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Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

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Boro
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#9 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Boro » 27. August 2010, 14:23

Ja, die Überfälle sind immer Kommandoaktionen: Ausspähen-heimlaufen und die Truppen rekrutieren-die Armee zum Zielnest geleiten-bei der Ankunft weichen vorpreschende Amazonen kurz zrück, um dann mit den Nachkommenden pulkartig einzudringen.
Die Sache hat nur einen Haken: Das Ãœberraschungsmoment!
Bei starken Nestern - hier wieder vor allem F. rufibarbis/clara - patroullieren auch bei hohen Temperaturen immer etliche heimische Arbeiterinnen auf der Nestoberfläche. Das kurze Innehalten der vorpreschenden Angriffsspitze der Amazonen kann ausreichen, um über Alarmpheromone die eigene Mannschaft zu alarmieren. Ist dies der Fall, sind alle Optionen offen:
a) Heftiger, aber erfolgloser Kampf der Verteidigerinnen. Die Amazonen dringen ein und rauben die Brut. Je heftiger die Abwehr, desto aggressiver und todbringender agieren die Aggressoren.
b) Abwehr der Angreifer. Heftige Abwehr der Verteidiger zwingt die Angreifer zur Umkehr [sehr selten, das konnte ich erst 3 x beobachten]. F. rufibarbis!
c) Abwehr der Angreifer nach Massenaustritt der Verteidigerinnen. Nach kurzem, sehr heftigem Kampf flüchten die Amazonen in Richtung des eigenen Nestes und werden von wütenden Verteidigerinnen bis zu deren Nest verfolgt, wobei es den Serviformicas immer wieder gelingt versprengte Amazonen zu fassen, zu fixieren u. gemeinsam zu töten. [Sehr selten, insgesamt von weit über 200 Beobachtungen nur 2 x und noch dazu beim gleichen Zielnest] Formica cf. clara! In der Literatur übrigens nicht erwähnt!

Die Flucht vieler Serviformica-Arbeiterinnen mit Brut (und oft mit der Königin) auf nestnahe Blätter und Gräser kommt häufig vor.
Und genau die oft sehr verschiedenen Interaktionen Serviformica sp.- Polyergus rufescens machen die Beobachtung immer wieder zum spannenden Erlebnis! Das ist oft besser, als im TV einen Krimis zu konsumieren.....
L.G.Boro



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Hoffer
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#10 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Hoffer » 30. August 2010, 11:26

Ich konnte bisher noch nie beobachten, dass ein Angriff abgewehrt wurde, allerdings habe ich schon 2 oder 3 mal erlebt, dass die Amazonen zu einem Raubzug aufgebrochen sind, allerdings dann wieder unverrichteter Dinge umgedreht haben. Vielleicht haben sie die Pheromonspur verloren,...


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Boro
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#11 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Boro » 30. August 2010, 12:02

Das hab ich auch immer gedacht! Laut Uni-Forschern aus Italien, die sich besonders mit P.r. auseinandergesetzt haben, stimmt das weitgehend nicht. Sie orientieren sich (angeführt von den Pfadfinderinnen) meistens nur nach dem polarisierten Himmelslicht, mitunter werden auch Wegmarken verwendet! Es wurde dort festgestellt, dass erst gegen Ende der Saison von den Pfadfindern auch öfter Spurpheromone im Zuge der Heimkehr von einem Zielnest gelegt werden. Warum das so ist, weiß niemand.

Raubzüge ins Nirwana sind gar nicht so selten (abgesehen von wenig erfolgreichen Zügen gegen vor kurzem geplünderte Nester). Hier haben frühere Forscher arge Fehler gemacht und sind pro Saison auf 30.000 od. gar 40.000 Puppen gekommen. Du lieber Himmel! So einfach ist das nicht!
Man kann nicht die durchschnittliche Anzahl von Raubzügen mit der Anzahl der Amazonen multiplizieren und ein Ergebnis darbieten. Das ist aus den eben erwähnten Gründen falsch und auch deshalb maßlos überzogen, weil man sehr häufig feststellen kann, dass auch anlässlich erfolgreicher Beutezüge keineswegs alle Amazonen Puppen heimtransportieren. Von den wenigen abgewehrten Angriffen will ich hier nicht reden.

Aber du hast Recht! Leicht zu verstehen ist das nicht, denn wenn sie sich nach dem polarisierten Himmelslicht orientieren, kann man auch die wiederholt auftretenden Stops nicht verstehen, wo die Amazonen weit ausschwärmen und ihre Route wieder finden wollen. Es könnte allerdings an der Entfernung liegen, d. h., dass die Anführerinnen (Pfadfinderinnen) nicht mehr "wissen", wie weit es noch geht!
Obwohl Polyergus r. die am besten erforschte sozialparasit. Art sein soll, gibt es immer noch Rätsel....über Rätsel......
L.G.Boro



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Hoffer
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#12 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Hoffer » 31. August 2010, 17:45

Vielleicht handelt es sich bei den Stopps auch um eine Art Zusammenwarten für einen noch besseren Überraschungseffekt beim Angriff? Bei den Berechnungen mit den 30000 bis 40000 geraubten Puppen müsste man deren Ansätze kennen, Volksstärke der Amazonen, wie viele Raubzüge, außerdem gibt es auch in jedem überfallenem Nest nicht gleich viel zu holen... Aber schon klar, man kann nicht einfach die Anzahl der Amazonen hernähmen und einfach mal der Raubzüge multiplizieren. Ich habe einmal versucht bei einem Raubzug die erbeuteten Puppen und Larven zu zählen, es war nicht sehr einfach, aber es dürften so zwischen 500 und 600 gewesen sein! Aber man kann jetzt nicht hergehen und diese Zahl, mit der Anzahl der Raubzüge multiplizieren aus deinen und meinen erwähnten Gründen. Aber wäre wirklich interessant zu wissen... Wie viele Raubzüge gibt es denn eigentlich durchschnittlich pro Saison und Amazonenvolk, hast du da vielleicht eine Zahl?

MfG Hoffer.


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#13 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Boro » 31. August 2010, 21:44

Das ist stark von der Witterung und scheinbar vom Alter der Königin abhängig. An Tagen mit gutem Wetter und länger anhaltenden Temp. ab 23° kann´s losgehen. Bei uns durchschnittlich nach dem 20. Juni bis in die letzten Augusttage. Nester mit einer jungen Königin sind sehr aktiv. Ein anderes Nest kenne ich jetzt schon 12 od. 13 Jahre und da war schon seit 14 Tagen kaum mehr Aktivität. Dieses Nest war urspr. rekordverdächtig, ich zählte anfangs gut 2000 Amazonen, so einer Streitmacht kann man tatsächlich 30.000 oder 40.000 geraubte Puppen zutrauen. Das Nest wurde dann von Fasanen geplündet, diese haben nicht nur fast die ganze Brut gefressen, sondern auch vornehmlich die roten Amazonen. Ich hab ihre Chitinreste im zurückgelassenen Kot gefunden! Dann sind die Reste des Mischvolkes 2 Mal umgezogen und schließlich war es mit etwa 500 Amazonen jenes Nest, das bei Formica cf. clara 2006 u. 2008 völlig unter die Räder gekommen ist. Es läuft also nicht immer nach Schema F!
Es gibt Jahre - wie heuer im Juli - da können sie fast jeden Tag ausmarschieren, manchmal auch zwei Mal am Tag und dann hat es Jahre gegeben, da war mitten im Hochsommer oft mehr als eine Woche nichts los (Gewitter am Nachmittag etc.)
Wenn man ein Mittel aus guten u. schlechten Jahren zieht, könnte man jeweils max. 20 Raubzugtage für grob gerechnet 2 Monate annehmen.
L.G. Boro



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#14 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Boro » 6. April 2011, 19:23

Die sinnvollste Hilfe wäre in diesem Fall wohl die Gabe von Serviformica-Puppen der gleichen Art, die sich auch jetzt schon als Hilfsameisen findet. Durch die Stärkung der Kolonie könnte sie sich leichter gegen Konkurrenz durchsetzen.
Zu dieser Zeit ist das aber natürlich schwer zu realisieren, da die Freilandkolonien noch keine Puppen besitzen.
Darüber hinaus kannst du die Kolonie natürlich durch gezielte Futtergabe unterstützen, wobei Dauernahrungsquellen nur noch stärkere Konkurrenz durch die Lasius niger hervorrufen würden.

Vielleicht ist es in diesem Fall tatsächlich besser, einfach zuzuschaun, was passiert.
Boro, kannst du uns sagen, wie es um die Umzugsfreudigkeit von Polyergus steht? Weichen sie zu starker Konkurrenz im Zweifel aus oder kämpfen sie eher und gehen dabei unter?


LG Jan

Hallo Amazonen-Freunde!
Gleich vorweg: Ich würde jene Lasius-Nester, von denen aus die Bedrohung kommt, ausfindig machen und mechanisch vernichten. Klingt brutal, aber bei L. niger geht es nicht anders, die sind unberechenbar, aggressiv, dominant, "hintergältig" etc......
Die Mittel würden aber das vorgegebene Ziel rechtfertigen: Die Erhaltung eines Nestes einer v. Aussterben bedrohten Art!
PolyergusXServiformica-Nester können durchaus selbst umsiedeln, das hängt aber ausschließlich von den Hilfsameisen ab, wenn die eine ständige Bedrohung erleben od. einen günstigeren Neststandort finden, dann geht´s los. Durchaus auch schon jetzt, der Umzug dauert bei großen Kolonien einige Tage, weil es sich um keinen Massenumzug, sondern immer wieder um Einzelaktionen hin- u. herlaufender Ameisen handelt.
Übrigens: Polyergus wird ausschließlich v. Hilfsameisen getragen, die gehen keinen "Schritt" zu Fuß, getreu nach dem Motto: Wir können nur Krieg führen, sonst nichts! Die Königin wird nicht getragen, sondern gezogen, wobei sich die Hilfsameise, die oft verkehrt zur Zielrichtung zieht, zwischendurch immer wieder orientieren muss und dabei die Königin einfach kurz allein (sitzen) lässt!
Und noch einmal: Die niger Nester würde ich vielleicht einmal oberflächlich kräftig zertreten, das hilft vielleicht kurzfristig; die Königin überlebt das sowieso, weil sie tief unten sitzt. Wenn ich solche u. ähnliche Aktionen gegen L. niger u. L. emarginatus nicht ab und zu (sehr ungern) starten würde, hätte ich im Garten einige Arten weniger!
L.G.Boro

Merkur

Es ist fast zu erwarten, dass der Vorschlag, das Vorgehen, von Boro einigen Widerspruch hervorrufen wird.
Als Myrmekologe und guter Kenner der Freilandsituation auch in Regionen mit Polyergus-Vorkommen, sowie als Naturschützer, möchte ich hier schon mal vorbeugend ausdrücklich erklären, dass der Vorschlag richtig ist!

Bei derart seltenen Ameisen „darf“ man auch im Freiland ein wenig Hilfestellung leisten, wenn eine Gefährdung durch eine ubiquitäre Massenart wie Lasius niger zu erkennen ist. Je nach Sachlage würde ich sogar zum Spaten greifen, eine gehörige Portion von jedem der L. niger-Nester wegnehmen und einige 20 Meter weiter wieder absetzen (ist natürlich in einem NSG nicht zulässig).

Zumindest in D leben die paar Polyergus-Kolonien zwar üblicherweise in naturnahen Habitaten, die aber dennoch meist stark von Menschenhand umgestaltet werden (z.B. Trockenrasen, auf denen durch Schafbeweidung oder Mahd das Aufkommen von Wald gebremst wird) oder sogar erst neu geschaffen wurden (z.B. Steinbruchs-Abraumhalden). Da kann eine solche lokal sehr begrenzte Aktion, die sonst nichts gefährdet, wirklich nicht schaden.

Danke, auch im Namen der Polyergus![img]file:///C:/DOCUME%7E1/SPONGE%7E1/LOCALS%7E1/Temp/msohtmlclip1/01/clip_image001.gif[/img]

Merkur

Hallo!
Danke für eure Hilfestellungen!
Ich werde das mal weiter beobachten und dann gegebenenfalls zum Spaten greifen.

Eine Frage noch an die Moderatoren, ob man diese letzten Beiträge in diesen Diskussionsthread verschieben kann? Bitte, danke!

LG Hoffer.



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#15 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Hoffer » 8. April 2011, 12:09

Danke für die Verschiebung hierher!


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#16 AW: Diskussionsthread zum Bericht "Aus dem Leben zweier Amazonenvölker"

Beitrag von Boro » 3. Juni 2011, 17:26

Vor etwa einer Woche habe ich ein paar Amazonennester kontrolliert, es gab aber seitens der Amazonen keinerlei Tätigkeit.
Aus D wurde mir berichtet, dass bereits am 21. 5. ein erster Ausmarsch beobachtet werden konnte. Fast einen Monat zu früh....
Jetzt wird es aber nicht mehr lange dauern!
L.G.Boro



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