User des Monats Oktober 2024   ---   Denis  ---   Danke vom TEAM Ameisenforum  

Myrmekophile

Themen ĂŒber andere Insekten und Spinnentiere.
Benutzeravatar
cvb
Halter
Offline
BeitrÀge: 174
Registriert: 26. Oktober 2003, 11:54
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#1 Myrmekophile

Beitrag von cvb » 7. Mai 2007, 09:46

Hallo liebe Ameisenliebhaber,
es wurde schon einmal ein thread zu AmeisengÀsten eröffnet, doch leider sind keinerlei Informationen bzw. Bilder darin enthalten.
Ich möchte euch mit diesem thread hier aufrufen, die GĂ€ste – die Myrmekophilen- in den Ameisennestern unserer europĂ€ischer Ameisenarten zu prĂ€sentieren. ZunĂ€chst möchte ich die sehr offen gefasste Definition von Myrmekophilen aus „The Ants“ zitieren: „ An organism that must spend at least part of its life cycle with ant colonies.“
Herr Buschinger schrieb schon einmal einen interessanten Bericht zu der Schwebfliege Microdon mutabilis und zu Nematoden (http://ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-archiv/20258-ameisengaeste-und-parasiten.html). Ich fand nun in einem Tetramorium sp. Nest in einem verlassenen Steinbruch in Mannheim-Friedrichsfeld ebenfalls einige Larven, die wohl auch zu einer myrmekophilen Spezies gehören. Ich weiss nicht, ob dies ebenfalls eine Schwebefliegenlarve ist (EDIT: Gaster weißt weiter unten darauf hin, dass die einfach nur Geschlechtstierlarven sind. Dies dachte ich anfangs auch, nachdem ich das Bild von Herrn Buschinger Schwebefliegelarven gesehen hatte und mir die GrĂ¶ĂŸe der Larven doch enorm gross vorkamen, habe ich hier zu schnell einen Schluss gezogen; Tx Gaster; Allerdings habe ich das Meconium oder den Mitteldarm eher immer als Sackstruktur in Larven wahrgenommen, hier erinnert mich der schwarze Strich doch eher an das von Herrn Buschinger beschriebene DorsalgefĂ€ss (welches ich jetzt noch nicht so wahrgenommen habe bei Larven von Myrmica rubra und Lasius sp.).
Bild
Tetramorium sp. + Larve
Bild


Zu den AmeisengĂ€sten gehören so verschiedene Gruppen wie die KĂ€fer (Coleoptera; hĂ€ufig aus der Familie der Staphilinidae (KurzflĂŒglern)), Milben (Acari), SpringschwĂ€nzen (Collembola), Fliegen (Diptera), Wespen (Vespidae) und noch viele weitere Insektengruppen.
Gestern habe ich in einem Lasius sp. Nest in unserem Garten zwei der auffÀlligen und hÀufigen GÀste in Nestern heimischer Ameisen gefunden: das Ameisenfischen (Atelura formicarius) und die Ameisenassel (Platyarthrus hoffmannseggi).
Bild
Bild
Platyarthrus hoffmannseggi

Leider habe ich nicht viel Literatur zu dieser Assel gefunden, wenn jm. von euch einen Artikel davon findet, bitte posten. Meine zwei eingesammelten Ameisenfischen waren leider sehr zerquetscht, so dass ich euch die Fotos erspare. Kommt vielleicht noch.
Auf der Suche im Lasius Nest fand ich zunĂ€chst nur die oben beschriebenen auffĂ€lligen Species. Bei genauerem hinsehen konnte man allerdings noch allerlei „Kleinkram“ entdecken, wie bsp. SpringschwĂ€nze. Dabei kann ich natĂŒrlich nichts darĂŒber sagen, ob diese zufĂ€llig in AmeisennestnĂ€he vorkamen, oder eben echte Myrmekophile sind, denn wenn man einen beliebigen Stein oder ein StĂŒck Holz hochhebt, so findet man ja nahezu immer eine Vielzahl von SpringschwĂ€nzen.
Die Anpassungen der Myrmekophilen an die Ameisen ist ein hoch interessantes Thema. Wie wird gewĂ€hrleistet, dass die Ameisen die „GĂ€ste“ nicht verscheuchen? Welche Anpassungen haben die Myrmekophilen (bsp. Verhalten, Duft, AppeasementdrĂŒsen, Panzerung…) und welche Gegenmassnahmen haben die Ameisen entwickelt (bsp. Verbesserung des Kolonieerkennungssystem, höhere AggresivitĂ€t,..). Sind Myrmekophile, die die Ameisenkolonien stark schĂ€digen (wie Atemeles bsp der sowohl Brut frisst als auch gefĂŒttert wird (sogar besser als die Larven der Kolonie)) durch mehrere Spezialisierungen stĂ€rker angepasst als Myrmekophile, die einen geringeren Schaden anrichten (bsp. sich nur vom Abfall der Ameisen ernĂ€hren). WĂŒrde bsp. durch den starken Selektiondruck von Atemeles das intrakoloniale Erkennungssystem einer Art effektiver werden, so sollte sich das doch auch auf die Erfolgschancen harmloserer Myrmekophilen auswirken. Oder sind die Myrmekophilen alle so unterschiedlich eingenischt (bsp. eine Art nimmt den Duft der ausgewachsenen Arbeiterinnen an, eine andere den Duft der Larven), dass sich die speziellen Gegenanpassungen gegenĂŒber einer Myrmekophilenart kaum auf die anderen Myrmekophilenarten auswirkt. Man kann ein Ameisennest wohl wie ein eigenes kleines Ökosystem betrachten, indem die einzelnen Arten auf höchst komplexe Weise miteinander verbunden sind.
Ich bin mal höchstgespannt auf die Bilder eurer gefundenen Myrmekophilen. Es gibt ja auch schon einige Berichte oder Fotos von Myrmekophilen hier im Forum und hier sind mal zwei links dazu:
Zu Leptogenys:
http://ameisenforum.de/neues-aus-medien-wissenschaft/wanderverhalten-bei-leptogenys-t24705.html
Atelura + Aphiden:
http://ameisenforum.de/ameisenforum-2001-2005-archiv/mitbewohner-im-lasius-niger-nest-t21678.html
Dann steht sicherlich noch vieles zu Aphiden , Milben und und und im Forum. Über weitere links im Forum wĂŒrde ich mich auch freuen. Freu mich also ĂŒber eure Bilder und Literaturhinweise zum Thema. Viele GrĂŒĂŸe
Christoph



Benutzeravatar
Witzman
Fortgeschrittener Halter
Offline
BeitrÀge: 806
Registriert: 21. April 2003, 22:33
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#2 AW: Myrmekophile

Beitrag von Witzman » 7. Mai 2007, 11:44

Bam Ba Bam:
AmeisengÀste - AmeisenWiki

ciao
Witzman



Gaster
Halter
Offline
BeitrÀge: 1489
Registriert: 2. Januar 2006, 17:51
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 2 Mal

#3 AW: Myrmekophile

Beitrag von Gaster » 7. Mai 2007, 14:42

Hallo cvb, ich kann zwar nichts zu dem eigentlich Thema beitragen, wollte aber kurz schreiben, dass es sich bei den Tetramoriums einfach um Geschlechtstierlarven handelt. Bei mir in der Gegend haben sich die meisten bereits verpuppt (Nacktpuppen), allerdings sind auch noch manche Larven vorhanden.


MfG Jan



Benutzeravatar
cvb
Halter
Offline
BeitrÀge: 174
Registriert: 26. Oktober 2003, 11:54
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#4 AW: Myrmekophile

Beitrag von cvb » 7. Mai 2007, 18:40

Im Leptogenys Beitrag (oben ist der link) ist ein kurzer Hinweis auf die erste echte myrmekophile Schnecke die bei der Treiberameise Leptogenys distinguenda gefunden wurde. Ich habe mir gestern diesen Artikel durchgelesen und beschreibe euch mal kurz die wichtigsten Ergebnisse, da ich diese sehr interessant fand.
Erstmal ein Bild der Schnecke, die gerade bei einem Nestumzug von einer Arbeiterin transportiert wird:
http://www.vwitte.de/pics/original/AllopeasEmigration.jpg
Die Autoren beschreiben hier auch sehr nett, wie interessant es eigentlich ist, dass gerade eine so immobile Spezies wie diese Schnecke eine enorm hohe MobilitĂ€t erreicht, indem sie als Myrmecophile bei Treiberameisen vorkommt. Die Schnecke kommt in den Biwaks der Kolonien vor und ernĂ€hrt sich von der eingetragenen Beute der Treiberameisen. An Brut oder Pflanzenmaterial hatten die Tiere kein Interesse. In Emigrationsexperimenten vor Ort (Malaysia, nahe Kuala Lumpur) in kĂŒnstlichen Nestern wurde zunĂ€chst die eigene Brut ins neue Nest transportiert und danach alle Schnecken. Keine wurde im alten Nest zurĂŒckgelassen. Die Schnecken seggregieren eine schaumige Substanz bei Kontakt mit den Ameisen, welche die Ameisen dann attraktiv finden. Die Ameisen sammeln diese schaumige Substanz auf und heben die Schnecke schließlich auf und transportieren sie. Es handelt sich wohl um eine sehr Speziesspezifische Substanz, da keine Effekte auf Diacamma sp. und Odontoponera sp. festzustellen waren. Eine andere Allopeas Art, die außerhalb der Ameisennester gefunden wurde, wurde erwartungsgemĂ€ĂŸ auch nicht von den Ameisen transportiert. Die Schnecke kann durch Nestspaltung auch in neue Kolonie gelangen. Die Schnecke ist lebendgebĂ€hrend und bringt immer nur einen grossen Nachkommen zur Welt, eine weitere erstaunliche Anpassungen, die den jungen Schnecken einen Verbleib in den Ameisennestern sichert. Die Treiberameisen vollziehen schließlich im Durchschnitt jeden 1.5ten (je nach Futterangebot) einen Nestumzug. Da kann man sich natĂŒrlich auch fragen, ob gerade diese hĂ€ufigen UmzĂŒge eine Gegenanpassung gegenĂŒber schĂ€dlichen Myrmekophilen ist.
Zur evolutiven Anpassung dieser Schnecke Ă€ußern die Autoren folgende Hypothese:
Schnecken nutzen ihre Sekrete als Verteidigung gegenĂŒber Ameisen. Kleine Schnecken, wie die hier beschriebene Art und einige andere getestete Kontrollarten, werden von den Ameisen nicht angegriffen. So konnte sich der Defensivmechanismus der Seggregation fĂŒr andere Zwecke evolutiv verĂ€ndern. Anfangs reichte es vielleicht aus, wenn die Schnecke in AmeisennĂ€he vorkam, da sie hier vor anderen RĂ€ubern geschĂŒtzt war. Ein Wechsel der Abwehrsubstanz zu einer Attraktivsubstanz wĂ€re ein Überlebensvorteil gewesen, sodass sich die heutige AttraktivitĂ€t der Schaumsubstanz herausbildete. Ein weiterer Vorteil in einem Treiberameisennest zu leben, ist die energiereiche Beute, an welche die Schnecke alleine nicht herankĂ€me.
Ein sehr spannendes Feld- wie gesagt :spin2:

- Allopeas myrmekophilos (Gastropoda, Pulmonata), the first myrmecophilous mollusc living in colonies of the ponerine army ant Leptogenys distinguenda (Formicidae, Ponerinae); V.Witte, R.Janssen, A. Eppenstein, U.Maschwitz; Insectes soc. 49 (2002) 301-305
- Raiding and emigration dynamics in the ponerine army ant Leptogenys distinguenda (Hymenoptera, Formicidae); V. Witte, U. Maschwitz; Insectes soc. 47 (2000) 76-83



Benutzeravatar
Boro
Halter
Offline
BeitrÀge: 6149
Registriert: 28. MĂ€rz 2004, 19:00
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 9 Mal

#5 AW: Myrmekophile

Beitrag von Boro » 8. Mai 2007, 09:13

Hallo cvb!
Ein sehr interessantes Thema, das du hier aufgreifst. Ich glaub, da gibts noch eine Menge zu forschen!
Im vorigen Jahr hatte ich GlĂŒck: In einem Nest von Solenopsis fugax entdeckte ich ein eigenartiges Insekt, das ich zuerst fĂŒr ein ergatomorphes MĂ€nnchen hielt. Prof. Buschinger hat mich dann aufgeklĂ€rt:
Es handelt sich um den seltenen Ameisengast Solenopsia imitatrix Wasmann. Die LebensumstÀnde dieses Insekts sind mir aber nicht bekannt!

http://ameisenforum.de/einheimische-europaeische-ameisen/solenopsis-fugax-fotos-t24861.html



Benutzeravatar
cvb
Halter
Offline
BeitrÀge: 174
Registriert: 26. Oktober 2003, 11:54
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#6 AW: Myrmekophile

Beitrag von cvb » 8. Mai 2007, 16:07

Hi Boro,
ich habe einen kleinen Abschnitt zu Solenopsia imitatrix im Kosmos-BĂ€ndchen "Unsere Ameisen II" von K. Gösswald (1955; S.19) gefunden. S.imitatrix ist eine Zehrwespe (Proctotrupoidae), die wie man super auf deinen Bildern sehen kann bei der Diebsameise Solenopsis fugax vorkommt. Sie ist noch kleiner als die winzige, nur 1,5- 2 mm lange Wirtsameise. Der kleine Gast bettelt seinen Wirt erfolgreich nach Ameisenart um Futter an. Die Larve der Zehrwespen entwickelt sich interessanterweise parasitisch im Wirt. Adulte Solenopsia werden hĂ€ufig von den Wirtsameisen beleckt und bei Gefahr manchmal fortgetragen. Die Ameisen beißen der Wespe sogar kurz nach dem SchlĂŒpfen die FlĂŒgel ab, um so leichter an die Exsudationsorgane zu gelangen. Exudatorgane werden hier als Poren und Trichome, d.h. goldgelbe, steife HÀÀrchen oder Borsten beschrieben, die an ihrer Basis mit einem Nervenende in Verbindung stehen. Bei BerĂŒhrung der Reizborsten durch eine Ameise wird das Exsudat abgegeben. Die Adoptions-, Verteidigungs-, und BeschwichtigungsdrĂŒsen von Atemeles pubicollis sind also wenn ich das richtig verstehe auch Exsudatorgane.
Andere Zehrwespen behalten im Nest der Diebsameisen ihre FlĂŒgel (Trichopria inquilina und Lepidopria pedestris). Auch bei der Rasenameise [size=-1](Tetramorium caespitum)[/size] kommen Zehrwespen vor (Tetramopria aurocincta und T. cincticollis) .




Benutzeravatar
cvb
Halter
Offline
BeitrÀge: 174
Registriert: 26. Oktober 2003, 11:54
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

#8 AW: Myrmekophile

Beitrag von cvb » 12. Mai 2007, 10:52

Hallo Leute,
habe oben ja schon einmal kurz das Ameisenfischchen Atelura formicaria erwĂ€hnt. Wie Herrn Buschinger schon in einem anderen thread (s.o. link) erwĂ€hnte, können die Fischchen bei einem Angriff der Ameisen ihre Schuppen verlieren und so Angriffe ĂŒberstehen und den Ameisen entkommen. Ich habe nun eine Seite mit tollen elektronenmikroskopischen Aufnahmen von Fischchen gefunden, auf denen man die Schuppen toll sehen kann:
silverfish
Unten folgend habe ich mal den Text von Herrn Buschinger aufgegriffen zum Ameisenfischchen:
"Die folgenden Bilder von cvb zeigen Atelura formicaria, das Ameisenfischchen, mit seiner charakteristischen goldgelben Farbe. Halten lassen die sich wohl kaum, wie New Ant schon richtig bemerkte. Vor den Ameisen sind sie geschĂŒtzt, weil sie sich einfach flinker bewegen als diese und somit immer entwischen. Gepanzert sind sie praktisch nicht, aber beschuppt: Falls mal eine Ameise zubeißen kann, hat sie ein paar der leicht abzustreifenden Schuppen in den Mandibeln, und das Fischchen ist weg!"
Also wenn noch jm. Literatur zum Ameisenfischchen findet bitte her damit, habe nÀmkich selbst beim suchen im I-net nahezu nichts gefunden.
Gruss cvb



Neues Thema Antworten

ZurĂŒck zu „Andere Insekten & Spinnentiere“