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Camponotus fallax special

Allgemeine Fragen und Themen über europäische Ameisenarten (hier keine Berichte)
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Sajikii
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#1 Camponotus fallax special

Beitrag von Sajikii » 20. Februar 2010, 21:07

Guten Tag die Gemeinde!

In diesem Thread möchte ich über die besonderen Eigenschaften der seltenen Camponotus fallax schreiben, die ich im letzten Jahr beobachten konnte. Schon im Seifert steht, dass diese Ameise Bienenstöcke als Heim gerne aufsuchen, und besonders bewohnte Bienenstöcke bevorzugen. Und das kann ich nur bestätigen!

Diese kleine und schöne Camponotusart bewohnt Wälder und nistet vorzugsweise im morschen Holz. Durch ihre Größe und Färbung sind sie noch dazu schwer am Waldboden auffindbar, sie verschmelzen mit ihrer Umgebung und sind fast immer mit einem schnellen Tempo unterwegs, so als wären sie ständig auf der Flucht. Ich fand auch noch nie ein Nest im Bodenbereich, daher vermute ich das sie besonders alte Äste in der Baumkrone bevorzugen. Nachdem sie aber gerne Bienenstöcke bewohnen, trifft man sie als Imker natürlich wesentlich öfter an und bekommt einiges von ihnen mit - falls man sie beachtet natürlich! Sie bevorzugen im Bienenstock den Deckelbereich, meist sitzen sie direkt auf der Schutzfolie die sie nur 0,5mm von den Bienen trennt. Größere Kolonien können schon mal im Deckel selbst etwas Gänge beißen, tun sie aber wirklich selten und machen daher eigentlich keinen Schaden.

Nun betrachten wir mal den Lebensraum Bienenstock:
Diese Art hat mit diesem Neststandort wahrhaftig den Jackpot geknackt. Es verzeichnen sich wesentlich mehr Vorteile als Nachteile, und bringen so manch spezielle Ereignisse zum Vorschein.
Eine Kolonie im Deckel hat, bis auf die minimalen Löcher oder Ritzen im Holz als Eingänge, keinen Zugang zur Außenwelt. Feindliche Ameisen finden also schwer in das Nest und müssten vorher erst auch einmal bei der Wache vorbei, die eine Reihe gefährlicher Majormandibeln bildet. Ein ökologisch behandelter Bienenstock beherbergt nicht nur Bienen, sondern Wachsmotten, Raubwanzen, Spinnen, paar Asseln usw. usf. Die Proteinquelle ist riesig - soweit ich aber beobachten kann ist C.fallax kein besonders großer Räuber, wird sich eher an dessen Eier und Leichen vergnügen. Dann darf man nicht die Bienen vergessen, in einem Jahr kann maximal 40kg "Dünger" durch Bienenleichen usw. vor dem Bienenstock liegen. Frischtote Bienen sind also auch ein Leckerbissen für die Ameisen!
Dann nicht zu vergessen, der Honig und die Pollenüberreste! Einzelne Arbeiterinnen können sich schon mit etwas Geschick und Blitzgeschwindigkeit (gerade bei C.fallax sehr ausgeprägt) bei den Bienenwächtern vorbei schwindeln, um sich etwas zu holen. Auch zu erwähnen wäre die Herbst- und Frühjahrsfütterung der Bienen durch den Imker. Wenn der Imker den Honig erntet, nimmt er ja die Winterreserven der Bienen weg, die dann z.B. durch die Zuckersirupfütterung wieder die Reserven auffüllen können. Und genau in dieser Zeit, wo gefüttert wird, können die C.fallax ebenso richtig toll naschen, da der Sirup meist in einem offenen Behälter ist. Dann darf man nicht die Stocktemperatur vergessen. Die Bienen brauchen 35,5 Crad im Stock damit sich die Brut entwickelt. Und genau diese Wärme (bestimmt keine 35,5 Crad, aber etwas um diese Zahl herum) bekommt auch das Ameisennest im Deckel ab. Die Ameisenbrut kann sich daher perfekt entwickeln, da es eigentlich nie eine kühle Phase gibt, falls es mal regnet oder ähnliches.

Im Winter konnte ich durch die Oxalsäurebehandlung bei den Bienen oftmals in den Deckeln die C.fallax finden. Dabei konnte ich merken, dass bei schwachen Bienenvölkern die Ameisen in der Starre waren, aber sobald ein Bienenvolk sehr stark war und bis zur Folie rauf sitzte, die Ameisen völlig aktiv, genau über den Bienen ohne in der Starre zu sein sich bewegten. Jetzt stellt euch mal vor ... die Bienen haben ständig die 35,5 Crad, die Ameisen sitzen direkt auf einer Wärmequelle, bloß getrennt von einer hauchdünnen Folie, die niemals aufhört zu wärmen, außer die Bienenkolonie stirbt ab. Nehmen wir an, eine C.fallax Kolonie sitzt über einem tollen Winterbienenvolk, hat schöne wärme, bewegt sich wie normal, und das das ganze Jahr über? Was ist nun mit der nötigen Winterruhe? Sind die C.fallax Winterruheunabhängig? Was meint ihr? Finde ich extrem interessant...

Und dann möchte ich noch kurz hinzufügen, dass ich schon ein paar Fälle hatte, wo ausgewachsene C.fallax Kolonien zwei Gynen hatten. Ich bin mir ziemlich sicher! Beim ersten Mal dachte ich mir, "gut, hab ich mich wohl verschaut", aber beim zweiten Mal konnte ich deutlich zwei Gynen entdecken. Finde ich sehr interessant, und das bei Camponotus die sonst so streng monogyn, selten oligogyn sind!

Dann noch zu den Nachteilen eines Stocknestes:
Wenn der Imker nicht ökologisch denkt und generell kein anderes Lebewesen duldet (was es ja tatsächlich oft gibt!), wird er garantiert den Ameisen das Leben schwer machen. Sprich Ameisengift oder Ähnliches.
Und, jeder Eingriff des Imkers stört nicht nur die Bienen, sondern auch die Kolonie die auf der Folie sitzt, die aber abgezogen werden muss! Bevor ich es schaffte das meine Imkerkollegen Ameisenfreundlicher arbeiten, sprich Folie vorsichtig abnehmen und wie eine Tüte zusammenlegen und nach dem Eingriff wieder normal zurück legen sodass die Ameisen halbwegs verschohnt bleiben, wurden die Folien mit einem Ruck abgezogen und die Ameisen flogen durch die Luft :(. Zum Glück verkraftet sowas eine C.fallax Kolonie, bei einer erneuten Kontrolle sind die Ameisen wieder so wie vorher im Deckel vorhanden.

Außer den C.fallax die man wirklich oft unter den Deckeln sieht, kann man auch manchmal Lasius emarginatus (dessen riesige Kolonien aber dann sogar einem Bienenvolk das etwas schwächelt gefährlich werden könnte), hier und da eine Leptothorax sp. oder Themnothorax sp. oder ganz selten Camponotus vagus und Dolichoderum quadripunctatus finden!

Und zum Abschluß noch ein paar Fotos von C.fallax Kolonien unter Stockdeckeln:

Bild
Hier sieht man eine aufgescheuchte Kolonie unter einem gerade hoch gehobenen Deckel.

Bild
Arbeiterinnen versuchen die Brut zu retten.

Bild
Nochmals eine schöne Kolonie. Leider etwas unscharf!


LG

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Boro
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#2 AW: Camponotus fallax special

Beitrag von Boro » 21. Februar 2010, 09:57

Hallo Sajiki!
Danke für diesen sehr interessanten Bericht! C. fallax ist nicht nur eine schöne, sondern auch sehr interessante Art. Das erste Mal hab ich sie vor Jahren zufällig auf einer alleinstehenden alten Föhre in 750m Seehöhe gefunden. Inzwischen schon etliche Male, das ist eine ausgesprochen arborcole Art, Erdnester wird man nie finden.
Inzwischen weiß ich schon seit einigen Jahren, dass diese Art bei mir im alten Dachstuhl des Hauses wohnt. Von dort aus besucht sie die Läusekolonien einer rankenden baumartigen Campsis radicans (Trompetenwinde). Am anderen Eck wohnt C. truncatus und wechselt von dort auf einige am Dach aufliegende Äste meiner Atlas-Zeder. Beide Arten leben vorwiegend in Trophobiose. Beide Arten sind sehr scheu und stets fluchtbereit. Eine Jagd auf Insekten ist für mich nicht vorstellbar. C. truncatus ist noch mehr an das Leben auf Bäumen angepasst.
Dass gerade C. fallax immer wieder in Bienenstöcken angetroffen wird, mag damit zusammenhängen, dass die schwärmenden und schließlich begatteten Weibchen vermutlich vom Honiggeruch angelockt werden und bereits fliegend solche Stöcke ansteuern. Ich gehe davon aus, dass sie immer wieder am Honig naschen.
Diese Vorliebe für Bienenstöcke mag aber eine noch viel ältere Wurzel haben: Als baumbewohnende Art wird sie vielleicht schon immer die in grauer Vorzeit viel häufigeren Wildbienennester aufgesucht haben. Das bringt viele Vorteile: Nahrung, Schutz und Wärme! Interessant, dass andere Arten von dieser Gelegenheit kaum jemals Gebrauch machen. Ein Grund wäre, dass die oft zu aggressiv werden und dann eine Abwehrreaktion der Bienen hervorrufen, wie dein Beispiel v. L. emarginatus zeigt.
Sehr interessant wäre es nun, das Verhalten der Art während der Winterruhe zu beobachten und auch zu dokumentieren. Inwieweit profitieren sie von der Wärme, welche Temperatur-Mittelwerte treten während der Wintermonate in unmittelbarer Nähe der Ameisen auf? Sind sie u. U. während des Winters teilweise aktiv? Gehen sie an die Zuckerwasserlösung od. an tote Bienen? Oder verhält es sich so wie bei den mediterranen Camponotus-Arten, die bei uns bei 10°-15° gehalten werden, dabei etwas furagieren, sich aber zum größten Teil doch ruhig verhalten? Wie hoch ist die Luftfeuchtigkeit im Stock bzw. im Nestnähe? Woher nehmen sie Feuchtigkeit, aus der Zuckerlösung?
Was die Temperaturen allgemein betrifft, ist die (südliche) Art sehr flexibel: Im Winter müssen sie unter der Borke von alten Bäumen auch -20° aushalten. Bei mir im Dachstuhl hat es in deren Nestbereich sicher oft 50° und mehr (in dem Bereich nur Sparren, Dachlatten u. Ziegel darauf!). Wie sie diese Hitze aushalten, ist mir schleierhaft.
Ich hoffe, du wirst uns bald noch mehr Details erzählen.....
L.G.Boro



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Sajikii
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#3 AW: Camponotus fallax special

Beitrag von Sajikii » 14. März 2010, 00:23

Da bin ich wieder!

Nach den letzten Bienenkontrollen kann ich bestätigen das vor ein paar Wochen die Camponotus fallax bereits sehr aktiv unterm Deckel herum liefen, schon so manch Larven hatten und alle Reserven (vor dem Winter waren die Kröpfe wirklich immer Rand voll) aufbrauchten. Dabei ergab sich wieder die Beobachtung zweier Gynen in einem Nest. Leider hatte ich wie immer keine Digicam dabei (die Fotos vom ersten Beitrag entstanden in der Feldforschung wo ich eine natürlich bei mir trug!) und machte mit meiner extrem schlechten Handycam ein Foto. Es ist wirklich sehr schlecht geworden, es war auch nicht anders zu erwarten. Die zwei Gynen habe ich noch zusetzlich rot eingeringt. Auch wenn dieses Foto schlechter Qualität ist, so könnt ihr mir nun endlich Glauben schenken. Camponotus fallax birgt oft mehrere Gynen!

Bild




Ah ja, was ich eigentlich beim ersten Beitrag noch schreiben wollte: Auch Camponotus truncatus ist selten aber doch ein Bewohner von Bienenstöcken! Bewohnte Bienenstöcke sind wahrhaftig gute Lebensräume für unsere bedrohten Ameisenarten.


LG

Gast
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#4 AW: Camponotus fallax special

Beitrag von Gast » 14. März 2010, 08:42

Camponotus fallax kann auch als Hausameise auftreten. Im Beratungs-Forum der DASW sind im Januar bis März 2009 zwei Fälle bekannt geworden
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=838
Ein weiterer Fall trat jetzt im März 2010 auf:
http://www.ameisenschutzwarte.de/forum/viewtopic.php?t=1072
Parallel dazu erhielt ich, ebenfalls Anfang März 2010, eine umfangreiche Probe mit Männchen und Gynen aus einem Dachgeschoss im Großraum Berlin.
Zum Glück sind diese Camponotus nicht so lästig bzw. gefährlich wie andere Hausameisen.

mfG,
Merkur



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#5 AW: Camponotus fallax special

Beitrag von Boro » 14. März 2010, 09:16

Hallo Sajiki!
Das glaube ich dir gleich, dass du die 2 Königinnen nebeneinander gefunden hast. SEIFERT schreibt zu dieser Art: "Wohl monogyn". Darin sehe ich die Andeutung, dass die Sache nicht ganz geklärt erscheint. Inwiefern Polygynie vorliegen könnte, weiß man ja nicht, dazu müsste das zweite Weibchen reproduktiv sein.
Bei Camponotus piceus habe ich in meinem Steingartennest eindeutig 2 Königinnen nebeneinander gesehen. SEIFERT äußert sich hier nicht bezüglich einer allfälligen Monogynie.
Auch hier kann ich nicht sagen, ob beide Gynen reproduktiv waren. Tatsache ist, dass eine der Königinnen später mit einem Teil der Arbeiterinnen und Brut ein neues Nest aufgesucht hat, das etwa 2m vom ersten entfernt liegt. Eine Feindseligkeit zwischen den Gynen/Nestbewohnerinnen konnte ich nicht feststellen. Im Gegenteil: Im Sommer 2009, also 2 Jahre nach der Trennung, konnte ich plötzlich eine rege belaufene Straßenverbindung zwischen beiden Nestern beobachten. Brut wurde keine transportiert. Welchen Zweck die über 2 Tage anhaltende "verwandtschaftliche Kontaktaufnahme" gehabt haben könnte, weiß ich nicht.
Vielleicht kannst du noch ein gutes Foto schießen. Es handelt sich um eine friedliche und sehr schöne Art!
L.G.Boro



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#6 AW: Camponotus fallax special

Beitrag von Sajikii » 14. März 2010, 10:20

Vlt. trau ich mir mal diesen Schritt und nehme mir die Digicam mit in die Arbeit. Das die Digicam dann unter großer Gefahr vor Schmutz, Honig und der Zertrümmerung steht macht die Sache nicht einfach. *gg*
Camponotus piceus konnte ich derweil leider nur in Kroatien beobachten. Finde es aber immer wieder interessant wie die kleinen Camponotusvertreter so Sonderbar sein können bzw. mehrere Gynen oder wie von dir beschrieben die Tochternestbildung zeigen.

Hm, ja, C.fallax im Haus zu haben würde mich echt nicht stören. Ich würde es sogar begrüßen. Aber ist natürlich jedem das seine...

Vlt. ergibt sich mal der Fall und C.fallax nistet sich in meinen privaten Bienenstöcke ein. Denn dann kann ich wirklich mit der Digicam arbeiten und oben drein das jedes Wochenende!

Schönen Sonntag noch,


LG

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#7 AW: Camponotus fallax special

Beitrag von Boro » 14. März 2010, 16:01

Du sprichst mir aus der Seele! Bei mir im Haus nistet seit Jahren eine Kolonie von C. fallax in der einen Ecke des Dachstuhls, in der anderen Ecke wohnt C. truncatus! Ein richtiger Grlücksfall!
Ich hoffe nur, dass meine im Mauerwerk wohnenden aggressiven Lasius emarginatus die Nester nicht entdecken.

L.G.Boro



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#8 AW: Camponotus fallax special

Beitrag von Ameise1 » 15. März 2010, 22:13

Guten Abend.
Sehr interessanter Beitrag Sajiki. Mein Schwager ist auch Imker und nimmt mich ab und an mal mit wenn er die Bienen "besucht". Dabei konnte ich im letzten Sommer auch beobachten das eine Camponotus Art im Stock lebte. Ich konnte sie leider nicht bestimmen aber anhand deiner Bilder würde ich auch stark auf C. fallax tippen. Mein Schwager sagte mir das diese Kolonie dort schon seit einigen Jahren Nistet und er sie auch ab und zu mal im inneren des Stocken sichten konnte. Nächsten oder übernächsten Monat fahre ich wieder mal mit ihm mit, mal sehen ob ich da auch etwas von dieser Kolonie berichten kann.

Gruß Martin



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