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Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Nachrichten aus den Medien und der Wissenschaft.
st.pa
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#25 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von st.pa » 8. Juni 2013, 02:21

Am Saale-Radwanderweg bei Camburg steht der Wiesenstreifen und
dieser Grashalm seit etwa 5-6 Tagen (beim Hochwasserscheitel auch
kurz (wenige Stunden) komplett der Länge nach) unter Wasser, es gibt
noch keine Verbindung zum trockenen Ufer, das Hochwasser geht nur
sehr langsam zurück. Etwa ein dutzend Arbeiterinnen hocken in einer
Traube oben an einem hohen Grashalm. Nochmal so viele sind unterwegs
und erkundschaften benachbarte Grashalme, die größtenteils noch
komplett unter Wasser stehen. Möglicherweise sind sie alle angespühlt
worden? Habe ungefähr fünfzig Photos davon gemacht, leider ist kein
einziges davon richtig scharf geworden. Art nicht bestimmt.

Bild


Nachtrag zu dem Erdnest von Lasius cf. flavus von vor ein paar Tagen:
Auf diesem Bild vom 4.6.'13 ist kaum Aktivität an den Ein-/Ausgängen
festzustellen, Reparaturen scheinbar abgeschlossen, sieht wesentlich
ameisiger aus, sprich kleine Dreckklümpchen statt matschiger Schlamm.

Bild


Ein anderes Erdnest der selben Art, diesmal an einem Baum, stand länger
und tiefer unter Wasser, und ist erst seit vergangener Nacht wieder
trocken. An der Stelle herrschte tagelang bei Hochwasser auch ordentlich
Strömung, kann man eventuell auch an den Pflanzen noch erkennen. Hier
herrscht emsiges Gewusel, Reparaturarbeiten sind im Gange. Davon
abgesehen scheint es der Kolonie gut zu gehen.

Bild



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erix
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#26 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von erix » 8. Juni 2013, 05:44

Hallo Master001

Die Frage nach den Überschwemmungsfolgen einmal aus Ameisensicht zu stellen ist durchaus interessant. Die Beobachtung von Schäden durch Umweltereignisse (z.B. die Folgen von Sturm Lothar auf umgeworfenen Waldflächen) ist eine wissenschaftlich dankbare Fragestellung.

Ich vermute nach einigem Nachdenken, dass viele Ameisenvölker auch eine mehrere Tage andauernde, meterhohe Überschwemmung überleben können. Die Ameisen leben ja in kleinen, verzweigten Hohlräumen im Erdreich. Wird dieses erst vom Regen langsam durchnässt und dann vom Hochwasser überflutet, so bildet die obere, bereits durchnässte Erdschicht, ein Hindernis für das Entweichen der Luft nach oben. Es bleiben also auch bei einer Überflutung viele kleine Luftkammern im Boden erhalten, selbst dann, wenn das Wasser mehrere Meter hoch steht. Die Luft wird lediglich wie in einer Taucherglocke je nach Wassertiefe komprimiert, bleibt aber im Boden gefangen. Die Physik in den kleinen Dimensionen der Ameisengänge spielt deutlich anders, als z.B. in den Grössenordnungen eines Bergwerkes oder Höhlensystems.

Da Ameisen nicht nur beeindruckende Aktivitäten zeigen können, sondern ebenso auch als sehr ausdauernde Nichtstuer auffallen, ist ihr Sauerstoffbedarf in einem überschwemmten Nest sehr gering. Die tun einfach nichts und warten ab, bis es wieder etwas zu tun gibt, so wie sie es den ganzen Winter über taten. Ich kann mir deshalb gut vorstellen, dass vielerorts unter den Wasserflächen, die wir in den Katastrophenbildern sehen, Ameisenvölker auf Tauchstation liegen und erfolgreich auf bessere Zeiten warten. Es wäre nun wirklich reizvoll, zu überprüfen, ob dies tatsächlich so ist, wenn das Wasser zurückgeht. Wer macht daraus eine Abiturarbeit?

Gruss: erix



st.pa
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#27 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von st.pa » 8. Juni 2013, 11:05

erix hat geschrieben:Die Ameisen leben ja in kleinen, verzweigten Hohlräumen im Erdreich. Wird dieses erst vom Regen langsam durchnässt und dann vom Hochwasser überflutet, so bildet die obere, bereits durchnässte Erdschicht, ein Hindernis für das Entweichen der Luft nach oben.


An vielen Stellen flußabwärts kommt das Hochwasser aber auch von anderswo erst an, wenn es dort gar nicht gerade geregnet hat. Und in dem nützlichen Link von etwas eher aus diesem Thema kann man auch genau das nachlesen, da stehen auch Meßwerte zu Kohlendioxidgehalt der Nestluft und so weiter:
Roter Baron hat geschrieben:Hier ein pdf, in dem ein paar Überlebensstrategien angeführt sind.
http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/MyrmeNews_002_0035-0041.pdf


Im Ameisenwiki habe ich auch noch folgenden Link gefunden: http://www.myrmecologicalnews.org/cms/images/pdf/volume14/mn14_113-121_non-printable.pdf (Nielsen, M.G. 2010: Ants (Hymenoptera: Formicidae) of mangrove and other regularly inundated habitats: life in physiological extreme. - Myrmecol. News 14: 113-121; Online Earlier 19 November 2010; non-printable)

erix hat geschrieben:dass vielerorts unter den Wasserflächen, die wir in den Katastrophenbildern sehen, Ameisenvölker auf Tauchstation liegen und erfolgreich auf bessere Zeiten warten. Es wäre nun wirklich reizvoll, zu überprüfen, ob dies tatsächlich so ist, wenn das Wasser zurückgeht.


Wie würde man das rein theoretisch anstellen? Angenommen, ich will jetzt konkret heute überprüfen, ob da eine Luftblase in einem Nest irgendwo in dem überschwemmten Gebiet ist? Mein Gedankengang ist irgendwie so: Sandsäcke, Minibehelfsdeich, Pumpe, Trockenlegen, Buddeln, Gucken. Oder einfacher, klarsichtigen Eimer mit Luftblase darin umgekehrt auf überfluteten Boden stellen, verankern oder was schweres drauf tun damit er nicht zur Boje wird, abwarten und gucken ob jemand aus dem Boden gekrochen kommt. Falls ja, wird es mit der gerade ersonnenen Eimermethode wohl recht schwer werden, welche zur Bestimmung einzusammeln... Also ich habe keine spezielle biologische oder ökologische Ausbildung und nicht viel Ahnung von Feldarbeit, wäre auch dankbar für Tips und Techniken in der Richtung.



DermitderMeise
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#28 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von DermitderMeise » 8. Juni 2013, 15:55

Hallo,
ein interessantes Thema! Jedenfalls die wissenschaftliche Seite, die Konsequenzen für Land und Leute lassen deutlich weniger Enthusiasmus aufkommen.
st.pa hat geschrieben:Mein Gedankengang ist irgendwie so: Sandsäcke, Minibehelfsdeich, Pumpe, Trockenlegen, Buddeln, Gucken.
Wird leider nicht zufriedenstellend funktionieren, das Graben in nassem Boden führt dazu dass luftgefüllte Hohlräume verschlossen werden sobald die Luft oder andere Gase entweichen können. Außerdem unverhältnismäßig viel Arbeit... ;)
Oder einfacher, klarsichtigen Eimer mit Luftblase darin umgekehrt auf überfluteten Boden stellen, verankern oder was schweres drauf tun damit er nicht zur Boje wird, abwarten und gucken ob jemand aus dem Boden gekrochen kommt.
Ist technisch schwierig umzusetzen und der Boden bleibt wassergesättigt, weil das Wasser von nebenan nachfließen kann.

Die einzige Lösung für die Feldarbeit bei der sich das Verhältnis Aufwand und Ergebnis m. E. rechtfertigen ist:
- in Gebiete gehen die wenige Stunden überflutet waren und nachgucken was hervorkriecht
- in Gebiete gehen die einige Tage überflutet waren und nachgucken was hervorkriecht
- in Gebiete gehen die viele Tage bis einige Wochen überflutet waren und nachgucken was hervorkriecht
und ein paar Notizen machen.
Der Königsweg wäre vorher gewusst zu haben wie es dort myrmeko-besiedelungstechnisch ungefähr aussah.

Wie erix denke ich auch dass die Ameisen ganz gut überleben können wenn die Überflutung nicht mehrere Wochen andauert; erdlebende Ameisenarten sind "dafür gemacht" ein bisschen mehr CO2 zu tolerieren und durch die gute Wasserkühlung dürfte die Temperatur in den Luftblasen auch recht niedrig bleiben - die daraus folgende geringe Stoffwechselaktivität ist ebenfalls Voraussetzung für ein langes Aushalten. Es hängt damit entscheidend an der Zeitkomponente - je mehr Zeit vergeht, desto weniger Sauerstoff ist vorhanden und mehr CO2 + andere Gärungs-Gase sammeln sich.
Für die Ameisen ist das wahrscheinlich auch gar nicht so besonders: es passiert hier in Mitteleuropa mehrmals im Jahr, dass der Boden viele Tage hintereinander durchnässt ist und damit fast luftdicht. Ob darüber dann ein Zentimeter Wasser steht oder ein Meter interessiert eher Tiere einer Größenordnung die sich zwischen Gummistiefel und Wathose entscheiden müssen. ;)

Diese Frage hatte ich mir in meinem schon älteren Marokko-Bericht auch gestellt, dort nisteten u. a. Cataglyphis am Rand eines Flusses, der anscheinend zur Schneeschmelze ein deutlich größeres Flussbett beansprucht (Bilder 22-24) - so etwas düfte auch ein paar Tage bis Wochen andauern.



st.pa
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#29 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von st.pa » 8. Juni 2013, 17:12

DermitderMeise hat geschrieben:Die einzige Lösung für die Feldarbeit bei der sich das Verhältnis Aufwand und Ergebnis m. E. rechtfertigen ist:
- in Gebiete gehen die wenige Stunden überflutet waren und nachgucken was hervorkriecht
- in Gebiete gehen die einige Tage überflutet waren und nachgucken was hervorkriecht
- in Gebiete gehen die viele Tage bis einige Wochen überflutet waren und nachgucken was hervorkriecht
und ein paar Notizen machen.


Habe ich schon fast befürchtet, trotzdem danke für den Tip. Alternativ fällt mir jetzt nur noch ein, mein Formikarium spaßenshalber zu fluten und zu gucken was passiert ... Nehme mal an, wenn jemand tatsächlich wissenschaftliche Aussagen zu dem Thema treffen wollte, bliebe auch nicht viel mehr übrig als unter Laborbedinungen ein mit massenweise Sensoren gespicktes Nest vor laufender Kamera in den Strömungskanal zu stellen und zu fluten und dann allerlei softwärmäßige biometrische Bilderkennung etc. durchzuführen um die konkreten Überlebenstrategien der einzelnen Arten zu dokumentieren, Gasproben aus der Nestluft zu nehmen, massenspektrometrisch zu gucken wieviel CO2 drinne ist, usw.. Dann Versuchs- und Vergleichsreihen mit ungefluteten Kontrollnestern, verschieden lange Flutung, verschiedene Strömungen, was weiß ich, um dann die Überlebniskoeffizienten zu errechnen. Bin ich da auf dem richtigen Weg? Mal abgesehen von den offensichtlichen moralischen Aspekten bei der Gefährdung der eigenen Zöglinge...



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Wabuo
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#30 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von Wabuo » 8. Juni 2013, 21:17

Zum Thema ein Video von 3sat Nano...
http://www.3sat.de/mediathek/index.php? ... &obj=36730
Es sind ein paar schöne Bilder einer Myrmica spec. dabei.*

*Zustimmung! Aber auch dort werden "Ameiseneier" gerettet. ;) /DmdM


Ja ich hab Rechtschreibschwäche :irre: und leider sieht man das. Ich entschuldige mich hiermit für alle Rechtschreibfehler die es trotzdem bis zu euch schaffen.

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#31 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von DermitderMeise » 9. Juni 2013, 15:19

st.pa hat geschrieben:Bin ich da auf dem richtigen Weg?

Ja, du bist auf dem richtigen Weg; ein Massenspektrometer braucht man dazu nicht, trotzdem hast du die Komplexität eines solchen Vorhabens richtig eingeschätzt. Deswegen am besten weitermachen wie bisher - rausgehen, Kamera mitnehmen, evtl. ein paar Notizen machen und darüber berichten! Auch so lassen sich wertvolle Daten gewinnen. :)



st.pa
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#32 AW: Auswirkung von Ãœberflutung und Regen

Beitrag von st.pa » 9. Juni 2013, 17:22

Okay, was soll's, hier also weitere Aufnahmen, wieder am Saale-
Radwanderweg, diesmal an einer Böschung bei einer Kleingartenanlage
in der Flußaue. Der Fleck stand sieben Tage unter Wasser. Heute hatte
es wieder frisch geregnet, Boden noch klatschnaß. Wenige cm über der
zurückweichenden Hochwasserkante. Bin Anfänger, würde aber mal auf
Myrmica cf rubra tippen, einfach weil die recht häufig ist, und Seifert
nennt sie in Die Ameisen Mittel- und Nordeuropas als "Nach M. gallienii
am besten an Überflutungen angepaßt." Bilder von jeweils verschiedenen
Individuen, die vereinzelt um das freigespühlte und erst seit wenigen
Stunden wieder trocken gelegene Erdnest herumstreiften. Im letzten
Bild transportiert eine Überlebende den Kadaver einer mutmaßlichen
Artgenossin, eine weitere hängt tot am Grashalm.

Bild

Bild

Bild

Bild

Die Bilder habe ich alle dem Ameisenwiki hochgeladen, falls sich was mit den Namen oder Links ändern sollte liegt's am Wiki.
Ãœbrigens, den Pegelstand bei mir kann man hier nachschauen: http://www.tlug-jena.de/hw/57033.0_w.html

Nachtrag zum vorletzten Bild: in einer der ausgespühlten Kammern liegt ein toter
(oder sterbender) Wasserbewohner, den ich grad nicht beim Namen nennen kann,
vielleicht ein Wasserfloh oder Flußkrebs oder Garnele oder was weiß ich (es gibt
tatsächlich nur ein paar 100m flußaufwärts einen Fischereibetrieb mit Zuchtteichen,
die wohl auch überschwemmt waren), und in der relativ mittigen Kammer bilde ich
mir ein, eingeschlammte Larven zu erkennen. Jedenfalls war die Strömung dort
ziemlich derb, man sieht auch irgendwelche freigelegten Wurzelknollen. Keine
Ahnung, ob das überhaupt ein Nest dieser Art gewesen ist, hab noch keinen
konkreten Querschnitt davon gesehen?, könnte auch alles mögliche andere sein?,
zum Beispiel von solchen Wurzelknollen einer ehemals dort stehenden Pflanze?
Wo finde ich Nestquerschnitte oder -modelle nach Arten sortiert? Im letzten Bild
sind jedenfalls auch kleine Ein-/Ausgangslöcher im Boden zu erkennen, das läßt
vermuten, daß die Ameisen tatsächlich irgendwo dort gewohnt haben.



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