Diese Art war auf Djerba die seltenste Cataglyphis-Art. Wir ( ich und Fabian) fanden vereinzelte sehr wenige umherstreunende Arbeiter in sandigen Gebieten, Gebiete, die selbst für die Verhältnisse in der nordafrikanischen Halbwüste als extrem karg gelten dürfen. Wie auch die anderen selteneren Cataglyphis-Arten an spezielle Umgebungen angepasst zu sein scheinen, lebt bombycinus ausschliesslich in solchen für ihre Art typischen Biotopen. Hier in solchen kargen, kaum mit Vegetation bewachsenen Flächen waren selbst die ansonsten fast überall siedelnden viaticus nur selten zu finden.
Im südtunesischen Binnenland fanden wir Stellen, an denen die bombycinus weniger selten anzutreffen waren. Trotzdem waren die Nester zwischen Dünen und in den sandigen Steppen immer schwer zu finden, am einfachsten noch waren die Nesteingänge auszumachen, indem man einer mit Beute beladenen Arbeiterin folgte und die Stelle untersuchte, an der sie verschwand. Hierbei war aber Vorsicht geboten, denn die wachsamen und argwöhnischen Ameisen registrierten jeden Verfolger. Anders als bei den anderen Cataglyphis-Arten waren die Nesteingänge der bombycinus immer sehr unauffällig, nie mit kraterartigen Nesteingängen versehen. Die grabenden, mit Erdmaterial beladenen Arbeiterinnen dieser Art laufen mindesten 30 cm vom Nesteingang weg, bevor sie sich ihrer Fracht entledigen. So wird der Nestauswurf verteilt und der Nesteingang bleibt unauffällig. Hinzu kommt, dass immer wieder einige Arbeiterinnen in Nesteingangsnähe nach Art der Grabwespen den Sand vom Nesteingang wegscharren und wegschleudern, so dass der Nestauswurf noch weiter und gleichmässiger in der Umgebung verteilt wird. Vieleicht ist diese Verhaltensweise eine Anpassung an die nahrungsarme Umgebung, in der diese Ameisenart ausschliesslich lebt. Hier könnten für hungrige Interessenten selbst solche Ameisen als willkommener Leckerbissen gelten. So könnte jede Tarnung lebensnotwendig sein, um Plünderungen vorzubeugen. Auch verhindert dieses Vorgehen ein Einstürzen oder Zuwehen des Nesteinganges mit trockenen haltlosen Sand.
Die bombycinus sind in mancherlei Hinsicht einzigartig. Im Englischen umgangssprachlich als "silverant" bezeichnet, schimmern die Tiere im gleißenden Sonnenlicht tatsächlich wie winzige verchromte Maschinchen. Der gesamte Körper ist mit Häärchen bedecht, die das Licht derart brechen, dass die Tiere silbrig schimmern. Ich vermute, dass auch dies eine Anpassung an das Leben in der prallen Sonne bei manchmal extremer Hitze ist, wahrscheinlich reflektiert diese Art mit dieser Anpassung einen Grossteil des auftreffenden Lichtes und der damit verbundenen manchmal übermässigen Wärme. Wir waren im zeitigen Frühjahr in Tunesien, aber auch jetzt erreichte die Bodentemperatur gegen Mittag bei Sonneneinstrahlung schon vierzig Grad. Das schien den Ameisen nichts auszumachen, im Gegenteil, erst jetzt wurden sie richtig aktiv und Arbeiterinnen verliessen die Nester. Bei solchen Temperaturen liefen die Tiere in atemberaubender Geschwindigkeit aus, hier und dort kurz verharrend, sich im Kreise um die eigene Achse drehend, sich nach markanten Orientierungspunkten umsehend und sich orientierend.
Eine weitere Besonderheit dieser Art ist, dass es neben einer polymorphen Arbeiterinnenkaste mit kleinen und grossen Arbeiterinnen und allen Übergängen zwischen diesen eine streng abgetrennte Soldatenkaste gibt. Das ist nicht nur für Cataglyphis einzigartig, es kommt wohl auch in der weiteren Verwandschaft so nicht vor. Es gibt zwar bei vielen Camponotus beeindruckende Majorarbeiterinnen, jedoch sind diese durch alle Zwischenformen übergangslos mit den Minorarbeiterinnen verbunden. Eine Ausnahme stellt hier Colobopsis mit seinen Türstehersoldaten dar. Ich verwende den Namen Colobopsis bewusst.
Die Soldaten der bombycinus sind tatasächlich beeindruckend, erste Bilder werde ich am kommenden WE ins AF einstellen. Es ist ein Rätsel, warum gerade diese Cataglyphis-Art solche starkbewaffeten Soldaten entwickelt hat. In der Fachliteratur wird angegeben, diese Soldaten würden als Wächter in Nesteingangsnähe fungieren und bei einen eventuellen Zwischenfall die Kolonie verteidigen. Ihr zahlenmässiger Anteil wird mit etwa einen Prozent an der Gesamtzahl der Individuen in der Kolonie angegeben. Nach unseren Beobachtungen waren es zumindest in der von uns untersuchten Umgebung immer sehr viel weniger, in einer Kolonie von etwa 2000 Tieren fanden wir durchschnittlich zwei bis vier Soldaten. Diese waren wie auch alle anderen Nestgenossinnen sehr tapfer und stürzten sich auf unsere Hände, jedoch war natürlich ihr Einsatz und sein Ergebnis angesichts der geringen Zahl von Soldaten nicht sehr bedeutend. Der Einsatz und Kampfeseifer aller Nestinsassen allein vermag einen Angreifer zu vertreiben. Warum also diese hochgerüsteten Soldaten, wenn sie angesichts ihrer geringen Zahl wirkliche Angriffe kaum abwehren können?
Bei einer von mir gehaltenen Kolonie der Art gibt es zwei Soldaten. Sie halten sich fast immer im Nestinnerem auf, ab und an unternimmt mal eine von ihnen einen kurzen "Inspektionspaziergang" durchs Terrain. In Nesteingangsnähe in Wächterposition sehe ich die Soldaten nie, wohl aber immer Arbeiterinnen. Gleichwohl, bei Aufregung irgendwelcher Art, Beunruhigung der Kolonie, Nestumzug oder ähnlichen verhalten sich die Soldaten aber genauso, wie man es von Soldaten erwarten würde. Tatsächlich flankieren sie dann zB. den Nestumzug, patroullieren an der Umzugsstrecke auf und ab und greifen wütend jeden Störenfried an. Erst wenn wieder Ruhe eingekehrt ist und der Umzug beendet ist, ziehen sich auch diese beiden Soldaten ins Nest zurück.
Vieleicht ist solcher flankierender Schutz ähnlich wie bei den Treiberameisen die Aufgabe der wenigen Soldaten der bombycinus. Denn schliesslich fanden wir unter der Ameisenverwandschaft keinen ernstzunehmenden potentiellen Angreifer in den Gefilden, die von bombycinus besiedelt wurden. Viaticus als ansonsten dominante Art war hier selten anzutreffen und führte bestenfalls ein kümmerliches Dasein in solchen wüstenhaften Gegenden. Gegen Pheidole, Tapinoma oder Monomorium würden solche Soldaten kaum nützen. Gegen solche winzigen möglichen Angreifer wären die Arbeiterinnen der bombycinus auch die effektiveren Verteidiger. Aber würde die Kolonie gestört, vieleicht angegraben durch Wirbeltiere und müsste sich nach einer solchen Katastrophe neu organsieren und schliesslich umsiedeln, können die wenigen Soldaten ein wirksamer Schutz gegen herumstreunende, immer neugierige und hungrige viaticus sein.
Die Körperlänge der Arbeiterinnen der bombycinus schwankt zwischen 6 und 15 mm. Die Art ist damit etwas kleiner als die viaticus. Im Unterschied zu den meisten anderen Cataglyphis-Arten tragen die bombycinus ihre
Grüsse, Frank.