 4. Januar 2013, 13:16

Streaker87 hat geschrieben:Ich weiß ja nicht wie viel Du normalerweise fütterst, aber ich gebe nur drei mittlere Heimchen pro Woche auf 3.000 Arbeiterinnen (Camponotus fellah).


Normalerweise füttere ich bei 300-400 Tieren (Formica fusca), ebenfalls 2-3 kleine-mittlere Heimchen. Nur wenn ich eben für eine Woche weg bin, füttere ich in der Woche davor mehr. Bei Formica fusca ist vorallem zu beobachten, dass sie sehr viel eintragen. Ich vermute, dass sie von den eingetragenen Futtertieren noch länger als eine Woche ohne Proteine auskommen. Zu sagen wäre noch, dass ein mittleres Heimchen bei mir ca. 1cm gross ist.

Bis jetzt habe ich noch nicht versuche das Koloniewachstum zu regulieren.
Ich stelle aber fest, dass bei meinen Lasius niger (ca. 1500 Arbeiterinnen) die Ausbruchsversuche stark zunehmen wenn nicht genug Nahrung in irgend einer Form da ist.

Bei Formica sanguinea konnte ich die Auswirkung reduzierter Proteinfütterung gut beobachten. Beim Zoohändler waren die Futtertiere alle und so musste die Kolonie 2 Wochen von den paar Fliegen leben die ich so fing. In der Zeit wurden keine Eier gelegt. Als wieder etwas mehr gefüttert wurde, war sofort ein Eierpacket da.

Ich wage die vorsichtige Behauptung, dass die Gyne auf Veränderungen in der Proteinzufuhr reagiert. Bei gleichbleibender Fütterung, egal ob viel oder wenig, hat die Gyne immer Eier gelegt, mal mehr mal weniger aber konstant. Bei abruptem Proteinaussetzen wurden plötzlich gar keine Eier mehr gelegt und als die Proteinfütterung wieder auf dem gleichen Level war wie vorher, kam ein bedeutend grösserer Eierschub als die Zeit davor.

Bei mir reagieren besonderst die Camponotus ligniperdus sehr empfindlich auf Proteindiät. Die Kolonie hat 35 Tiere und wurde mit einem mittleren Heimchen pro Woche gefüttert. Wenn dieses Heimchen ausblieb, wurde sofort ein Teil der Larven gefressen.

Die Diskussion über dieses Thema finde ich spannen und würde auch andere Halter bitten etwas von ihren Erfahrungen hier beizutragen.

MfG
Christian


Bei mir in Haltung: Lasius niger(> 1000 A.), Formica fusca (400-500 A.), Formica sanguinea (300-350 A.) Camponotus ligniperdus(35 A.), Temnothorax unifasciatus (1 A)

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Padde
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#6 AW: Proteinshake ameisentauglich?

Beitrag von Padde » 4. Januar 2013, 13:43

Ich bin schon recht erstaunt wenn ich lese, dass ihr nur 2-3 Heimchen in der woche füttert, da ich bei meiner Kolonie wesentlich mehr verfüttert habe!
Spreche hier von Formica cunicularia mit ca 500 Arbeiterinnen.

Habe alle 2-3 Tage 4-5Heimchen oder kleine Larven verfüttert, wurde alles gierig eingetragen und im Nest verarbeitet, wollte die Kolonie natürlich nicht klein halten sondern erstmal groß werden lassen.

Wäre auch dafür das Thema zu spalten!



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chris1994
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#7 AW: Proteinshake ameisentauglich?

Beitrag von chris1994 » 4. Januar 2013, 13:56

Hallo Padde


Das Eintrageverhalten der Formica-Arten hat mich dazu gebracht weniger zu füttern als bei den anderen Arten. Wenn bei meinen Formica fusca genug Futtertiere verfügbar waren, wurden diese sofort eingetragen, lagen oft lange in irgend welchen Kammern und sorgten für Schimmel. Sobald weniger gefüttert wurde und deshalb bedeutend mehr Tiere an der Verarbeitung des Futtertiers beteiligt waren wurde eher an Ort und Stelle gefressen und das Futtertier auch besser zerlegt und endsorgt.


MfG


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#8 AW: Proteinshake ameisentauglich?

Beitrag von Padde » 4. Januar 2013, 14:01

Mit Schimmel im Nest hatte ich nie Probleme, kann aber auch Glück gewesen sein!
Wobei schon recht lange einige Reste rumgelegen haben.



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