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Lasius flavus Underground-Studie

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Sajikii
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#9 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von Sajikii » 12. April 2015, 09:19

Ein Gedanke zur flavus-Gründung:

Wenn man so in die Reagenzglas-Nester bzw. Beobachtungsnester sieht, erkennt man relativ schnell winzige, zarte, gelbe Pygmäen, die bei näherer Beobachtung interessante Bewegungen, die an einen Tanz erinnern, zeigen und bei zu großer Lichtstörung (Kontrolle) durch den Halter sich auch mal gerne unter der großen Gyne verstecken.
Man weiß, die flavus-Arbeiterinnen haben winzige Augen, sind nicht für das Leben auf der Oberfläche - in der grünen Hölle - gemacht und müssen sich vor anderen Ameisenarten oder Gefahren sputen. Meiner Meinung nach erinnern sie mich doch sehr an Termiten, sie sind in Wahrheit nur in ihrem Bau die Meister, und die selten geöffneten Ausgänge werden sonst standhaft abgewehrt... doch wehe sie setzen zum falschen Zeitpunkt ihre Beine auf die Oberfläche.

Da fragt man sich dann schon... wie funktioniert der erste Expansionsschritt einer im Untergrund verborgenen flavus-Gründerkolonie?

Die claustral gründende Gyne kann nicht ewig ihre Meute an Pygmäen ernähren. Meiner Meinung nach müssen es Futtereier sein, die die Gyne an die Pygmäen verabreicht... ich glaube nicht, dass eine Gyne bereits bei der Gründung, bei einer in der Nähe befindlichen Wurzellausherde annistet, woher auch.
Vor rund elf Jahren machte ich den Versuch, und wollte testen inwieweit eine Gyne im Stande ist, eine gewisse Anzahl an Pygmäen selbst zu erhalten. Unter strenger, fast täglichen Beobachtung (um die Gründerkolonie vor Nahrungsmangel zu bewahren), musste ich aber zusehen, dass immer mehr Pygmäen schlüpften und immer wieder neue Brut gelegt wurde. Nachdem es dann schon über zwanzig Pygmäen waren, konnte ich immer noch nicht erkennen, dass diesen Ameisen an Vitalität und Substanz fehlen würde. Ob das ein Einzelfall war, weiß ich nicht, aber es ist faszinierend.

Womöglich wird die claustrale Kammer ab einer gewissen Pygmäenanzahl erweitert. Im Erdreich leben ja sonst auch jede Menge kleinste Insekten, vlt. holen sie sich so ihr Proteinbedarf, obwohl eine aktive Jagd ja eher untypisch für diese Ameisen wäre. (und eine Expansion an die Oberfläche ist auch auszuschließen)
Es kann natürlich auch sein, dass sie instinktiv nach Wurzelläuse suchen, graben. Wer weiß, vlt. können sie diese ja irgendwie orten, wahr nehmen? Ansonsten wäre das in meinen Augen eine erneute Selektion, die eher auf Schicksal basiert. Finden sie eine Wurzellausherde, ist die Gründerkolonie wohl "über den Berg" und kann sich bald durch starken Zuwachs und guter Versorgung als Kleinkolonie bezeichnen. Ist dem nicht so, müssen sie suchen, verharren, und verhungern? Natürlich, viel Spekulation, doch wie sonst?

Es bleibt spannend!
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#10 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von trailandstreet » 12. April 2015, 09:51

Angesichts der Anzahl Gynen, die bei so einem Schwarmflug hervor gebracht werden klingt alles sehr plausibel. Es fragt ja auch keiner, wieviel Lasius niger Gynen zwar noch soweit überleben, dass sie Pygmäen hervorbringen, aber aufgrund ungünstiger Nestlage dann später eingehen. Lasius niger gedeihen auch besser, wenn ihnen nebenher noch eine Blattlauskolonie zur Verfügung steht, andernfalls müssen sie sich halt mit weniger begnügen, da sie aber mehr auf der Oberfläche unterwegs sind, fallen sie und auch mehr auf.
Lasius flavus ist aber wirklich eher den Termiten gleich. Ich konnte einmal einen Schwarmflug beobachten, da würde nur ein minimaler Verteidigungsring um das Abflugloch freigehalten. Bei anderen Arten gleicht das eher einem Gewusel aus Arbeiterinnen und Geschlechtstieren. Eine Formica Art schwärmte großflächig herum und griff sich ab und zu eine der Verteidigerinnen oder gar eine Gyne.



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#11 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von Safiriel » 12. April 2015, 12:03

Ich vertrete die Hypothese, dass keine Futtereier gelegt werden, denn deren Produktion würde ebenfalls Energie kosten. Vielmehr werden die Pygmäen meiner Meinung nach auf direktem Weg aus den Reserven der Königin heraus aufgezogen. Ob Eier verloren gingen, konnte ich allerdings nicht beobachten: Die Eier sind zu klein zum Zählen und der gelbe Untergrund macht es nicht leichter.
Ich konnte nicht beobachten, dass sich Arbeiterinnen bei Lichteinfall unter der Gyne verstecken. Allerdings ist dieser Raum bei mir ja schon an sich recht dunkel und selbst dort stehen sie ja in einem dunkelblauen Regal. Im Gegenteil: Wenn ich die Abdeckung (eine Schachtel medizinischer Zahnstocher hatte die passende Größe) entferne, gibt es kein Gewusel wie bei den Lasius niger. Auch ohne Abdeckung, wenn ich im Dunkeln hinein komme und dann das Licht einschalte tut sich nichts.
Vermutlich ist der Raum für ihre Augen einfach dunkel genug.

Warum nehmen sie aber auch die Trauermücke nicht an, die ihnen direkt am Nesteingang präsentiert wurde?
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#12 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von Safiriel » 12. April 2015, 12:40

Schaut mal, was ich im Ameisenwiki über die Ernährung dieser Art gefunden habe:

Lasius flavus ernährt sich von Honigtau, welcher von Wurzelläusen ausgeschieden wird. Während der von den Wiesenameisen gehaltenen Winterruhe und bei ausreichender Anzahl der Wurzelläuse ab Mitte Juni werden die Läuse selbst verzehrt.

Durch diese Art der Nahrungsversorgung verlässt die Wiesenameise nur selten das Nest um nach Nahrung zu suchen.
:guckstdu: http://ameisenwiki.de/index.php/Lasius_flavus

Und von Formicaria.de
Bei der Haltung selber muss man auf nicht all zu viele Dinge achten. Zwar sollten die Futtertiere sehr klein gewählt werden ( da ist schon einen normale Mücke für eine Gründerkolonie einfach viel zu viel ! ). Auch Maden oder normale Mehlwürmer können verfüttert werden, doch können diese großen Futterberge nicht getragen oder selber zerkleinert werden. Daher ist es am bessten man überbrüht die Futtertiere und drückt sie mit den Fingern aus, das nur noch die Innereien verfüttert werden.
:guckstdu: http://www.formicaria.de/html/lasius_flavus.html

Hier einige Ãœberlegungen zu dem Gelesenen:
  • Wenn Lasius flavus das Nest quasi nicht verlässt, werden die Läuse vielleicht auch erst später gegessen, also wirklich erst ab Schwarmflug
  • Daraus würde folgen, dass jeweils im Vorjahresherbst genug Proteine gefuttert werden um den nächsten Schub Arbeiterinnen oder Geschlechtstiere hervor zu bringen.
  • Hier ergibt sich eine Symbiose, die im Frühjahr den Läusen erlaubt sich ordentlich zu vermehren, und im Winter die Lauskolonie übersichtlich hält. Verluste durch Nahrungsmangel bei den Läusen werden vermieden und auch die Pflanzen haben einen weniger hohen parasitären Druck.
  • Selbst Trauermücken werden sie wohl in der Natur kaum antreffen, eher ihre in der erde lebenden Vorstadien.
  • Ich werde die Trauermücke durch einen winzigen Tropfen Waldhonig ersetzen und schauen ob der besser ankommt. Äßen sie zu dieser Zeit die Läuse, schnitten sie sich ja selbst von der Zuckerversorgung ab.
  • Die Nahrung schon zerquetschen? Erstmal versuche ich es so...
  • Ich werde versuchen, ihnen möglichst unterirdisches Kleingetier aus den Blumenkästen zu präsentieren. (Das wird ein Fangspaß!)
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#13 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von Sajikii » 12. April 2015, 13:27

Vielen Dank für die Infos!

Nun, das Lasius flavus Wurzelläuse frisst, war mir bekannt. Dies ist auch die wohl einfachste Proteinversorgung schlecht hin für sie. Allerdings findet dies ja bei Kolonien statt, die einen Anschluß zu Wurzelllausherden fanden.

Meine Frage ist es aber, woher bezieht eine 30 Pygmäen starke Gründerkolonie die Wurzelläuse (Kohlenhydrate)?
Um die Proteinversorgung mach ich mir jetzt schon eher weniger Gedanken, weil es krabbelt ja immer mal was im Erdreich (sofern gesunder Mutterboden) und ansonsten halte ich aber doch noch an den Futtereiern fest, auch wenn es nur vlt. eine Ausnahme darstellen könnte (man überlegt nur mal, mit wie wenig Futtereiern die Pygmäen auskommen können!). Das könnte mitunter dann auch erklären, warum diese Art nicht vor der Pleometrose zurück schreckt - eine wesentlich schnellere Entwicklung ist klar gegeben, aber betrachtet man die Gründer vom letzten Sommer, so haben die einzelnen Gynen keine Pygmäen, jedoch die in Pleometrose, schon mindestens Fünf. Sicher, wir wissen alle, dass bei der Pleometrose alles schneller geht, aber das solche Welten dazwischen sind? Die Larven wachsen ja deswegen nicht schneller, nur weil eine zweite Gyne dabei hockt...

Ich glaube im Seifert gelesen zu haben, dass flavus angeblich 22 Wurzellausarten bewirtet. Blöd wirds, wenn sie in der Wiese eine falsche Art antreffen, zumindest würden sie diese dann wohl fressen und vorsorglich wieder genug Reserven gespeichert haben. Es erschließt sich mir aber immer noch nicht, wie eine Gründerkolonie ohne Wurzelläuse das überstehen soll... ich glaube mittlerweile, dass das wirklich als eine Schicksalsselektion zu betrachten wäre, wie trailandstreet schon selber nochmal ansprach.
Und so, wie heut zu Tage mit Pestiziden im Garten und Feld umgegangen wird (eine Sauerei ist das!), kann ich mir auch vorstellen das die Wurzelläuse nicht mehr so Massenhaft auftreten werden und daher auch die Population von Lasius flavus sehr darunter zu leiden hat. Das erklärt auch jetzt, warum in meinem Dorf die flavus-Population in den letzten 17 Jahren drastisch abnahm, weil die Landwirte nun mal anders arbeiten. Die typischen Hügel waren einfach überall zu finden, und wenn diese Art schwärmte, "verdunkelte" sich der Himmel!

Ich denke aber, bei dieser Art hat man es echt mit einer zähen Kreatur zu tun, die nicht so schnell aufgibt. Ihr Umstand, im Untergrund zu leben, hat sie nunmal so gemacht. Sie haben ja auch keine andere Wahl, die Evolution hat sie zu dem gemacht, was sie jetzt sind - richtige Bergleute!
Das erklärt dann auch die einfache Haltung, sie verzeihen sicher mitunter Fehler, und machen garantiert noch ewig Freude bei der Beobachtung.

Unglaublich, wie spannend die Kleinen sein können ;)



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#14 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von Safiriel » 12. April 2015, 18:01

Wer hätte gedacht, dass es so schnell geht?
Bereits jetzt konnte ich vier Arbeiterinnen in der vorderen Kammer beobachten. Sie wirkten auch direkt viel agiler als sonst in ihrer hinteren Kammer. Immer wieder liefen sie zu dem Tröpfchen, ohne jetzt lang dran zu verweilen, aber immerhin.
Fazit: Den Honig nehmen sie!



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#15 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von trailandstreet » 12. April 2015, 21:33

Woher bekommt die Kolonie die Wurzelläuse?
Diese Frage stellt sich bei Lasius flavus schon, da sie diese ja nicht wie zB eine Tetraponera ihre Schildlaus selbst mitbringt.
Ich gehe aber sehr davon aus, dass in einer einigermaßen gesunden Bodenflora doch so einige vorhanden sein müssen. Ich denke auch, dass deren Zahl wohl sehr unterschätzt wird.
Sollte also eine Gyne in einer gesunden Wiese erfolgreich gründen, werden ihre Pygmäen auch innerhalb der nächsten cm im Umkreis auf Wurzelläuse stoßen, die sie für ihre Versorgung nutzen können. Dazu müsste man mal so ein Stück "Rasen" untersuchen, oder vielleicht hat wer Zahlen dazu.



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#16 Re: Lasius flavus Underground-Studie

Beitrag von Safiriel » 6. Mai 2015, 18:21

Hier erstmal die Neuigkeiten zu meiner an diesem Experiment teilnehmenden Kolonie: post377635.html#p377635

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir die Tiere vermutlich beinahe verhungert wären, weil sie den Weg aus dem Nest heraus, durch die Farm in die Arena eben nicht überbrückt haben. Es gab keine Spuren in der Arena, und das obwohl ich ja Glitzerpuder ausgelegt hatte.
Direkt am Nesteingang wurde aber inzwischen um so lieber gefressen.
Daher leben sie nun erstmal ohne künstliche Wurzelgänge in einer Miniarena. Mit künstlichen Blattläusen hat mein Teil des Projekts leider derzeit wenig zu tun, aber wenigstens leben sie in völliger Dunkelheit.
IMG_4220.jpg



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