Ich hätte da noch eine Frage hierzu. Wollte es schon früher fragen, aber musste warten bis das Rätsel aufgelöst wird (kannte den Link auch schon).
Und zwar steht im Ameisenwiki:

Besonders erstaunlich ist, dass innerhalb einer so eng verwandten Gruppe wie L. goesswaldi, L. pacis und L. kutteri „plötzlich“ ein derart komplexes und ungewöhnliches „Mordverhalten“ auftaucht.

Wie ist dieses "plötzlich" gemeint? Wird dieses Verhalten erst seit kurzem beobachtet, sprich ist eine Neuentwicklung? Ist dies die einzige Möglichkeit wie Leptothorax goesswaldi gründen kann?

Danke im voraus!

Lg

Ich denke, mit "plötzlich" ist gemeint, dass bei keiner der nahe verwandten Arten auch nur ansatzweise ein derartiges aggressives Verhalten gegenüber der Wirtskönigin beobachtet werden konnte. Somit ist davon auszugehen, dass dieses Verhalten bei L. goesswaldi völlig neu entstanden ist (also plötzlich), als sich diese Art von der gemeinsamen Vorgängerart abspaltete.

Allerdings wäre die Aufstellung eines genauen Stammbaumes interessant. Wahrscheinlicher ist nämlich, dass L. goesswaldi, L. pacis und L. kutteri einen gemeinsamen Vorfahren hatten, der noch "Meuchelparasit" war. Als dieser sich in die drei Arten aufspaltete, verloren L. pacis und L. kutteri ihre "Mordgelüste" während sie bei L. goesswaldi erhalten blieben.
Vielleicht ist L. goesswaldi aber auch die Ursprungsart, aus der die anderen beiden Arten hervorgingen und dabei ihren Meuchelinstinkt verloren.

[font=Times New Roman]Es ist absolut rätselhaft, wie eine Ameisenart „auf die Idee kommen“ kann, ihre Wirtskönigin auf solche Weise langsam auszuschalten.[/font]

Als wenn man der Ameise ein bestimmtes Bewusstsein unterstellen würde. Sie muss sich ja darüber im klaren sein, dass Antennen lebenswichtige Organe/Extremitäten sind, wichtiger noch als bspw. Beine oder Augen.

[font=Times New Roman]Hier kann ich noch nachtragen, dass sehr weit entfernt vom bisher bekannten Verbreitungsgebiet ein Einzeltier von Leptothorax goesswaldi in Ost-Kasachstan gefunden wurde:[/font]
[font=Times New Roman]R. Schultz & A. Buschinger (2006): First Asian record of the parasitic ant, Leptothorax goesswaldi KUTTER, 1967 (Hymenoptera: Formicidae). Myrmecologische Nachrichten 9, 33-34. [/font]
[font=Times New Roman][color=#0000ff]http://myrmecologicalnews.org/cms/index.php?option=com_content&view=category&id=84:myrmecologische-nachrichten-9-33-34&Itemid=61&layout=default[/font][/color][font=Times New Roman] [/font]
[font=Times New Roman] [/font]
[font=Times New Roman]Auch das ist eines der Rätsel, die diese merkwürdige Art umgeben. Ist sie in dem riesigen Raum dazwischen auch vorhanden (vgl. Verbreitungskrte in der verlinkten Arbeit!)? Kommt sie noch weiter östlich und nördlich in Asien vor?[/font]
[font=Times New Roman]Jedenfalls gibt es dort noch sehr, sehr viel zu erforschen! Auch die „Endameise“ Teleutomyrmex schneideri wurde mal weit außerhalb ihres Verbreitungsgebietes in den Alpen und den Pyrenäen (sowie T. kutteri in der Sierra Nevada in Spanien) gefunden, auch in Kasachstan, und auch in Form von gerade mal einem einzigen Tierchen![/font]
[font=Times New Roman]http://www.ameisenwiki.de/index.php/Teleutomyrmex_schneideri[/font][font=Times New Roman] [/font]
[font=Times New Roman] [/font]
[font=Times New Roman]Immerhin ist in Asien noch sehr viel Raum für ähnliche Arten, die als Vorläufer von L. goesswaldi eine gemäßigtere Form der Koloniegründung aufweisen könnten, oder Übergänge von/zu dem Verhalten von L. pacis und L. kutteri. Es ist etwas müßig, darüber zu spekulieren, so lange es keine weiteren Funde und Beobachtungen gibt.[/font]
[font=Times New Roman] [/font]
[font=Times New Roman]@ Sobek: Wie das „plötzlich“ gemeint ist, hat ja Wiseman zutreffend erklärt. Entdeckt wurde das Verhalten 1986. Eine andere als die beschriebene Form der Koloniegründung ist nicht bekannt. Im Labor ließ sich die Art problemlos züchten und zeigte im Versuch immer wieder das beschriebene Verhalten.[/font]
[font=Times New Roman] [/font]
[font=Times New Roman]@ Streaker87: Das „auf die Idee kommen“ steht ganz bewusst in „ “ um klar zu machen, dass so etwas unmöglich ist![/font]
[font=Times New Roman]Hätten Ameisen derartige geistige Kapazitäten, gäbe es vermutlich keine Menschen mehr . Ich jedenfalls hätte Angst vor derart intelligenten Ameisen! [/font]
[font=Times New Roman][/font]
[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]

[font=Times New Roman]Hier kann ich noch nachtragen, dass sehr weit entfernt vom bisher bekannten Verbreitungsgebiet ein Einzeltier von Leptothorax goesswaldi in Ost-Kasachstan gefunden wurde:[/font]
[font=Times New Roman]R. Schultz & A. Buschinger (2006): First Asian record of the parasitic ant, Leptothorax goesswaldi KUTTER, 1967 (Hymenoptera: Formicidae). Myrmecologische Nachrichten 9, 33-34.[/font]
[font=Times New Roman][color=#0000ff]http://myrmecologicalnews.org/cms/index.php?option=com_content&view=category&id=84:myrmecologische-nachrichten-9-33-34&Itemid=61&layout=default[/font][/color]

[font=Times New Roman]Auch das ist eines der Rätsel, die diese merkwürdige Art umgeben. Ist sie in dem riesigen Raum dazwischen auch vorhanden (vgl. Verbreitungskarte in der verlinkten Arbeit!)? Kommt sie noch weiter östlich und nördlich in Asien vor?[/font]
[font=Times New Roman]Jedenfalls gibt es dort noch sehr, sehr viel zu erforschen! Auch die „Endameise“ Teleutomyrmex schneideri wurde mal weit außerhalb ihres Verbreitungsgebietes in den Alpen und den Pyrenäen (sowie T. kutteri in der Sierra Nevada in Spanien) gefunden, auch in Kasachstan, und auch in Form von gerade mal einem einzigen Tierchen![/font]
[font=Times New Roman]http://www.ameisenwiki.de/index.php/Teleutomyrmex_schneideri[/font]

[font=Times New Roman]Immerhin ist in Asien noch sehr viel Raum für ähnliche Arten, die als Vorläufer von L. goesswaldi eine gemäßigtere Form der Koloniegründung aufweisen könnten, oder Übergänge von/zu dem Verhalten von L. pacis und L. kutteri. Es ist etwas müßig, darüber zu spekulieren, so lange es keine weiteren Funde und Beobachtungen gibt.[/font]

[font=Times New Roman]@ Sobek: Wie das „plötzlich“ gemeint ist, hat ja Wiseman zutreffend erklärt. Entdeckt wurde das Verhalten 1986. Eine andere als die beschriebene Form der Koloniegründung ist nicht bekannt. Im Labor ließ sich die Art problemlos züchten und zeigte im Versuch immer wieder das beschriebene Verhalten.[/font]

[font=Times New Roman]@ Streaker87: Das „auf die Idee kommen“ steht ganz bewusst in „ “ um klar zu machen, dass so etwas unmöglich ist![/font]
[font=Times New Roman]Hätten Ameisen derartige geistige Kapazitäten, gäbe es vermutlich keine Menschen mehr . Ich jedenfalls hätte Angst vor derartigen Intelligenzbestien! [/font]

[font=Times New Roman]MfG,[/font]
[font=Times New Roman]Merkur[/font]

Merkur hat geschrieben:[font=Times New Roman]Immerhin ist in Asien noch sehr viel Raum für ähnliche Arten, die als Vorläufer von L. goesswaldi eine gemäßigtere Form der Koloniegründung aufweisen könnten, oder Übergänge von/zu dem Verhalten von L. pacis und L. kutteri. [/font]

Das ist halt die Frage, die geklärt werden müsste. Über welche Zwischenstufen erfolgt die evolutionäre Entwicklung hin zum permanenten (Kuschel-)Sozialparasiten alá Teleutomyrmex schneideri?

1. selbständig semi-claustral gründende Art (z.B. Myrmica rubra)
2. temporär sozialparasitär gründende Art (z.B. Formica rufa)
3. temporär sozialparasitär gründende Art mit fakultativ-aktiver Sklavenhaltung (z.B. Raptiformica sanguinea)
4. permanent sozialparasitär gründende Art mit obligatorisch-aktiver Sklavenhaltung (z.B. Polyergus rufescens)
5a. permanent sozialparasitär gründende Art mit obligatorisch-passiver Sklavenhaltung (z.B. Strongylognathus testaceus)
5b. permanent sozialparasitär gründende Art ohne Arbeiterinnenkaste, Gründung ohne Duldung der Wirtskönigin (Leptothorax goesswaldi)
6a. permanent sozialparasitär gründende Art ohne Arbeiterinnenkaste und mit massiver Degeneration, Gründung mit Duldung der Wirtskönigin (z.B. Teleutomyrmex schneideri)
6b. permanent sozialparasitär gründende Art ohne Arbeiterinnenkaste und mit massiver Degeneration, Gründung nur bei Abwesenheit der Wirtskönigin (z.B. Anergates atratulus)

Das wäre so eine grobe Skizze. Ob dies ein potentieller Entwicklungsweg ist oder ob z.B. bestimmte "Stationen" auch einfach übersprungen werden, bliebe zu erforschen.

@ Wiseman:
In diesem recht aktuellen Artikel von 2009 sind wohl alle einschlägigen Hypothesen und die jeweils vorliegende Evidenz ausführlich dargestellt:

http://myrmecologicalnews.org/cms/index.php?option=com_content&view=category&id=315:myrmecol-news-12-219-235-online-earlier&Itemid=81&layout=default

Für die Tetramorium-Parasiten gibt es sogar schon molekular-genetische Daten, und auch für die Leptothorax-Parasiten liegt bereits einiges vor. Für die "Degenerations-Hypothese" früherer Zeiten (Kutter, Gößwald u.a.) hin zur "Endameise" fanden sich bisher kaum unterstützende Hinweise.

MfG,
Merkur