Moderne Ameisenhaltung der heutigen Zeit, mit fachlichen und praxisnahen Informationen sowie Diskussionen, für jeden Interessierten den Umgang mit Ameisen zu erlernen
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Eigentlich hatte ich mir versprochen, dass es bei zwei Kolonien bleibt, aber die nun ausgewilderte Camponotus ligniperda-Pflegekolonie hat eine Lücke hinterlassen, die geschlossen werden muss. Ich nahm mir vor, eine Serviformica-Gyne zu finden und fand sogar eine, aber es musste natürlich ausgerechnet Formica cunicularia sein, welche zumindest auf den ersten Blick Ähnlichkeiten mit einigen geschützten Arten hat und ich merkte erst später auf den Fotos, dass ich sie hätte mitnehmen können.
Nach Wochen des Suchens hatte ich es eigentlich schon aufgegeben und wartete geduldig auf die Myrmica-Massenschwarmflüge im August, doch als ich heute (bzw. gestern) im Wald unterwegs war, bei einem Wetter und an einer Location, die mich eher wenig erwartungsvoll stimmten, was interessante Gynen-Funde angeht, sah ich am Wegesrand eine kleine, wütende Furie mit rotem Thorax; das konnte nur Formica sanguinea sein!
Letztes Jahr lies ich zwei solche Biester laufen; ich war meinem Versprechen noch treu, nicht mehr als zwei Kolonien zu halten und war damit bedient, sie in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten, doch seit dem verheerenden Raubzug, den ich vergangene Woche beobachten konnte, ist mein Verhältnis zu dieser Art, die bei mir eigentlich nostalgische Gefühle hervorruft, da sie damals vor ~14 Jahren die erste war, die ich hielt, irgendwie angeknackst. Ich dachte mir, dass ich vielleicht wieder Frieden mit ihr schließen könnte, wenn ich mich um sie kümmere oder zumindest ein paar Serviformica-Kolonien den Kragen rette, indem ich diese hier aus dem Verkehr ziehe.
Zu Hause angekommen stellte sich natürlich die Frage, woher ich möglichst bald Serviformica-Puppen bekomme. Ich machte mich auf den Weg zu einer größeren, nahegelegenen Kolonie und tatsächlich befanden sich unter einem Brett einige Nacktpuppen. Als ich die Armen so ansah, wie sie ihre Brut panisch in Sicherheit brachten, und versuchten, mich mit ihren mickrigen Mandibelchen zu beißen, bekam ich Mitleid; ich konnte mich nicht überwinden, diesen auch so schon in Angst und Schrecken lebenden Geschöpfen auch noch ihre Zukunft zu rauben. Worin wäre ich besser, als die blutrünstigen Räuber, deren ungerechte Taten ich so verabscheute? ("Weichei! Weichei!")
Meine einzige andere Option war, die Räuber selbst auszurauben! Ich begab mich zu genau der Kolonie, deren Raubzug ich beobachtet hatte, hob ein Stück Rinde am Boden an und siehe da, hunderte von Puppen. Während ich von dutzenden Arbeiterinnen gebissen wurde, die so viel Säure versprühten, dass die Luft danach stank, sammelte ich rasch möglichst viele Puppen ein (von welchen mir viele direkt wieder abgenommen wurden), schüttelte die Räuber von mir ab und dachte mir nur "Jetzt wisst ihr mal, wie das so ist!".
20 Nacktpuppen verschiedener Größe hatte ich erbeutet; nicht sehr viel, aber auch nicht sehr wenig. Ich ging zuerst davon aus, dass es sicher allesamt Formica sanguinea-Arbeiterinnen werden, zumal die gestohlenen Serviformica-Puppen fast alle einen Kokon hatten, aber manche davon sind so klein, dass ich mir vorstellen kann, ein paar Sklaven erwischt zu haben - wir werden sehen.
Ich schüttete der Gyne die Puppen direkt vor die Nase und nachdem sie erstmal alles vorsichtig mit ihren Fühlern beschnüffelt hatte, fing sie an, sie ein bisschen zu ordnen, was ich schonmal als Zeichen wertete, dass sie die Puppen annahm. Ich dachte mir, ein Tropfen Zuckerwasser tut ihr sicher gut und aus irgendeinem Grund kam ich auf die geniale Idee, sie direkt mit einer Kanüle zu füttern. Das mag bei anderen Ameisen funktionieren aber in diesem Fall war das keine gute Idee.
Nun stellt sich die Frage, ob alles glatt laufen wird, ob sie Eier legen wird und ich würde gerne von den Experten unter euch wissen, was ihr von einem solchen Gründungsversuch ohne (?) Sklaven haltet. Gegebenenfalls werde ich mich nochmal nach einem größeren Serviformica-Nest umschauen, dass ein bisschen Verlust hinnehmen kann oder bei einem Raubzug ein paar Puppen klauen, wenn ich einen sehe, aber da die Gynen dieser Art auch durch Adoption in arteigenen Nestern gründen können, nehme ich an, dass arteigene Arbeiterinnen auch taugen sollten.
Heute (ist noch heute, wenn ich noch wach bin?) war ich irgendwo im nirgendwo in den Bergen wandern und kam durch einen Bereich, in dem fast nur Eichen standen, was ich hier bisher noch nie sah. Jedenfalls lag ein Ast am Wegesrand, von welchem sich die Borke bereits löste. Ich konnte nicht widerstehen, ein Stück abzuschälen und was hatte ich vor mir? Einen Haufen Serviformica-Puppen, buchstäblich auf dem Silbertablett...
Da an der Location weit und breit keine Raptiformica/Formica s. str. zu sehen waren, es sich in diesem Fall nicht wie gestern um Formica cf. cinerea handelte, sondern um kleinere Formica cf. fusca (welche die besseren Sklaven abgeben), eine ziemlich ordentliche Menge Puppen vorhanden war und diese über Kokons verfügten, was das Handling erleichtert, entschied ich mich, ein paar von denen einzusammeln.
Noch kurz gewartet, bis die Arbeiterinnen die ganzen Puppen in Sicherheit gebracht hatten, die Borke wieder halbwegs so angebracht, wie sie war und da ich leider nichts Süßes als Wiedergutmachung dabei hatte, mussten sie sich mit einer Entschuldigung zufriedengeben.
Als ich das RG mit Frau Viktoria (wisst ihr, Victory? Sieg über die Sklavenameisen? Wie auch immer...) aus der Abdunklung holte, war ich erstmal überrascht, wie friedlich sie inzwischen schien, aber das sollte sich dank meiner Tollpatschigkeit schnell ändern. Ich wollte die Puppen wie gestern über ein Stück gebogenes Papier ins RG rutschen lassen, aber irgendwie bekam ich es hin, dass ein paar runterfielen. Ich legte das RG erstmal hin, die nun natürlich hellwache Gyne rannte raus und nachdem sie erstmal mich und ihr RG biss, bemerkte sie die weiteren Puppen und trug eine nach der anderen hinein.
So schnell kann man nicht schauen, wie die ist!
13 Stück sind es übrigens diesmal. Wenn alles gut läuft, wird sie also innerhalb der nächsten Wochen schon einmal 33 Arbeiterinnen haben. Ich hätte natürlich mehr mitnehmen können, aber wie mir Ameisen-Fan 1 riet, sollte man auf ein gutes Verhältnis zwischen Gründungskammer und Puppenmenge achten. Wie ich finde, ist das nun schon ein gute Menge für den Anfang.
Nach dem ganzen Stress noch einen Tropfen Zuckerwasser...
Und jetzt lasse ich sie erstmal einfach. Zwei der Raptiformica-Puppen sind kurz vor dem Schlupf, aber ich werde frühestens in ein paar Tagen wieder nachschauen. Ich bin in jedem Fall gespannt - eine abenteuerliche Art.
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Inzwischen sind jeweils eine Raptiformica & eine Serviformica-Arbeiterin geschlüpft und soweit vertragen sich alle gut.
Ganz schöner Brocken oder?
Eier wurden noch keine gelegt, aber jetzt wo Personal vorhanden ist, dürfte sich das bald ändern.
Ich weiß nicht mehr, wie lange es damals vor knapp 15 Jahren dauerte bei meiner ersten Kolonie, aber Ende der Saison waren schon eine gute Menge eigene Arbeiterinnen vorhanden.
Ameisen-Fan 1 riet mir, das Reagenzglas nicht zu kühl zu lagern und aktuell haben sie es bei 24°C oben auf dem Schrank recht gemütlich. Wenn der Dachboden sich durch die Sonnenstrahlung aufheizt, wirkt die Decke wie eine Heizung.
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Als ich heute ins Glas schaute, entdeckte ich das erste kleine Eierpaket!
Von Physogastrie kann bei der Gyne keine Rede sein (sie versucht wohl, ihre Figur zu halten ), aber das werte ich schonmal als geglückte Gründung.
Wie ihr seht, sind in der Zwischenzeit auch einige weitere Arbeiterinnen geschlüpft; vor allem Serviformica und es scheint, als hätte ich beim Raptiformica-Nest tatsächlich größtenteils Sklaven-Puppen ergattert, denn die Kokon-Puppen vom Serviformica-Nest sind größtenteils noch nicht geschlüpft. Für den Anfang werden die Serviformica-Arbeiterinnen also zahlenmäßig die Überhand haben, wie es sonst normalerweise auch der Fall ist bei Gründungsversuchen mit dieser Art.
Hauptsache ist, alle kommen gut miteinander aus, auch wenn sie vielleicht verschieden sind.
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Zu früh gefreut! Als ich heute nach 9 Tagen erstmals wieder nachschaute, waren die Eier fort. Irgendjemand hatte wohl Heißhunger!
Ob Stress eine mögliche Ursache ist? Das RG befindet sich in einer Hülle aus Luftpolsterfolie oben auf einem Schrank, den ich kaum öffne/schließe aber naja, wer einmal Eier legen kann, kann dies auch ein weiteres Mal tun.
Als kleinen Protein-Boost gab es nach einem großen Tropfen Zuckerwasser noch eine leckere Fliege:
Natürlich sind keine zu versorgenden Larven da, aber ich glaube, dass es der Königin entgegenkommen wird und wenn sie so hungrig zuschlagen, warum nicht?
Übrigens sind nun fast alle Puppen geschlüpft; 3 Raptiformica- und sonst nur Serviformica-Arbeiterinnen. Nahrungsaufnahme ist eindeutig der Job von Letzteren; die Gyne und ihre Artgenossen werden lieber gefüttert.
Jetzt lasse ich sie erstmal wieder ein bis zwei Wochen lang in Ruhe und hoffe, dass die Gyne sich das mit dem Mutterwerden nochmal überlegt.
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Die Gyne hat leider keine weiteren Eier mehr gelegt, aber so spät in der Saison wundert mich das auch wenig.
Ich bin guter Hoffnung, dass es nächstes Jahr klappen wird.
Abgesehen davon machen alle einen munteren Eindruck und zeigen einen gesunden Appetit!
Ihre königliche Faulheit
Drückt mir (und ihr) die Tarsen!
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Auch für die Sanguiniker und ihre Sklaven beginnt eine neue Saison und es ist zu hoffen, dass aus der Ameisen-WG noch eine richtige Kolonie wird.
Nach fünf Monaten Fasten muss das Zuckerwasser überragend schmecken!
Ein Stück Schokoschabe gab es inzwischen auch und nun werde ich sie einfach ein paar Wochen auf dem Schrank lassen und hoffen, dass Madame es sich nochmal überlegt mit dem Eierlegen.
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Als ich vor etwa zwei Wochen nachsah, konnte ich tatsächlich neue Eier erkennen, aber der Haufen geriet etwas in Panik und ich wollte diesmal unbedingt vermeiden, dass die Brut nochmal gegessen wird, also habe ich geduldig gewartet, bis ich sowieso füttern muss.
Es sind nicht viele, nur eine Hand voll, aber immerhin geht es voran.
Nach ein paar Tropfen Zuckerwasser gab es eine winzige Schabe, die direkt zur Brut geschleppt wurde und für jene, denen mal beim Füttern im RG eine Arbeiterin entwischen sollte (was mir natürlich nicht passiert ist ) folgender Tipp:
Watte/Papierstopfen etwas herausziehen, Talkum draufgeben, wieder rein, drehen, RG senkrecht halten, öffnen und Arbeiterin wieder rein verfrachten.
Umständlich, aber in diesem Fall ging es nicht anders, da die Serviformica sehr neugierig sind oder womöglich das Sklavenverhältnis beenden möchten.
Wie ihr seht, ist das RG in der Zwischenzeit ziemlich siffig geworden und ich weiß zwar, dass es nicht so schlimm ist, wie es aussieht, aber ich habe schon den Drang, ihnen bereits eine provisorische Arena anzubieten, was auch das Füttern erleichtern würde. Mal sehen, was der Profi sagt.
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