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von mulischaf » 1. Mai 2015, 09:27
Ich glaube auch, dass es sich hier einerseits um das klassische Phänomen handelt, das fast überall im Netz auftaucht. Foren werden generell stiller, fast überall - als Begründung hört man oft, dass man "nicht soviel Zeit zum Lesen von all diesen Sachen hat", aber ebenso, dass "das so kompliziert ist und so". Ich habe selber in den letzten Monaten versucht, dem Freundeskreis ein privates Forum schmackhaft zu machen - weniger Features als hier und wesentlich einfacher... aber sogar das war und ist zu kompliziert für sie. Facebook und Co. haben da viel an "Umgangswissen" gekostet.
Wo ist die App, das schaut am Handy ja komisch aus, ich kenn mich da nicht aus, wo sind die neuen Einträge, was ist BBCode, eckige Klammern - keine Ahnung, das habe ich? - und außerdem mag ich mich nicht anmelden, ich bin eh schon auf Facebook, G+, Tumblr und so weiter. Wie? Da muss ich was freischalten? Mmmrrrr. Und wo kann ich die Bilder teilen? In welche Rubrik muss ich das stellen? Naja... schau's mir morgen vielleicht an.
Die neue Generation ist da ein bisschen träger geworden, ihre Wissensgebiete auf verschiedene Plattformen zu verteilen und zu sehr fach zusimpeln und zugleich wird zeitgleich die ältere Generation einfach müder beim Schreiben - und ja, das Forum hier (lese ja schweigend seit Jahren mit) hat auch schon irgendwie alles, was man braucht. Da tritt auch eine Hemmschwelle ein, weil man weiß, dass die Frage sicher schon tausendmal zum Erbrechen gestellt wurde, auf der anderen Seite erschlagen einem die Suchergebnisse gleichzeitig. Aber das betrifft alle großen Foren. Reizvoll, spannend - aber zu viel oft (positiv und negativ zugleich).
Und das Andere in Bezug auf neue Halter ist auch - und das betrübt mich am meisten - dass mehr und mehr Kinder und Jugendliche (in der breiten Masse) den Bezug zu Natur trotz aller Versuche weiterhin verlieren. Wenn man heute ein Kind oder vor allem Jugendlichen aus Stadt und Co. fragt, ob er schon mal einen Zitronenfalter gesehen hat (Nö) oder schon mal ein Glühwürmchen (Was, die gibt's echt?), eine Blindschleiche (Bäh, brauch ich nicht, kann die überhaupt was sehen? Amazonas, oder? Frisst Dich auf, Alter!) oder einen Grashüpfer in der Hand gehalten (Die beißen doch, oder?) oder einen Bienenstock begutachtet hat (Na, bin allergisch!!! Was, das sind Bienen. Dachte, das sind Wespen?) und so weiter... merkt man, dass der Bezug schon deutlich zurück gegangen ist.
Auch hier in Wien (wohne in der Nähe und bin oft dort) kann ich das im Tiergarten Schönbrunn regelmäßig gut sehen... Schulklassen schauen sich heute nicht mehr Tier für Tier interessiert an, sondern die Meisten "laufen" gelangweilt durch, man merkt bei Kindern eine völlige Fadisierung (Oooh, ein Elefant... und was kann der der? Wie toll. Wann gehen wir?) und Übersättigung - und nachdem auch die neuen Eltern heute von Ängsten, Allergien und Co. durchsetzt sind, Biogemüse im sterilen Plastik aus dem Hipster-Supermarkt kaufen und sowieso vegan leben und die Kinder auch nicht mehr so auf die Bäume klettern oder einfach im Schlamm rumlaufen und Sand essen lassen, tritt eben eine Distanz ein. Welches Volksschulkind hat heutzutage schon mal einen Frosch in der Hand gehalten? Gibt ja beispielsweise kaum mehr echte Laubfrösche. Im gleichen Maße, wie es sich Arten- und Anzahlmäßig reduziert, verschwindet damit auch das Interesse und die Möglichkeit dazu.
Und Selfies mit Ameisen sind halt nicht gerade cool. Einfach eine neue Zeit irgendwie... Früher bastelte man sich wesentlich öfters mit einem Taschenmesser aus einem Holzstück ein Boot (heute zu gefährlich), hatte Ameisen zuhause und Papa war da auch dabei, baute Segelflieger aus Holz und spazierte am Nachmittag auf einen umliegenden Hügel damit, baute seinen Drachen im Herbst selber (heute, wenn überhaupt, als Werbegeschenk aus Plastik, nach 5 Minuten kaputt und fliegt eh nicht) und schaute Curiosity Show im TV und lernte sogar was, weil man es selber nachmachte oder den Chemiebaukasten noch zu Hause hatte (mit Zeugs, das man heute keinem Kind mehr gibt)... Galileo und Co.TV-Serien heute sind da teilweise in Relation dazu einfach zu ungreifbar, zu spektakulär oder auch zu platt.
Und ebenso Naturdokus... die verschwinden im TV auch immer mehr und mehr, wie mir immer öfter auffällt. Und ich meine damit Sendungen, die sich ausgiebig und durchgehend beispielsweise mit einer Thematik beschäftigen. Heute schauen wohl recht wenige junge Menschen mehr bei der breiten Auswahl an Sendungen, Soaps, Clips und Youtube eine 1 1/2 Stündige Doku über das Paarungsverhalten von Fruchtfliegen und Weinbergschnecken. Stattdessen kurz angerissener Action-Fakten-Check: hast Du gewusst, dass Elefanten sich zum Sterben zurückziehen? Ja, tun sie. Heftig, gell?! Wusstest Du, dass Affen sich Werkzeuge basteln können? Ja, können sie. Aus. Nächster Slot. Wissensvermittlung: 0~. Ein Werner Fend "Mein Dschungelbuch" oder Otto König und Lorenz mit Graugänsen im Studio auf der Theke und führen Smalltalk (aber mit greifbarer Wissensvermittlung) führt bei Kindern und Jugendlichen heute wohl zu Gähnen und Tiefschlaf. Auch in der Forschung - heute interessiert kaum noch jemand das Verhalten von Grillen in den Morgenstunden, stattdessen Bioelektronik, Nanotechnologie und Human-Chemie oder globale Ökosysteme im gesellschaftlichen Wandel. Das "kleine" krabbelnde Fluffi am Arm interessiert da nicht so.
Foren an sich erinnern mich (und ich liebe sie und finde sie heute erst recht als gutes Pendant zu Facebook und Co., finde, man sollte sie neu aufleben lassen) in der Meinung der breiten Masse an Münz- oder Briefmarkensammler. "Ah, die gibt's auch noch?"
PS: ja, Ausnahmen bestätigen die Regel. Und irgendwo gibt es auch ganz begeisterte Schulklassen und Jugendgruppen und Öko-was-auch-immer-Freizeit-Treffen. Aber die große Masse... da geht die Richtung schon in eine starke Tendenz der Abkehr.