Frühjahr 2016 - Das vierte Messorjahr beginntRahmenbedingungen - Chaos im Hause SchmerleBei mir ist es in den letzten Monaten drunter und drüber gegangen. Zwei Kinder waren schon da und ein Hund, nun zog auch noch ein sehr agiler Welpe ein - all das hat es zusammen ganz schön in sich. Hinzu kommen zwei Aquarien und natürlich die Ameisenfarm. Und nebenbeit gibt es ja auch noch Freunde und Familie. Der Arbeitsfaktor durch die Aquarien hat sich allerdings letzten Sommer unfreiwillig halbiert. Ihren jährlichen Sommerurlaub im Gartenteich haben 2015 meine Fische nicht überlebt.
Ich weiß bis heute nicht, woran es gelegen hat, die Wasserwerte waren laut Tröpfchentest bestens und die Temperaturen haben auch gestimmt. Vielleicht ein Parasit oder ein Krankheitserreger? Das Aquarium stand lange fischlos da und veralgte, weil ich es nicht über mich brachte, es abzubauen. Warum ich hier im Ameisenforum von meinem Aquarium schreibe? Lest selbst!
Mitten im Chaos - Königin Mangoruby und ihre TöchterDa das Formikarium mir langsam ein wenig eng erschien, habe ich eine kleine zusätzliche Laufstrecke angebracht mit einer kleinen Glaskammer genau vor dem Fenster. Der Plan war, dass sie darin ihre
Brut sonnen können. Genutzt haben sie sie als Müllhalde.
Das Formikarium bestand im Sommer 2015 also aus drei Elementen:
Arena: Glasbecken, 30 x 20 x 20 cm, 2 x 27 mm Bohrungen, in schattiger Zimmerecke
Solarium: Glasbecken,10 x 10 x 10 cm, 1 x 27 mm Bohrung, direkt vor der Scheibe des Südostfensters
Nest: Glasfarm XL , 30 x 20 x 5 cm mit Ytong-Nest
Laufstrecke: ca. 80 cm an Kunststoffrohren
Fazit: Für die damals drei Jahre alte Messor cf. capitatus
Gyne und ihr Volk empfand ich die Größe des Formikariums so optimal. Das Nest war erst zur Hälfte freigelegt (die Ytong-Kammern sind mit Korkspänen gefüllt), so dass da noch Kapazitäten offen sind. Zur Erinnerung: Meine Kolonie wird nicht künstlich beheizt, weswegen sie vermutlich langsamer wächst als vergleichbare Messor-Kolonien. Dennoch gedeiht sie gut, die Kolonie wächst beständig und ich habe schöne große
Majoren. Die genaue Anzahl an Ameisen kann ich leider nicht benennen und tue mich auch schwer mit dem Schätzen. Vielleicht 500?
Der Chaoswinter - das Volk muss getrennt werdenWie im vorherigen Beitrag schon geschrieben, begannen die Ameisen in der Arena zu graben, so dass im Herbst nicht das gesamte Volk im Ytong-Nest Einzug hielt. Ein Teil wollte lieber im Sand der Arena überwintern. Da ich die Arena nicht hätte aus dem warmen Wohnzimmer tragen können, ohne ein Einstürzen der Gänge zu riskieren, musste ich das Ytong-Nest mit der
Königin abtrennen und überwinterte dieses auf dem kühlen Dachboden, währen die Arena im Wohnzimmer verblieb. Die Ameisen im Sand hielten trotz der Wärme eine abgeschwächte
Winterruhe, in der sie nur wenig aktiv waren und wenig aßen und tranken. Im Frühjahr wollte ich die beiden Volkshälften wieder zusamenführen - doch wie sich herausstellen sollte, war das leider nicht möglich. Einige aus dem Dachboden-Nest ausgebrochene Arbeiterinnen wollte ich in die Arena verfrachten, um die
Königin nicht bei der
Winterruhe zu stören. Sie wurden von ihren Schwestern gestellt, gestreckt und getötet.
Es war traurig mit anzusehen und ich hätte ihnen gern geholfen, aber da sich das Elend in den Kammern abspielte, die ich durch das Glas einsehen konnte, war eine Rettung nicht möglich. Es hat Stunden gedauert, ehe die Ärmsten tot waren und ihre verstümmelten Körper auf den Abfallhaufen verbracht wurden. Nun wusste ich, dass ich im Frühjahr ein Problem haben würde - denn nun hatte ich zwei Völker, aber nur ein Formikarium.
Der Frühling, der fast das Ende von Königin Mangoruby bedeutet hätteEs ist mir sehr unangenehm, aber ich werde ehrlich schreiben, was fast passiert wäre, damit andere davon lernen können und es hoffentlich besser machen. Zu Beginn des Jahres hatte ich eine Menge privaten Stress, zudem weder Platz noch Geld für ein zweites Formikarium. Die aggressive Restkolonie umbringen, um den Teil mit der
Königin wieder einziehen zu lassen, brachte ich aber auch nicht übers Herz. Das Auswintern wurde immer weiter nach hinten verschoben und irgendwann traute ich mich nicht mehr, nach den Ameisen auf dem Dachboden zu sehen - ich war der festen Überzeugung, sie müssten inzwischen vertrocknet sein. So schob ich es noch länger vor mich her, bis ich mich Ende Mai(!) anstatt Anfang April, also zwei Monate später als sonst, dazu überwinden konnte. Zu meiner großen Überraschung war die Kolonie nicht nur lebendig, sondern wohlauf! Es gab so gut wie keine Toten! Und das, obwohl der Ytong seit Monaten schon knochentrocken sein musste. Messor cf. capitatus sind scheinbar enorm robust gegenüber Trockenheit. Aber jetzt durfte ich nicht länger warten, ein Notfallplan musste her.
Luxusapartement - ein 250 l Aquarium für das Volk (Fotos folgen)
Ich verwarf den Plan, das leere Aquarium zu verkaufen, füllte eine dünne Kiesschicht ein (statt Sand, damit sie nicht wieder graben), streute Rasensamen aus und verteilte Steine und Wurzeln zur Dekoration. Dem Drang, lebende Pflanzen einzusetzen, widerstand ich - denn die Ameisen sollen, wenn die Restkolonie auf natürlichem Wege von uns gegangen ist, wieder in ihre alte Arena ziehen. Darum sorgte ich dafür, dass sie möglichst keine Stelle haben, wo sie ein neues Zweignest anlegen können, damit sie im Winter alle wieder brav in ihren Ytong kriechen. Ich stellte die Glasfarm mit dem Ytongnest in das dekorierte Aquarium und öffnete den Deckel der Farm. Ich gab Wasser in die beiden Wassertanks und legte Apfelstücken und frische Körner oben auf. Sofort quollen die Ameisen hervor und stürzten sich auf das Wasser. Binnen Kürze waren die Tanks schwarz. Erst, nachdem sie lange getrunken hatten, begannen sie sich für die Apfelstücken zu interessieren und erst danach für die Körner. Ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen, sie so lange ignoriert zu haben - aus lauter Angst, hunderte von vertrockneten kleinen Leichen zu sehen, hätte ich sie fast wirklich umgebracht. Das schlechte Gewissen geschieht mir mehr als Recht. Ich bin froh, dass es noch einmal gut ausgegangen ist. Jetzt haben sie als Entschädigung eine riesige Arena vo 100 x 50 x 50 cm, die sie schon fleißig erkunden. Das Aquarium ist leider nicht dicht am Deckel. Aber fürs Erste muss ein Paraffinölrand genügen.
Die Restkolonie - arbeitslos und depressivDas, was von den Ameisen in der alten Arena noch übrig ist, führt ein ziellosses, träges Leben. Sie sitzen viel herum, ohne etwas zu tun, oder laufen ziellos umher. Man sieht ihnen an, dass ihnen ihre wichtigste Aufgabe - die versorgung der
Königin und der
Brut - fehlt. Die Formulierung ist natürlich sehr vermenschlicht. Sie vegetieren vor sich hin und warten auf ihr Ende. Ich werde sie dennoch pflegen, bis sie von allein sterben. Ich möchte nicht darüber urteilen, ob ihr Leben noch lebenswert ist. Wenn sie sich beschäftigen, dann graben sie. Darin sind sie nach wie vor relativ fleißig. Aber das fröhliche Wimmeln der Hauptkolonie fehlt ihnen, alles wirkt sehr viel ruhiger.
ResümmeeAmeisenhaltung hat, gerade bei größeren Kolonien, nicht nur etwas mit regelmäßiger Pflege, sondern vor allem auch mit Organisation zu tun. Ich hoffe,
Königin Mangoruby erholt sich gut.
Brut und Eier sind momentan unter diesen Umständen natürlich nicht vorhanden. Aber darüber hinaus wirken Mangoruby und ihre Töchter erstaunlich gesund und nicht ausgezehrt oder eingefallen. Messor cf. capitatus sind wirklich hartnäckige und robuste kleine Tiere. Der folgende Winter muss unbedingt besser geplant werden, ich darf so etwas nicht mehr so lange vor mich herschieben. Ich hoffe, dass es ihnen in ihrem Riesenpalastgarten nun gut geht.