User des Monats November 2024   ---   marcel  ---   Danke vom TEAM Ameisenforum  

Tropische Faltenwespen.

Themen über andere Insekten und Spinnentiere.
Benutzeravatar
Frank Mattheis
Halter
Offline
Beiträge: 1494
Registriert: 26. August 2002, 18:01
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 4 Mal

#1 Tropische Faltenwespen.

Beitrag von Frank Mattheis » 18. Oktober 2009, 18:16

In einem anderen Thema hat mich Sajiki gebeten, etwas zur Biologie trop. Faltenwespen beizusteuern. das tue ich natürlich gerne, auch wenn ich leider nur wenige eigene, direkte Erfahrungen mit diesen Arten habe.
Ich gebe daher hier einen Betrag aus dem Urania Tierreich Insekten, erschienen in 5. Auflage 1989 zum Besten.
Ich habe das Ganze mühevoll abgetippt und halte es deswegen für angemessen :), damit einen neuen Thread zu eröffnen.
Das Wissen, dass dieser recht allgemeine Beitrag wiedergibt, zeigt den Stand des Wissens um 1989.
Leider wird auch nur auf wenige Arten der Neuen Welt eingegangen, hier vor allem auf die im gewissen Maß wirtschaftlich bedeutsamen Brachygastra-Arten.
Das Ganze ist vllt. ein Anstoss für manche, etwas zu googeln und hier weiteres aktuelleres Wissen zusammen zu tragen.

Hier nun das Zitat:

"…aus dem grossen Heer der trop. Faltenwespen soll nur auf einige wenige stellvertretend für alle hingewiesen sein, die ebenfalls zu den Polistinae gehören. Brachygastra lecheguana (=Nectarina lecheguana) ist eine Art, die in Amerika von Mexico bis Brasilien verbreitet ist. Wie viele andere tropische Faltenwespen baut sie ein Nest aus Papierwaben, die von einer festen Kartonhülle umgeben sind. Durch die Anlage immer neuer Etagen, die ihrerseits mit einer Kartonhülle umgeben werden, streckt sich das Nest immer mehr in die Länge und kann 50.000 Zellen enthalten. Für die einheimische Bevölkerung hat die Art Bedeutung, weil sie, wie auch die übrigen Arten der Gattung Brachygastra, eine grosse Menge an Nektar einträgt und in ihren unverdeckelten Zellen aufbewahrt. Den Wespen dient der Honig sowohl als Nahrung für die trockene und kühle Jahreszeit als auch zusammen mit zerkauten Insekten als Larvennahrung. Die Bevölkerung gewinnt den Honig dadurch, dass sie die Wespen ausräuchert und das gesamte Nest mit den vollen Waben davonträgt. Das vertriebene Wespenvolk baut nach kurzer Zeit ein neues Nest, das auch bald wieder eine starke Brut enthält, denn die Wespen haben nicht nur eine, sondern mehrer Königinnen. Mehrjährige Nester können eine Höhe von 0,5 m und einen Durchmesser von 0,4 m erreichen.
Die erbeutete Honigmenge ist oft beträchtlich. Um die Honiggewinnung ökonomischer zu gestalten, verpflanzen die Eingeborenen junge Nester oft in grosser Zahl in ihre Gärten, vor allem in Pfirsichbäume.
Zuweilen ist der Genuss des Wespenhonigs jedoch gefährlich. Dann nämlich, wenn die Wespen Nektar aus Blüten giftiger Stechapfelarten eingetragen haben.
Wie andere tropische Vespiden vermehren sich die Brachygastra-Arten gegen Ende der Regenzeit durch Schwärme, die aus mehreren Weibchen und vielen Arbeiterinnen bestehen.
Verwandt und in der Lebensweise sehr ähnlich sind die ebenfalls trop. Polybia-Arten, die in gewissem Umfang auch Nektar eintragen. Gerade die Polybia-Arten beeindrucken durch das Alter, das die Völker erreichen, sowie die Grösse des Nestes und der Zahl seiner Bewohner. So wurde in Uruguay ein Nest mit einem Alter von etwa 35 Jahren bekannt, das 0,75 m hoch und einen Durchmesser von fast 0,5 m hatte. Diese Nester sind eigenartige, durch ihre Stacheln, die auf der Nesthülle stehen, wie eine Riesenkastanie aussehende Gebilde. Die Zahl der Bewohner mancher Nester kann maximal 100.000 erreichen.
Nicht immer sind die Nester nur aus Karton gefertigt, sondern manchmal aus einem Gemisch von Lehm und Kartonmasse oder sogar aus reinem, mit Speichel durchtränkten Lehm.
Viele Polybien speichern nicht nur eine gewisse Menge Honig, sondern sie deponieren manchmal auch die Kadaver von Termiten oder Ameisen in ihren Zellen, nachdem sie diesen Kopf und Extremitäten abgebissen haben. Manche Arten freilich machen es sich einfach, denn sie schieben die Beute nicht in die mit Zellen, sondern legen sie einfach auf der glatten horizontalen Oberseite der einzelnen Waben ab."

LG, Frank.



Benutzeravatar
Smaug
Halter
Offline
Beiträge: 1151
Registriert: 30. Juni 2004, 21:02
Hat sich bedankt: 20 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

#2 AW: Tropische Faltenwespen.

Beitrag von Smaug » 18. Oktober 2009, 18:47

Für die einheimische Bevölkerung hat die Art Bedeutung, weil sie, wie auch die übrigen Arten der Gattung Brachygastra, eine grosse Menge an Nektar einträgt und in ihren unverdeckelten Zellen aufbewahrt. Den Wespen dient der Honig sowohl als Nahrung für die trockene und kühle Jahreszeit als auch zusammen mit zerkauten Insekten als Larvennahrung
Ein interessanter Beitrag, Frank. Aber wie kann es sein, dass die Wespen Nektar sammeln und dann Honig aus ihren Zellen entnehmen? Sind sie in der Lage Honig herzustellen?



Benutzeravatar
Frank Mattheis
Halter
Offline
Beiträge: 1494
Registriert: 26. August 2002, 18:01
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 4 Mal

#3 AW: Tropische Faltenwespen.

Beitrag von Frank Mattheis » 18. Oktober 2009, 19:57

Hallo Smaug. Ja, ganz sicher. Da müsste aber vllt. Sajiki was zu sagen, wie Honig eigtl. entsteht. Fermentierung, Wasserentzug usw.. Aber sicher können Wespen das ebenso wie Bienen, auch sie werden den Nektar das Wasser entziehen, durch gegenseitige Fütterung und Weitergabe, durch immer neues Vorwürgen. Auch durch die Lagerung in den offenen Zellen. Auch diese Wespen lagern den Honig offenbar über lange Zeit, wie unsere Bienen für die Winter- oder hier die Trockenzeit. Er muss also bei diesen Wespen ebenso haltbar sein.
Man sieht das auch bei unseren Polistes-Arten. Auch sie lagern manchmal Nektar in ihren Zellen ein. Da hängen dann mehr oder weniger grosse Honig- (...oder Nektar?)tröpfchen in den Zellen.

LG, Frank.



Benutzeravatar
Smaug
Halter
Offline
Beiträge: 1151
Registriert: 30. Juni 2004, 21:02
Hat sich bedankt: 20 Mal
Danksagung erhalten: 12 Mal

#4 AW: Tropische Faltenwespen.

Beitrag von Smaug » 18. Oktober 2009, 20:58

Donnerwetter! Wirklich hoch interessant. Danke Frank.



Benutzeravatar
Frank Mattheis
Halter
Offline
Beiträge: 1494
Registriert: 26. August 2002, 18:01
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 4 Mal

#5 AW: Tropische Faltenwespen.

Beitrag von Frank Mattheis » 18. Oktober 2009, 21:23

Gerne, Smaug. Gerade die Wespen sind natürlich hochinteressant. Man könnte bei diesen Brachygastra-Arten von einer Parallelevolution reden, immerhin sammeln sie wie Bienen Nektar und produzieren Honig.
Das ist schon erstaunlich, aber noch relativ naheliegend. Man kennt ja die Schwäche aller Wespen für Süsses, jeder hat schon einheimische Faltenwespen beim Blütenbesuch gesehen, auch sie, und unter ihnen nicht nur die Feldwespen (Polistes) tragen in gewissen Umfang Nektar ein. Hier besonders ausgeprägt neben den Polistes die Langkopfwespen (Dolichovespula).
Verblüffend wird es aber, wenn Bienen auch Fleisch eintragen. Es gibt wohl in Süd- und Mittelamerika stachellose Bienen (Trigona?), die auch an Aas gehen und Fleisch für die Fütterung der Nachkommenschaft eintragen. Einen Bericht über solche Bienen habe ich vor Jahren im TV gesehen. Vielleicht überbrücken die Bienen nektararme oder pollenarme (...der Pollen ist ja die normale Eiweissnahrung der "vegetarischen" Bienenarten...) Trockenzeiten auf diese Weise, haben sich jedoch mehr und mehr auf diese "räuberische" Ernährungsweise umgestellt.

LG, Frank.

Ah ja, da ham wa's ;) :

Faszinierend an der Biologie sind die Ausnahmen von den Regeln

Ein beeindruckendes Beispiel in dieser Hinsicht sind sozial lebende, tropisch verbreitete stachellose Bienen der Gattung Trigona. Diese nutzen statt Pollen tierische Kadaver als Proteinquelle für ihre Nachkommen (Roubik 1989). Doch derart bemerkenswerte, von der „Norm“ abweichende Lebensweisen findet man nicht nur in den Tropen, sondern auch direkt bei uns vor der Haustür. Beispiele in dieser Hinsicht sind die Schenkelbienen Macropis europaea und M. fulvipes, die mit ihren Trachtpflanzen aus der Gattung Lysimachia (Primulaceae) und ihrem Brutparasiten Epeoloides coecutiens ein komplexes Beziehungsgefüge auf der Basis floraler Öle eingegangen sind (Abb. 1). Die seltene Gelegenheit, im Jahr 2007 in zwei verschiedenen Gebieten jeweils alle Glieder dieser Lebensgemeinschaft syntop erfassen zu können, war für uns der Anlass, deren gemeinsame Biologie in dieser kleinen Arbeit darzustellen.
http://www.nabu-rhein-erft.de/t exte/insekten/oelhunger.html http://iq.lycos.de/lili/my/add/?url=http%3A%2F%2Fwww.nabu-rhein-erft.de%2Ftexte%2Finsekten%2Foelhunger.html



Benutzeravatar
Boro
Halter
Offline
Beiträge: 6149
Registriert: 28. März 2004, 19:00
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 9 Mal

#6 AW: Tropische Faltenwespen.

Beitrag von Boro » 19. Oktober 2009, 10:07

Kleiner Beitrag zum Honig: Auch unsere heimischen Polistes sp. lagern Honig in ihren leeren Zellen ein. Man kann das sehr leicht beobachten, weil ihre Einzelwabe ja immer ohne Hülle ist. Den Nektar holen sich die Arbeiterinnen direkt aus den Blüten, die Verarbeitung erfolgt vermutlich so ähnlich wie das Frank angedeutet hat. Dieser Honig gilt als Reserve für kühle, regnerische Tage. Im Gegensatz zu den heimischen Echten Wespen können Polistes sp. an solchen Tagen (oft tagelang) nicht ausfliegen.
Nektar von Blüten und der Saft von Obst sind Nahrung für die jungen Geschlechtstiere, die bereits im Spätsommer (August) und später erscheinen. Bei Polistes gibt es ja keine Schwärmtage, Hochzeit wird wochenlang an erhöhten, markanten Punkten "gefeiert". Die jungen Geschlechtstiere kehren dann immer wieder in ihre Nester zurück. Auch Männchen können sich selbständig ernähren und sterben somit nicht nach der ersten Kopulation im Freien. Auch die Männchen von Vespa crabro können sich selbständig ernähren und leben somit sicherlich ein paar Tage. Aber das ist eine andere Geschichte, die hat Frank sicher schon genau erforscht......
L.G. Boro



Benutzeravatar
Frank Mattheis
Halter
Offline
Beiträge: 1494
Registriert: 26. August 2002, 18:01
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 4 Mal

#7 AW: Tropische Faltenwespen.

Beitrag von Frank Mattheis » 19. Oktober 2009, 10:30

Aber nein, Boro :). Ich habe nur Beobachtungen, die habe ich wie Du in einigen Jahren des Nachstellens und Sehens zusammengetragen:guckstdu:.
Das ist ein interessanter Hinweis. Im Frühsommer sieht man auch oft die ersten Männchen der Langkopfwespen neben den allerersten Polistesmännchen und neben den jetzt schon fliegenden Männchen der parasitischen Faltenwespen sowie den dazugehörigen Weibchen auf "Wespenblumen", allen möglichen Doldenblüten und anderen Blütenpflanzen. Das sind manchmal spezielle angepasste Pflanzen, deren "kurze" Blüten den Wespen und den Blumenfliegen das Erreichen des Nektars ermöglichen. Sicher können auch die Männchen dieser Arten tagelang oder gar bei günstiger Witterung wochenlang überleben und sich so selbstständig ernähren.
Im Spätsommer sieht man die Männchen dieser und anderer Arten, auch die der Kurzkopfwespen beim Naschen von Nektar u.a. auf Goldregen.
Hornissen habe ich auch schon beim Blütenbesuch beobachtet, im Frühjahr auch gründende Jungköniginnen. Und das nicht nur zur Jagd auf blütenbesuchende Insekten, sondern auch zum Sammeln von Nektar.

LG, Frank.



Benutzeravatar
Sajikii
Erfahrener Halter
Offline
Beiträge: 3090
Registriert: 30. August 2002, 21:18
Hat sich bedankt: 1215 Mal
Danksagung erhalten: 850 Mal

#8

Beitrag von Sajikii » 19. Oktober 2009, 22:23

Vielen Dank Frank für deine Mühe! Die Informationen waren großteils für mich neu, wirklich beeindruckend. Die Faltenwespen sorgen halt immer für neue Überraschungen.

Was die Entstehung des Bienenhonigs betrifft, grob ausgedrückt, die Sammelbienen tragen den Nektar ein, die Jungbienen übernehmen die Arbeit und dicken die Lösung ein (durch ständiges hervorwürgen, weitergeben, entwässern) und mischen dabei Fermenten, Inhibinen und Säuren über Körperdrüsen ein die den Honig so gut haltbar machen. Dann wird der Honig in die Waben eingelagert und anschließend wasserdicht verdeckelt. (Es gibt einen Bienenhonigfund aus einem antiken Grab der alten Ägypter. Der Honig wurde in einem verschlossenen Topfgefäß gelagert und wäre heute noch ohne Probleme essbar, nur an Würze und Geschmack verlor er etwas. Erstaunlich oder?)
Wäre doch interessant zu wissen ob die Wespen bei der Honigproduktion auch etwas beimischen zur längeren erhaltung des Honigs?

Toller Thread! :-)


LG

Neues Thema Antworten

Zurück zu „Andere Insekten & Spinnentiere“