Guten Abend liebe Forumskollegen/innen,

vor einiger Zeit habe ich einen Bericht zu einer Studie bezüglich der Fortpflanzung von Temnothorax crassispinus (dt. Östliche Schmalbrustameise) gelesen.
Es wurde beschrieben, dass innerhalb der Studie beobachtet wurde wie die Königin bzw. ihre Funktion im Staat bei T. crassispinus durch eierlegende Arbeiterinnen ersetzt wurde, nachdem die Königin verstoßen oder sogar getötet wurde. Diese Nachkommen sind aber ausschließlich männlich, da sie laut der Studie, aus unbefruchteten Eiern der Arbeiterinnen entstehen. Ich würde gerne eure Erfahrungen und Berichte zu diesem Thema hören, sofern ihr dazu Wissen oder eigene Erfahrungen aus der Haltung von Temnothorax crassispinus oder zumindest sehr verwandter Temnothorax Spezies habt. Gerne würde ich hier eine kleine Diskussion anregen um mehr zum Thema T. crassispinus zusammen zu bringen, da es wie ich finde nur sehr wenig Infos zu dieser tollen Spezies der Gattung Temnothorax gibt.

Hallo, das ist nicht nur auf diese Art beschränkt, sondern häufig bei Ameisen zu sehen und auch durchwachsen in den Unterfamilien. Fehlt die Königin, wird das Eierlegen der Arbeiterinnen nicht mehr unterdrückt und es kann zur Produktion von Männchen kommen. Ein letztes Aufbäumen vor dem Sterben der Kolonie, falls sie nicht anderweitig Königinnen adoptieren kann. Kommt nicht bei jeder Art vor, aber kommt vor.

Wenn du dich über Temnothorax im Speziellen unterhalten möchtest, findest du neben den zahlreichen Haltern hier auch Prof. Buschinger im Forum der Deutschen Ameisenschutzwarte. Kaum ein anderer hat so viel an diesen Ameisen geforscht.

Das Thema wird z.B. auch hier angesprochen:

https://ameisenwiki.de/index.php/Vermehrung

Erstmal Danke für die zeitnahen und informativen Antworten.😄
Für mich ergibt sich aus den Antworten, dann folgende Frage.
Können mehrere Kolonien, der eigentlich monogynen Art, ohne Königin in einem Formicarium koexistieren? Ich sehe das doch richtig, dass der Grund vorher die Königin mit ihren Pheromonen war. Wenn also keine Königin mehr Stoffe einsetzt, könnten mehrere sogar verschiedene Spezies der Gattung als Völker miteinander leben?

Theoretisch ja - wobei der "Koloniegeruch" wohl teilweise auch von Arbeiterinn zu Arbeiterinn per Trophallaxis immer wieder weiter gegeben und aktualisiert/abgewandelt wird.

Wenn sich alles zu 100% verflüchtigt wäre ggfls. die Frage ob sich die Ameisen einer Kolonie nicht auch gegenseitig attackieren.



Und davon abgesehen würden diese Kolonien natürlich mittelfristig aussterben, da keine Arbeiterinnen mehr nachkommen.

Lasius Zyanite hat geschrieben: ↑

31. Juli 2023, 13:48

Erstmal Danke für die zeitnahen und informativen Antworten.😄
Für mich ergibt sich aus den Antworten, dann folgende Frage.
Können mehrere Kolonien, der eigentlich monogynen Art, ohne Königin in einem Formicarium koexistieren? Ich sehe das doch richtig, dass der Grund vorher die Königin mit ihren Pheromonen war. Wenn also keine Königin mehr Stoffe einsetzt, könnten mehrere sogar verschiedene Spezies der Gattung als Völker miteinander leben?

Nein, das wird nicht passieren in der Form, wie du es hier beschreibst. Eine Kolonie ohne Königin kann noch eine lange Zeit zusammenleben und im Rahmen ihrer Möglichkeiten funktionieren. Es ist in den meisten Fällen nicht so, dass die Kolonie sofort zerbricht, wenn die Königin stirbt. Bei manchen Arten gibt es dann Rangkämpfe, manche adoptieren neue Königinnen, aber selbst ohne solchen Schnickschnack kann ein weiselloses (=ohne Königin) Volk sich noch lange gegenseitig erkennen und organisieren. Der Koloniegeruch ist nicht vergleichbar mit Deo, eher mit Lack, um es ein bisschen bildlicher auszudrücken.

Wenn es speziell um Temnothorax geht, können eine Menge Völker auch verschiedener Arten auf engem Raum koexistieren - sogar mit Königinnen. Es gibt einige Ausnahmen, aber in der Regel leben diese Ameisen versteckt, gehen Konfrontationen aus dem Weg und sind nicht territorial.

Der Koloniegeruch wird von den Ameisen selbst produziert und hat mehrere Facetten - die Geruchsmarker der Königin sind nur eine davon. Der Verlust einer Königin hat keinen Einfluss auf die Integrität der Kolonie, es geht lediglich ihr Marker verloren, was u.a. dafür sorgen kann, dass das Eierlegen bei den Arbeiterinnen nicht mehr unterdrückt wird (das ist bei Temnothorax aber sowieso so eine Sache, habe Studien gelesen, die sagen, dass je nach Art auch bei Kolonien mit Königin bis zu 40% der Männchen von Arbeiterinnen abstammen können). Aber auch das hängt von der Art ab, Camponotus bekommen diesen Marker soweit ich gelesen habe von den befruchteten Eiern der Königin, nicht von der Königin selbst (was erklären könnte warum Camponotusköniginnen nicht permanent von ihrem Hofstaat abgeleckt, sondern eher größenteils ignoriert werden und vermutlich auch der Grund ist, warum die in größeren Anlagen überall kleine Satellitennester gründen).

Je nach Art kann, wenn der Marker der Königin erstmal komplett verflogen ist, auch bei monogynen Kolonien eine neue Königin adoptiert werden. Bei Camponotus und Messor hat man da wohl ganz gute Chancen, mit Lasius niger eher nicht.

Um bei Temnothorax zu bleiben, wäre es laut der letzten zwei Antworten also möglich, dass mehrere T.-Völker im selben Formicarium vergesellschaftet leben ohne sich zu bekriegen? Falls ja, könnten dann so neue Gynen/Königinen für einzelne der Völker, wenn sie verweisen, ersetzt werden?