Geschlechtstiere v. Polistes dominula syn. dominulus

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#9 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Gast » 10. August 2011, 16:53

Wiederum tolle Bilder! Herzlichen Glückwunsch, Boro!

MfG,
Merkur



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Boro
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#10 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Boro » 12. April 2012, 14:18

Nestgründung v. Polistes dominulus Ende März/Anfang April

Das ist ein recht früher Gründungszeitpunkt. Der übermäßig warme März hatte eine rasche Vegetationsentwicklung zur Folge, der Rückstand als Folge des kalten Februars wurde wettgemacht und der phänologische Frühjahrsbeginn vorzeitig erreicht. Vorwiegend kleine Raupen von Schmetterlingen dienen Polistes als Basis für die Brutaufzucht.
Bild

Man sieht deutlich die ersten Zellen, die an einem Stielchen befestigt sind. Die Basis des Stielchens ist stark verbreitert, um die nötige "Standfestigkeit" zu erreichen. Das Baumaterial besteht aus einem papierartigen Material, welches von Totholz, vertrockneten Halmen etc. abgeschabt und mit Speichel vermischt zu einer formbaren Masse geknetet wird.
Jedes Jahr öffne ich die Giebelabdeckung meines Gewächshauses um die vorjährigen Nester abzunehmen. Somit wird wieder günstiger Raum für neue Nestgründungen geschaffen. Die alte Wabe wird nie ein zweites Mal verwendet, äußerst selten findet man in geschlossenen Räumen (Dachböden) eine zweite Wabe, die auf der alten befestigt wurde. 2011 habe ich die Rangkämpfe der Gynen um solche Nistplätze geschildert. Insgesamt hatte die Wabenoberfläche etwa die Größe einer männlichen Hand. Das ist sehr erstaunlich, weil die hiesige Nahrungsbasis denkbar schlecht erscheint: Fast ausschließlich "gepflegte" Gärten mit Golfplatzrasen, Obstbäumen und kaum Gemüsebeeten!
Insgesamt gab es 3 Nester, wobei 2 "zusammengewachsen" waren, d. h. mindestens jeweils 2 verschiedene reproduktive Gynen haben ihre benachbarten Nester schließlich zusammenwachsen lassen. Das kommt häufig vor, weil in unmittelbarer Nähe zueinander fast ausschließlich geschwisterliche Gynen ihre Nester bauen können.
Und wieder Spuren der parasitischen Latibulus argiolus, die ich im gleichen Thread schon vorgestellt habe. Von diesem Parasiten gibt es 2 Generationen: Eine [1.] Sommergeneration, wobei die parasit. Wespen durchschnittlich im Spätsommer schlüpfen und eine [2.] Wintergeneration, die innerhalb der normalen Zelldeckelung einen speziellen spindelförmigen, kartonartigen u. sehr widerstandsfähigen Kokon ausbildet, in dem die Tiere als Larven im verlassenen Nest von Polistes überwintern und u. U. Temperaturen von -20° aushalten müssen. Diese Larven in ihren Schutzkokons können sich bei entsprechenden Temperaturen bewegen, sie erzeugen klopfartige Geräusche in den Zellen und versuchen meiner Beobachtung nach die Zellabdeckung zu durchbrechen. Auch am Boden können sie sich "fortbewegen", durch ruckartige Kontraktionen im Kokon können sie sich ein paar cm wegrollen bzw. von Hindernissen wegstoßen. Vermutlich versuchen sie dadurch instinktgesteuert in Ritzen od. Hohlräume am Boden zu fallen, wo sie ebenfalls überwintern können. Der Spezialkokon übersteht auch Nässe.
Aber zurück zur Sommergeneration:
Hier fehlt die spindelförmige Kokonbildung vollkommen, sie befinden sich wie ihre Wirte als Ei, Larve und Puppe in der von Polistes errichteten Zelle. Sehr auffallend ist die prinzipell gelb-orange Färbung ihrer Zellabdeckung und auch der Zelleninnenwände. Diese Zellabdeckung unterscheidet sich auf den ersten Blick von jener der Wespen: Der Deckel verläuft als plane Fläche in spitzem Winkel nach unten verlaufend. Das fertige Insekt beißt die recht dünne Zelldeckelung durch und lässt sich einfach auf den Boden fallen.
Bild

Sehr deutlich sieht man die orange gefärbten Zelldeckel, die als plane Fläche steil nach unten führen. Das durchgenagte Loch lässt auf einerfolgreiches Schlüpfen v. Latibulus schließen.

Bild
Eine Zelle von Latibulus geöffnet: Auch die orange Innenfärbung der Zellwände ist gut zu erkennen. Dieses Exemplar muss deutlich kleiner als die Arbeiterinnen v. Polistes gewesen sein, da der Zellverschluss deutlich tiefer liegt.
L.G.Boro

Hier sind einige meiner alten Bilder einer Latibulus-Puppe: http://www.hornissenschutz.de/feldwespen.htm
Da hab ich ein altes Bild ausgegraben (v. links): Ãœberwinterte Larve v. Latibulus, Spezial-Kokon der Wintergeneration, eine tote Polistes dom., die im Winter auf dem Nest wohl erfroren ist.
Bild



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#11 AW: Geschlechtstiere v. Polistes dominulus

Beitrag von Boro » 23. August 2013, 20:37

Ungewöhnliches Nest v. Polistes dominula (syn. dominulus)
Polistes dominula, die häufigeste Polistes-Art in Mitteleuropa nistet hier (im Gegensatz zum Mittelmeerraum) nicht völlig ungeschützt im Freien. Übrigens auch im Gegensatz zu den anderen heimischen Polistes-Arten.
Ich beschäftige mich mit Polistes spp. zwischendurch immer wieder seit Jahrzehnten. Noch nie habe ich ein völlig ungeschütztes Nest dieser Art im Freien gefunden. Bevorzugte Nistplätze sind in erster Linie alte Dachböden (Warmdächer), aber auch Nischen im Mauerwerk, unter freien Dach- u. Holzkonstruktionen und manchmal unter schräg liegenden, größeren Steinen.
Heute habe ich das erste völlig ungeschützte Nest gefunden, urspr. wird es wohl in dem Metallrohr (Innendurchmesser etwa 4 cm, sollte wohl eine Ackergrenze darstellen) gebaut worden sein. Vermutlich wurde es dann infolge Platzmangels aus dem Rohr herausgebaut.
Nun, nachdem es bei uns seit 2 Monaten fast nicht geregnet hat, konnte es sich prächtig entwickeln.
Dabei sind ausnahmslos alle Polistes-Nestkonstruktionen auf der Oberseite mit einer Glasur versehen, welche die Königin (u. später die Arbeiterinnen) mit einer hervorgewürgten Flüssigkeit aufträgt. Diese schützt die Nester aller Polistes-Arten (auch wenn sie unter einem Dach bauen) vor Durchnässung. Die Nester der Echten Wespen besitzen diesen Schutz übrigens nicht!
1. Hier sieht man das etwas schräg stehende Rohr, aus dem das Nest "hervorragt":
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2. Das Nest von schräg hinten: Die erwähnte glänzende Glasur kann man wegen des dichten "Besatzes" kaum sehen. Die geringe Aktivität bei 26° C am Nachmittag zeigt deutlich, dass die Population bereits vorwiegend aus Geschlechtstieren (hier nur Weibchen) besteht, da herrscht oft dolce far niente!
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3. Blick (halbwegs) von vorne: Man erkennt, dass einige Zellen noch gedeckelt sind, eine wurde vor kurzem geöffnet u. eine wurde v. den Arbeiterinnen oberflächlich aufgenagt. Der Jahresrhythmus v. Poliste nähert sich dem Ende (im Gegensatz zu den Echten Wespen, da wird der Höhepunkt der Entwicklung erst im Sept./Okt. erreicht.
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L.G.Boro



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