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Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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marcel
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#1 Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Beitrag von marcel » 21. September 2022, 16:41

Hallo Leute,

ich beobachte schon seit Jahren, dass einige "exotische" Arten von kälteren Gegenden mit Temperaturen von 14-18 Grad im Winter im Umlauf sind. Diese werden von Shops, privaten Händlern an viele Ameisenhalter verkauft und leben bis heute erstaunlicher Weise noch bei einigen.

Einige dieser Arten sind: Camponotus nicobarensis (aus China z.B.), Camponotus habereri (Taiwan), Camponotus japonicus, Crematogaster rogenhoferi, Pheidole yeensis, Camponotus turkestanus, sowie viele andere Arten, besonders aus China.

Südeuropäische Arten wie viele Messor, z.B. Messor barbarus, Aphaenogaster iberica, Crematogaster scutellaris, Cataglyphis nodus, weitere Cataglyphis und Camponotus kommen teilweise in Gegenden vor, wie z.B. in Südspanien, Malaga wo es im Januar eine Durchschnittstemperatur von 17 Grad im Schatten (Sonne kann Nester auf 20+ Celsius bringen) hat.

Jetzt stellt sich mir die Frage wieso manche Arten aus kälteren Regionen jahrelang Problemlos durchgehalten werden, wie es bei vielen Asiatischen Arten die im Umlauf sind der Fall ist und wie das bei Südeuropäischen Arten wäre wenn diese "warm" durchgehalten werden? Würden Südeuropäische Arten aus Regionen mit 16-17 Grad im Januar genauso ohne Problem durchhaltbar sein oder würden Probleme entstehen?

Wozu dient im allgemeinen Winterruhe bei einigen Ameisenarten überhaupt? Dient es zum Überleben von kälteren Temperaturen? Ist es eine Pause zur echten Erholung wie ein Schlaf bei uns Menschen? Das ist auch eine Frage die man hoffentlich eines Tages in der Wissenschaft genauer untersucht. Wenn man sich manche Ameisen die sogar in Deutschland vorkommen wie Solenopsis fugax findet man diese auch in Nordafrika, Israel und Iran (falls die Bestimmung richtig ist und diese Funde echt Solenopsis fugax sind).

Eine andere Frage die wir uns hier auch stellen können ist, welche Temperatur muss eine Herkunft für die Winterruhe-Pflicht haben? 12 Grad? 18 Grad? Unter 20 Grad? Da viele Ameisenarten über mehrere Länder und Regionen mit unterschiedlichen Temperaturen verstreut sind macht dies die Sache viel komplizierter. Ich erinnere mich noch als ich einmal eine Kolonie von Crematogaster scutellaris in Gran Canaria fand, wo es selbst im Dezember und Januar noch bis zu 20 Grad haben kann und wo Pheidole megacephala und Paratrechina longicornis in Massen vorkommt. Dies erstaunte mich sehr und zeigte mir die Anpassungsfähigkeit mancher Arten.


Gruß,

Marcel
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Joachim

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#2 Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Beitrag von Joachim » 21. September 2022, 18:39

Da verwechselst du einiges. Eine kurze Ruhephase bei 15°C ist etwas vollkommen anderes als ein halbes Jahr echter, harter Winter und Diapause ist daher nicht gleich Diapause.

Die Arten in Deutschland "wollen" keine Winterruhe halten, sie sind einfach an die harten Bedingungen angepasst. Es gibt hier nunmal Winter und da findet man weder Futter, noch kann man Brut aufziehen, noch kann man als wechselwarmes Tier überhaupt auf große körperliche Leistung zurückgreifen. Die Arten müssen einen Jahresrhythmus haben oder sie werden hier nicht im Freien überleben. Dieser Rhythmus ist so fest verankert, dass es bei den allermeisten Arten nicht mehr möglich ist, sie warm durch das ganze Jahr zu bringen. Die Kolonie wird verkümmern.

Eine Camponotus nicobarensis, selbst aus Gefilden wo es mal auf 15°C fällt, ist immer noch erstaunlich aktiv bei diesen Temperaturen und kann/wird durchaus weiter Brut aufziehen.



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Erne
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#3 Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Beitrag von Erne » 21. September 2022, 19:34

Nach meinem Dafürhalten lassen sich die Fragen nicht allgemein beantworten, wenn sie überhaupt zu beantworten sind.
Die Notwendigkeiten die bei unseren einheimischen Arten zum Tragen kommen, hat Joschi bereits umrissen.
Bei exotischen Arten wird jede Art für sich beurteilt werden müssen und bei der Verbreitung dieser, teilweise über verschieden warme Habitate (übers Jahr gesehen),
immer die genaue Herkunft bekannt sein.
Eine weitere Überlegung, wie sicher ist die Erkenntnis, dass exotische Ameisen keinen Schaden nehmen wenn sie, falls sie diese Ruhezeiten machen müssen, ihre Ruhezeiten wärmer verbringen?
Um dafür eine Wertung abgeben zu können ist es aus meiner Sicht erforderlich das diese Arten viele Jahre gehalten werden müssten.
Verfolgt man das Berichtswesen, ist die Datenlage eher mager, durchaus widersprüchlich.
Zudem kommt weiter, dass nicht jeder Halter erkennen kann, dass es den Ameisen nicht gut geht, bzw. besser gehen könnte weil sie keine entsprechenden Ruhezeiten mit passenden Temperaturen bekommen.

Weiter gibt es Ameisenarten die nicht durch Kälte Ruhezeiten einlegen müssen.
z. B. Futtermangel, Trockenheit, Hitzeperioden wirken auch.

Eine überaus interessante Thematik, nach meinem Dafürhalten nur schwer oder gar nicht abklärbar.

Grüße Wolfgang



marcel
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#4 Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Beitrag von marcel » 21. September 2022, 21:23

Ich bin gespannt was die Forscher in der Zukunft herausfinden, da einige Arten obwohl es sich um die gleichen handelt in Regionen vorkommen bei denen sie warme Temperaturen im Winter haben und noch aktiv sind während die gleiche Art in einem anderen Land 3-4 Monate in die Winterruhe geht.

Und ja das mit Camponotus nicobarensis ist mega interessant und auch wie in manchen sogar kälteren Regionen Taiwans noch Camponotus habereri z.B. "Späherinnen" los sendet die dann einige Meter um das Nest erkunden. Ich hatte mal eine Camponotus habereri die ich sogar obwohl es dort 17-18 grad im Winter gibt jahrelang ohne große Probleme durchgehalten habe. Ich merkte hier auch als ich mal aus Neugier für einige Tage die Heizmatte ausstellte und es knapp über 20 Grad waren sie noch mega aktiv waren. Ich denke manche Arten fangen auch wenn es warm ist an im Herbst weniger Brut aufzuziehen und andere lassen sich nichts anmerken. Ich bin mal gespannt ob man irgendwann mal herausfindet, wie man Arten identifizieren kann die eine Winterruhe brauchen und wie man solche identifiziert die keine brauchen und es nur tun um zu überleben und nicht um "Energie zu tanken" für die nächsten kommenden Frühlings- und Sommermonaten.

Falls es hier jemanden gibt der mal über Jahre eine Art aus Südeuropa ohne Winterruhe hielt bin ich gespannt was ihr so für Erfahrungen gemacht hattet.

Ich habe ein kleines Experiement gestartet mit Solenopsis fugax, da ich mega viele dieses Jahr finden konnte. Ich werde 1 Kolonie über Jahre warm durch halten und die anderen in die Wintteruhe schicken. Der Grund für dieses Experiement ist auch noch, da ich gesehen habe, dass es Solenopsis fugax auch in Marokko, Tunesien, Afghanistan und Zypern vorkommt. Eine sehr weit verbreitete einheimische Art haben wir da.


Gruß,

Marcel



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di4per
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#5 Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Beitrag von di4per » 22. September 2022, 06:55

Hallo Marcel,
hier gibt es vielleicht noch ein Missverständnis. Ein großes Verbreitungsgebiet der Art bedeutet nicht, dass z.B. eine Kolonie aus Marokko in Mitteleuropa überlebensfähig wäre und umgekehrt. Die Tiere gehören zwar zur selben Art, sind aber an die regionalen Klimabedingungen angepasst. Du kannst sie nicht irgendwie „umgewöhnen“. Das würde Zucht und Auslese über viele Generationen erfordern, in der Haltung nicht machbar. Es gibt schon auch einen allgemeinen Konsens darüber, dass, wenn die Tiere aus einer Region kommen, wo eine Winterruhe erforderlich ist (z.B. deine S. fugax?), diese auch eingehalten werden sollte. Allgemein habe ich den Eindruck, dass du ruhig noch ein bisschen zum Thema Winterruhe/Ruhepause nachlesen könntest bevor du „Tierversuche“ startest. Denn das Thema kommt auch immer und immer wieder auf. Und der Erkenntnisgewinn ist quasi null, wenn du mal eine Kolonie durchhältst.
Nichts für ungut!
LG
di4



el_Bomber
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#6 Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Beitrag von el_Bomber » 22. September 2022, 11:57

Die letzten beiden Sind leider nicht frei zugänglich, das letzte kenne ich persönlich auch noch nicht ist aber für dich sicher interessant.
Ich habe jetzt nur mal schnell geschaut, es gibt noch viel mehr.
Ich kann dir https://scholar.google.de/ ans Herz legen, da findet man fast alles was einen Interessiert. (Insofern schon untersucht natürlich)

https://entomology.bio.spbu.ru/personal ... ov1993.pdf
https://entomology.bio.spbu.ru/personal ... v2001b.pdf
https://link.springer.com/article/10.11 ... 3009020066
https://link.springer.com/chapter/10.10 ... 2-3016-8_9


Gruß
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#7 Südeuropäische und Asiatische Ameisen & Winterruhe

Beitrag von Linne » 25. September 2022, 20:08

1. Die geographische Verbreitung ist nicht mit sinnvollen Haltungsparameter gleichzusetzten.

Hier würde ich euch gern die verschieden Konzepte zu Nischen die Organismen bewohnen ans Herz legen:
Fundarmentale Nische; Realisierte Nische; Geographische Nische...
BAM Diagranme erklären das Verhältnis dieser drei Begriffe gut.

Das Phänomen "range shifting species" nehme ich hier mal als Beweis, dass man über die Verbreitung nur begrenzt auf die fundamentale Ökologie der Tiere schließen kann.

2. Ameisen sind an sehr kleine Standort gebunden, die nicht dem umbedingt Wetterbericht/Kilmadiragramm der nächst gelegenen Stadt entsprechen.
Ein extrem Beispiel dafür sind die Höhenmeter der Alpen.

3.In erster Linie bestimmen nicht die Taxonomische Art sondern die Eigenschaften(aktiven Gene) der örtlichen Population, welche Bedingungen für die Tiere am besten sind.
Nehme mal deine Crematogaster scutellaris aus Gran Canaria als Beispiel. Du kennst sie aus Südeuropa mit Winterruhe.
Es stellt sich die Frage: Hat sich die Crematogaster scutellaris an Gran Canaria "angepasst" und unterscheidet sich somit innerhalb der Art von ihren südeuropäischen Verwandten, oder
sind die beiden exakt die selben?
Ich behaupte beide sind exakt gleich, aber unter unterschiedlichen Umweltbedingung wurden andere Eigenschaften(Gene) aktiviert.
Die endogene Winterruhe bzw. Biorythmus gilt als feste Eigenschaft von Camponotus lingiperdus/herculeanus, um die der Halter nicht herumkommt und gar keinen Einfluss auf diese hat.
Wer langjährig eine der dieser beiden Arten hält bermekt, dass der Umweltfaktor Wärme einen großen Einfluss auf das Winterruhe-Verhalten der beiden Arten hat.
So zeigt sich, dass beim zusätzlichen Beheizen(im Frühjahr-Frühsommer) die Larven frühzeitig aufhören zu wachsen, als in kühleren Jahren.

Ich finde es lobenswert, dass die Ameisenshop mittlerweile konkretere Angaben zu Herkunft ihrer Produkte machen.
Wenn nun die Ameisenhalter in ihren Berichten ebenfalls konkrete Angaben machen würden, hätten wir eine Grundlage für sinnvolle Überlegungen.
Wer Haltungserfahrungen mit Camponotus barbaricus aus Andalusien(Cadiz) hat, bitte mir schreiben^^

Probieren statt studieren ;)
(Und bitte mit anderen Haltern kommunizieren, vor allem wenn was schief geht!)



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