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Attafive
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#17 Temporärer Sozialparasitismus !!

Beitrag von Attafive » 7. November 2006, 13:41

Hallo zusammen !!

Nach Durchsicht dieses threads möchte ich einige Dinge klarzustellen versuchen.

Die von "Gummib4er" skizzierte Beobachtung kann insofern nicht zutreffen, weil bei der unterirdisch lebende L. flavus die Nestgründung in Form von Pleometrose erfolgt, d.h. meist mehere Königinnen gemeinsam die Gründungsphase absolvieren, aber nie unter Einbezug von sog. Hilfsameisen.

Was wir hier vor uns haben, ist eindeutig eine Form von temporärem Sozialparasitismus, worunter Arten zu verstehen sind, welche ausschliesslich nur mit Hilfe fremder Ameisen eine Nestgründung vollziehen können. Instruktive Beispiele liefern dazu alle einheimischen Lasius-Arten.

Konkret handelt es sich bei dem hier zitierten Fall um einen sog. obligatorischen temporären Sozialparasitismus ohne Dulosis (also ohne Sklavenraub), wie dies schon 1905 von Wheeler und Wasmann erstmals beobachtet und beschrieben wurde.

Die von "Skeeve" gemachte Beobachtung trifft insofern zu, denn tatsächlich konnten sowohl im Freiland wie auch in Laborversuchen beobachtet werden, dass eine umbratus-Königin sich vorerst lauernd am Nesteingang eines niger-Nestes "herumtreibt", um dann plötzlich eine niger-Arbeiterin zu schnappen und damit verschwindet, um sie zu töten. Crawler hat dies erstmals 1896 beobachtet und 1909 beschrieben !

Tatsächlich begibt sich das umbratus-Weibchen nach den Killen der "Beute" ins niger-Nest, wo es (nach wiederholten Beobachtungen im Formikar) bald einmal mit zunehmendem Interesse von den niger-Arbeiterinnen begrüsst und umsorgt wird (= Wirkung des vom umbratus-Weibchen produzierten Pheromons !), während die niger-Königin mehr und mehr "vernachlässigt" und später meist auch getötet wird.

Schliesslich ist die umbratus-Nachkommenschaft die dominierende und die niger-Arbeiterschaft die dienende Art. In der Folge wird die ursprünglich reine niger-Kolonie eine gemischte umbratus-niger-Kolonie, aus der sich nach und nach eine reine umbratus-Kolonie entwickeln wird.

Ob sich dann später daraus eine gemischte umbratus-fuliginosus-Kolonie und anschliessend eine reine fuliginosus-Kolonie resultiert, dürfte wohl nur eine Frage der Zeit und von der extrem hohen Fruchtbarjeit der fuliginosus-Königin sein, denn L. umbratus dient ihrerseits wieder als Hilfsameise bei der Koloniegründung von L. fuliginosus !!

Ich hoffe, mit diesen hier allerdings sehr kurz formulierten Abläufe vielleicht doch etwas Licht in die Diskussion bringen zu können !

Schöne Grüsse

Ryk



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#18

Beitrag von Skeeve » 7. November 2006, 20:20

Du übertreibst jetzt nur ein bisschen was Lasius fuliginosus angeht.
Das hört sich jetzt so an als würde jedes Lasius umbratus Nest über kurz oder lang von Lasius fuliginosus übernommen. Lasius umbratus Nester habe ich schon überall gefunden, Lasius fuliginosus allerdings meist nur in Wäldern. In Städten bei uns gar nicht. In Baumreichen Habitaten mag es eine Frage der Zeit sein, in Siedlungsbereichen wohl eher nicht.

Schöne Grüsse

Michael



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Attafive
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#19 Sorry Skeeve !!!

Beitrag von Attafive » 8. November 2006, 13:16

Hallo Michael !!

Was ich oben schrieb, hat nichts mit Uebertreibung zu tun, sondern ist eines der interessantesten Phänomene in Sachen Sozialparasitismus. Diese Wechselbeziehungen innerhalb von Ameisenstaaten sind denn auch ein besonders überraschendes und anregendstes Untersuchungsthema !!

Das in diesem thread angeschnittene Thema ist (nach Prof. Buschinger, 1985) das, was man gemeinhin als "sozialer Hyperparasitismus" bezeichnet.

Andererseits ist es für mich bezeichnet, dass man bei "Bestimmen" von einer Ameisenart auf L. flavus kommt, ohne sich genau über die Nestgründungsform dieser Art auszukennen . . .

Es dauert etwa 2 Jahren, nachdem die niger-Arbeiterinnen in einer gemischten Kolonie altershalber ausgestorben sind, bis ein reines umbratus-Volk entstanden ist.

Zugegeben, fast alle sozialparasitischen Ameisenarten sind übers Ganze gesehen relativ selten. Wir kennen heute weltweit nur etwas über 200 parasitischen Ameisenarten, also knapp 2% der beschriebenen Ameisenarten, bei denen der "Temporäre Sozialparasitismus" bekannt ist, und der sich stets nur auf die Phase der Koloniegründung beschränkt.

Wie z.B. Prof. Buschinger feststellte, sind "in einer sehr gut untersuchten Faune, etwa in der Schweiz, ... rund 30 % der Ameisenarten als Parasiten abhängig von anderen Ameisenarten" bekannt.

Schöne Grüsse

Ryk

PS: Wenn man sich seit mittlerweilen über 45 Jahren mit und über Ameisen beschäftigt, und über 250 Titel sowie -zig Hundert Fachartikel aus der Zeit von 1875 bis 2006 zur Verfügung hat, nicht zu nennen die eigenen Untersuchungen im Freiland und Labor, weiss man vielleicht einen kleinen "Tick" mehr, als das was vielleicht nur der "Seifert" allein vermittelt ;-))



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Antastisch
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#20

Beitrag von Antastisch » 8. November 2006, 18:07

Hey Ryk,
freut mich sehr, mal wieder von dir zu lesen. Schön, dass du hier zur Aufklärung beiträgst.
Im Übrigen verteile ich die Benutzerränge nicht zum Spaß *auf Ryks Rang deut* ;)



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#21

Beitrag von Skeeve » 8. November 2006, 20:51

Will ich ja auch nicht bezweifeln, wollte aber nur darauf hinweisen das man Lasius fuliginosus eigentlich nicht in Städten findet, Lasius umbratus aber schon. Die Wahrscheinlichkeit, dass so ein Nest übernommen wird ist wohl sehr gering. Im Dortmunder Norden wo ich mich auskenne habe ich bis jetzt noch nie Lasius fuliginosus finden können. Lasius umbratus schon recht häufig. Ich will ja auch nicht an Ryk zweifeln es klang nur sehr einseitig so, das ein Lasius umbratus Nest auf jeden Fall übernommen wird. Dem ist nicht so.
Den Seifert habe ich natĂĽrlich auch mal gelesen, mein Wissen grĂĽndet aber immerhin auch auf 15 Jahre Haltung.
Ich finde es aber sehr nett gepflegt zu diskutieren, man lernt SchlieĂźlich immer dazu.

Schöne Grüsse

Michael



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